Fußballnationalteam der Frauen:Auf der Suche nach Ruhe

Netherlands Women's v Germany Women's - Three Nations.One Goal. Tournament

Viel Arbeit: Die deutsche Defensive um Sara Doorsoun (Nummer 23) hatte beim Drei-Nationen-Turnier gegen die Niederlande gut zu tun.

(Foto: Dean Mouhtaropoulos/Getty Images)

Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg will 2021 zur Weiterentwicklung des Fußballnationalteams nutzen. Bei der ersten Herausforderung seit langem, dem 1:2 verlorenen Test gegen die Niederlande, lässt sich so manche drängende Frage allerdings nur bedingt beantworten.

Von Anna Dreher, Venlo/München

Eine erste Antwort erhielt Martina Voss-Tecklenburg schon kurz nach Spielbeginn. Gerade hatte die Bundestrainerin die erste große Chance ihres Teams beobachtet, bei der Alexandra Popp den Ball übers Tor gedonnert hatte. Direkt danach sah sie mit erhöhtem Puls, wie der Ball beim Richtungswechsel zur Niederländerin Jill Roord kam, die entschlossen abzog, das Lattenkreuz traf und Nationaltorhüterin Merle Frohms dabei zur ersten Parade zwang. Der Ball sprang vom Balken rechts oben nach links unten, und dass daraufhin nicht Oranje in Führung ging, lag weniger an einer geordneten Defensive, sondern an der Niederländerin Lieke Martens - die beim Nachschuss, wie zuvor Popp, aus kurzer Distanz weit übers Ziel schoss. Da lief gerade die vierte Minute, und die deutsche Abwehr war also direkt darüber im Bilde, was sie an diesem Abend erwarten würde.

Zum Abschluss des Drei-Nationen-Turniers musste sich das Fußballnationalteam der Frauen gegen die Niederlande erstmals seit langem wieder mit einem Gegner auseinandersetzen, der für alle Mannschaftsteile eine Herausforderung darstellte. Vor allem das Abwehrverhalten stand für Voss-Tecklenburg im Fokus: "Wir können unsere Defensive da noch gar nicht richtig einschätzen, weil sie im vergangenen Jahr nicht wirklich gefordert wurde", hatte die Trainerin vor der Partie gesagt. Nach dem 1:2 (1:1), der ersten Niederlage seit zwölf Partien, stellte sie fest: "Wir haben gesagt: Traut euch, ihr dürft Fehler machen! Aber es war alles ein bisschen unruhig."

Gegen die Niederlande steht eine junge und sichtlich nicht abgestimmte Abwehrreihe auf dem Platz

Voss-Tecklenburg hatte im Vergleich zum 2:0 gegen Belgien, dem ersten Länderspiel des Jahres, die Startformation auf fünf Positionen verändert, was sich vor allem in der Viererkette vor Frohms zeigte. Die erfahrene Innenverteidigerin Marina Hegering, 30, sonst Fixpunkt der Abwehr, musste wegen muskulärer Probleme passen. Auf dem Platz standen Sara Doorsoun, 29, Lena Lattwein, 20, Lena Oberdorf, 19, und Sophia Kleinherne, 20 - eine junge, sichtlich nicht abgestimmte Reihe. Die Suche nach Ruhe im Spielaufbau und bei der Verteidigung der Angriffe des offensivstarken, bestens eingespielten Europameisters und WM-Zweiten wurde zusätzlich erschwert: Lattwein musste nach einem heftigen Zusammenprall mit Torhüterin Lize Kop benommen vom Feld (26. Minute) und Kathrin Hendrich sich sofort in die temporeiche Partie hineinkämpfen.

Die Beantwortung der Frage, wie die Defensive gegen starke Gegner denn nun einzuschätzen ist, ermöglichten diese Umstände nur bedingt. Andererseits will Voss-Tecklenburg ohne Ergebnisdruck, gut anderthalb Jahre vor der verschobenen EM, ohnehin bewusst neue Kombinationen ausprobieren. 2021 steht ganz im Zeichen der Weiterentwicklung. "Das ist ja das, was wir wollen - dass diese Spielerinnen diese Erfahrungen machen und daran wachsen", sagte Voss-Tecklenburg. "Es ist toll, dass unsere Jungen da reingeworfen werden und eben auch Widerstände überwinden müssen. Das mussten heute ganz viele." Torhüterin Frohms eingeschlossen.

Frohms bringt sich teils selbst in die Bredouille

Seit Almuth Schult nach einer Schulterverletzung und der Geburt von Zwillingen als kräftige Stimme auf dem Platz fehlt, muss Frohms sich an die Rolle der Nummer eins gewöhnen. "Natürlich hoffe ich, dass ich etwas mehr zu tun bekomme", hatte die 26-Jährige zuvor gesagt, nach einer EM-Qualifikation mit 46:1 Toren fürs DFB-Team. Sie bekam diesen Wunsch prompt erfüllt. Die variabel und unnachgiebig angreifenden Niederländerinnen prüften die Deutschen und deren Torhüterin permanent. Und Frohms musste die Fehler, die ihren Kolleginnen unterliefen, reaktionsschnell ausbügeln, wobei sie sich teils selbst in die Bredouille brachte, weil sie Bälle abprallen ließ. "Lernen aus Dauerdruck, auch in diesen Spielen eine gewisse Ruhe finden - diese Ruhe hatte Merle nicht in allen Aktionen", sagte die Bundestrainerin. "Aber auch daraus wird sie wachsen, weil sie nicht so oft vor diesen Herausforderungen steht."

Dass aber nur Jackie Groenen (16.) und - nach dem Ausgleich von Laura Freigang (44.) - Danielle van de Donk zum 2:1 (60.) trafen, zeigte trotz aller Abstimmungsprobleme die Qualität des deutschen Kaders. Zudem ergab sich speziell in den letzten 20 Minuten durch Klara Bühl und Lea Schüller eine Tormöglichkeit nach der anderen. Allein: Genutzt wurde keine. "Womit ich überhaupt nicht zufrieden bin, ist die Chancenverwertung", sagte Voss-Tecklenburg, "das war heute wirklich zum Haare raufen!" Aber das ist eine andere Baustelle.

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