Fußball-Zweitligist ohne Investor:Wie es bei 1860 München weitergehen könnte

TSV 1860 Muenchen - 1. FC Koeln

Wie geht es weiter? 1860-Präsident Dieter Schneider.

(Foto: dapd)

Ohne weitere finanzielle Hilfe des Investors ist Zweitligist 1860 München auf sich alleine gestellt: Ist der Fußballklub überlebensfähig? Könnte Hasan Ismaik ganz aussteigen? Würde ein neuer Präsident etwas ändern? Die wichtigsten Fragen und Antworten im Überblick.

Von Gerald Kleffmann und Markus Schäflein

Nach dem gescheiterten Friedensgipfel bei 1860 München ist die Zukunftsgestaltung des Fußball-Zweitligisten unklarer denn je. Die Vereinsseite und die Investorenseite haben jedoch nach wie vor miteinander zu tun, denn noch ist Hasan Ismaik, der jordanische Geschäftsmann aus Abu Dhabi, 49-prozentiger Eigner der stimmberechtigten Anteile der Profifußballabteilung (KGaA). Die ihm zustehenden Posten im Aufsichtsrat hat er soeben mit seinem Bruder Abdel Rahman und dem Anwalt Wassel Al Fakhoury nachbesetzt. e.V. und Investor bleiben Geschäftspartner - das macht die Situation so vertrackt und erschwert es allen Beteiligten, schnellstmöglich einen Schlussstrich unter die Liaison zu ziehen.

Wie geht es weiter, nachdem Ismaik den Geldhahn zudreht? Er hat den Dreijahresplan aufgekündigt und will nicht mehr für die kommenden zwei Spielzeiten jeweils rund 6,5 Millionen Euro an Darlehen zur Verfügung stellen.

Am 15. März muss 1860 bei der Deutschen Fußball-Liga (DFL) Unterlagen für das Lizenzierungsverfahren zur kommenden Saison einreichen. Mit dem Darlehen Ismaiks wäre das kein Problem gewesen. Nun muss Sechzig alleine den Nachweis erbringen, gemäß den DFL-Statuten überlebensfähig zu sein. An dieser Stelle kommt "Plan B" ins Spiel. Damit will sich der TSV unabhängig von Ismaik machen, der am Montag noch angeblich dazu bereit war, "sofort elf Millionen" zu überweisen. Der Plan fußt auf einem Zuschauerschnitt von 21 000, Platz sieben im TV-Geld-Ranking der zweiten Liga (momentan Platz fünf) und garantierten Vermarktungseinnahmen in Höhe von rund 5,5 Millionen Euro durch H.I. Squared. Diese Firma gehört Ismaik und Iraki; der Investor spielt also auch im Plan B noch eine Rolle. Der schlimmste Fall wäre, wenn sie insolvent ginge.

Ist 1860 ohne Ismaik überlebensfähig?

Auf Dauer dürfte es schwer werden, sofort aber würden die Lichter an der Grünwalder Straße 114 nicht ausgehen. Vielleicht könnte der TSV zwei Jahre durchhalten, ohne Fremdkapital. Die laufenden Kosten, etwa die Arena-Miete, bringen den Verein nach wie vor - ohne fremde Geldzufuhr - in finanzielle Schieflage. Wie lange 1860 durchhält, hängt davon ab, wie radikal man spart und etwa den Spieleretat, den größten Posten, eindampft. Dank des Rangrücktrittdarlehens von Ismaik im Sommer (6,5 Millionen) hatte man diesen erst für diese Saison um fast drei Millionen auf rund neun Millionen Euro aufgestockt. Zwei Millionen fließen in den laufenden Betrieb. Auch dieses Loch müsste 1860 füllen.

Muss 1860 den Spieleretat reduzieren?

Kann Ismaik seine schon gewährten Darlehen zurückfordern?

Da es sich um Darlehen mit Rangrücktritt handelt, kann er dies erst, wenn die KGaA Gewinn erwirtschaftet. Ismaik kann dieses Darlehen auch nicht einfach aufkündigen. Im Grunde steht es schlecht um das Geld, das Ismaik hier 1860 gegeben hat. Aber das konnte, ja musste er schon vorher wissen, hätte man ihn gut beraten. Denn ob und wie viel Gewinn 1860 jemals erzielt, steht in den Sternen.

Muss 1860 den Spieleretat reduzieren?

Ja, sollte kein Wunder geschehen. Allein deshalb, weil Sportchef Florian Hinterberger und Geschäftsführer Robert Schäfer teure Zugänge unter der Annahme geholt haben, dass Ismaik den Dreijahresplan einhält. Der enttäuschende Stürmer Ismael Blanco hat, heißt es, 800 000 Euro gekostet (Handgeld plus Gehalt). Im Plan B, den Schäfer erarbeitet, müsste der Etat wieder auf sechs Millionen Euro gesenkt werden.

Der Investor hat alle seine Zusagen für weitere Darlehen, die über diese Saison hinaus gehen, widerrufen. Darf er das überhaupt?

Ja, es handelte sich nicht um Verträge. Der Dreijahresplan war eine Art Businessplan.

Welche Möglichkeiten hätte Ismaik, 1860 loszuwerden?

Der einfachste Weg: Er findet einen Käufer für seine Anteile. 1860 hat zwar ein Vorkaufsrecht, muss zuvor gefragt werden, ob man die Anteile zurücknimmt. Doch das kann sich der TSV nicht leisten. Somit könnte Ismaik verkaufen, an wen er will - wenngleich der Käufer Voraussetzungen erfüllen muss, die fixiert wurden. So will sich der Verein davor schützen, dass die Anteile etwa in kriminelle Hände gelangen. Ob Ismaik einen Käufer findet, ist eine andere Frage. Schon mal soll er versucht haben, mit einem Interessenten handelseinig zu werden. Dabei, so wird es erzählt, soll er einen zu hohen Kaufpreis - mehr als die von ihm bezahlten 18,4 Millionen Euro - aufgerufen haben. Ob Ismaik, der zuletzt offiziell mit einem Ausstieg gedroht hat, einen neuen Interessenten findet? Klingt abwegig. Andererseits: Wer hätte vor zwei Jahren gedacht, dass ein Geschäftsmann aus Abu Dhabi mal eben die Löwen rettet?

Wäre ein neuer Präsident die Lösung?

Welche Möglichkeiten hat 1860, den Investor loszuwerden?

Wenn Ismaik weiter die Stellung hält: keine. Der Verein hat aber die Möglichkeit, wie bisher Einflussnahmen bei strategisch wichtigen Entscheidungen abzuwehren. Der e.V. ist dem Geschäftsführer weisungsbefugt. Dabei muss das Präsidium eine weitere öffentliche Schlammschlacht und eine Spaltung der Anhängerschaft in zwei Lager in Kauf nehmen. Diesen Kurs müsste 1860 so lange durchhalten, bis Ismaik sich von selbst genervt zurückzieht, seine Anteile ihrem Schicksal überlässt - oder eben einen Käufer findet.

Welche Möglichkeiten hat Ismaik, Präsident Dieter Schneider zu stürzen?

Er hat keine Machtbefugnis, um seinen Erzfeind Schneider auszuhebeln. Er könnte ihn aber etwa so lange schlecht machen (was er tut), bis der Aufsichtsrat Schneider fallen lässt oder die Vizepräsidenten sich von Schneider abwenden. Und er könnte auf die Mitglieder des TSV setzen und einen Mann seines Vertrauens als Präsident ins Spiel bringen - oder gar sich selbst. Ismaik ist seit Juli 2011 Löwen-Mitglied und erfüllt das Kriterium, mindestens ein Jahr lang zur Sechziger-Familie zu gehören. Wohl im März wird ein neues Präsidium gewählt. Die Delegiertenversammlung wird abgeschafft, dann erfolgt eine Mitgliederversammlung. Ismaik bzw. sein Kandidat müsste als Präsident aber hohe Hürden nehmen: Der Verwaltungsrat (bisher Aufsichtsrat) müsste ihn nominieren, die Mitglieder müssten ihn wählen.

Wäre ein neuer Präsident die Lösung?

Sollte ein anderer Präsident fungieren, könnte sich die Stimmung zunächst entspannen. Aber sobald dieser Präsident für die Rechte des Vereins einsteht und keinen Schuldenkurs will, prallen die beiden Welten 1860 und Ismaik wieder aufeinander.

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