Fußballprofi in China:Die Geschichte von Nie Ling Fung

Fußballprofi in China: Andreas Nägelein: Von Nürnberg nach Asien (Archivbild)

Andreas Nägelein: Von Nürnberg nach Asien (Archivbild)

(Foto: imago sportfotodienst)

In seiner Jugend spielt Andreas Nägelein beim 1. FC Nürnberg, doch für eine Zukunft beim Club reicht es nicht. Also geht Nägelein nach China, um mit dem Fußballspielen endlich viel Geld zu verdienen. Mittlerweile heißt er Nie Ling Fung - und ist Nationalspieler von Hongkong.

Von Markus Schäflein

Derzeit ist Nie Ling Fung mal wieder in Franken. Er hat Weihnachten in seiner Heimat verbracht, er besuchte seine Familie, und er traf beim jährlichen Jahrgangsumtrunk des 1. FC Nürnberg ehemalige Mitspieler wie Andreas Wolf (AS Monaco), Chhunly Pagenburg (FSV Frankfurt) oder Christian Eigler (FC Ingolstadt). Bei diesem Klassentreffen kann Nie Ling Fung stets die kuriosesten Geschichten beisteuern. Er erzählt vom Fußballspielen bei über 40 Grad und bei 90 Prozent Luftfeuchtigkeit, und er erklärt: "Shenzhen und Hongkong sind quasi wie Nürnberg und Fürth."

Der defensive Mittelfeldspieler Nie Ling Fung stand bei Shenzhen Ruby und Guizhou Zhicheng unter Vertrag, und er ist nun mit 32 Jahren Nationalspieler von Hongkong geworden.

Als Nie Ling Fung noch Andreas Nägelein hieß, hatte er als Fußballer eine Menge Pech. In seiner Jugend hatte er beim 1. FC Nürnberg gespielt, doch für eine Zukunft beim Club reichte es nicht. Erst verdiente er sein Geld in der damaligen Regionalliga Süd beim 1. FC Schweinfurt 05 (2003/04) und beim SC Feucht (2005), allerdings nicht lange - beide Klubs meldeten Insolvenz an.

Dann konnte er sich in der zweiten Liga bei Wacker Burghausen nicht durchsetzen und fand ein Auskommen im hohen Norden bei Drittligist Kickers Emden - bis sich dieser 2009 aus finanziellen Gründen in den Amateurbetrieb zurückzog. Nägelein hatte schon wieder keinen Job mehr, und von der Deutschlandreise hatte er nun genug. Er ging für ein halbes Jahr nach Zypern zu APEP Pitsilia.

Und dann kam sein Spielerberater und fragte, ob er nicht vielleicht nach China wechseln wolle. "Das hat natürlich auch einen finanziellen Aspekt gehabt", sagt Nägelein. Als europäischer Profi in Chinas erster Liga, der Chinese Super League (CSL), verdiene man in jedem Fall "ein oberes deutsches Zweitligagehalt oder ein unteres Erstligagehalt" - Dimensionen, die für den mittlerweile 28-Jährigen in Deutschland undenkbar waren. Der Berater sagte: "Wenn du das machen möchtest, musst du dich morgen um drei in den Flieger setzen, und dann geht's da runter."

Nägelein hatte schon öfter China besucht, sein Vater hatte dort acht Jahre lang für eine Versicherung gearbeitet, seine Mutter stammt aus Hongkong, seine Schwester hatte in Peking studiert. Überwindung kostete ihn die Entscheidung dennoch - er konnte die Sprache nicht, und gefallen hatte es ihm bei seinen Besuchen auch nie sonderlich.

"Ich war schon skeptisch. 2001 war ich das letzte Mal dort gewesen, da fand ich die sichtbaren Unterschiede zwischen arm und reich schon sehr extrem. Aber es hatte sich bis 2010 wirklich sehr viel verändert." Bei der Visite in Shenzhen hatte er nun einen positiven Eindruck: "Dann habe ich beschlossen, es zu wagen."

Länderspiele als Herzensangelegenheit

Bei Shenzhen Ruby traf er Kollegen wie den neuseeländischen Nationalspieler Chris Killen und Vyacheslav Hleb, Bruder von Aleksandr. Spieler von anderen Kontinenten kommen nicht wegen des unerträglichen Klimas oder wegen der taktischen Mängel ihrer Mitspieler so gerne in die CSL: "Wenn man sich die Fuhrparks bei manchen Vereinen anschaut", staunt Nägelein, "hat das Bundesliga-Niveau. Marcello Lippi oder Sven-Göran Eriksson verdienen als Trainer hier sicher auch nicht schlecht."

Nägelein hieß mit Vornamen nun Ling Fung, wie sein Großvater mütterlicherseits, und mit Nachnamen Nie, "das steht für Nägelein", sagt er, so hatte man seinen Vater genannt. Er lernte Grundbegriffe des Fußballs auf Chinesisch, "links, rechts, vor, zurück, Hintermann", doch zu den wichtigsten Angestellten der Klubs zählen ohnehin die Übersetzer: Fast alle Trainer kommen aus Europa.

Nägelein bedauert, dass er "die Nationalhymne nicht mitsingen" kann, wenn er jetzt für Hongkong aufläuft wie zuletzt in den Qualifikationsspielen zur Asienmeisterschaft. Das Geld mag ihn nach China gebracht haben, doch die Einsätze für die Auswahl der unabhängigen Sonderverwaltungszone Hongkong, die in der Fifa-Rangliste auf Platz 140 zwischen Afghanistan und Mauretanien steht, sind für ihn eine Herzensangelegenheit: Er spielt für die Heimat seiner Mutter, er wurde dort geboren.

Seinen Weihnachtsurlaub im Nürnberger Land musste er dieses Jahr leicht verspätet antreten - es standen noch Vertragsverhandlungen an. Nach einem Beinbruch hatte er zuletzt für ein halbes Jahr beim Zweitligisten Guizhou Zhicheng in Guiyang unterschrieben, nun hat er wieder gut dotierte Angebote aus der ersten Liga Chinas und aus anderen Ländern Asiens vorliegen. Anfragen aus Europa hat Nie Ling Fung keine erhalten, und zurückkehren will der 32-Jährige erst einmal sowieso nicht: "Ich würde auf alle Fälle gerne noch einen Zwei- oder Dreijahresvertrag unterschreiben."

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