Süddeutsche Zeitung

Fußball-Zweitligist 1860 München:Traumhafter Ausflug zum Tabellenführer

Zweitligist 1860 München dreht das Spiel bei Eintracht Braunschweig, das Sturmduo Friend/Lauth sorgt für den überraschenden 2:1-Auswärtssieg. Träume von Platz drei sind nach dieser Leistung ausdrücklich wieder erlaubt.

Vor dem Gastspiel bei Eintracht Braunschweig hatte der TSV 1860 München beeindruckende 21 Zähler weniger gesammelt als der Zweitliga-Tabellenführer. Wenn man nun davon ausging, was im Fußball ja üblich ist, dass die Tabelle nicht lügt, musste man sich nach dieser Partie fragen: Weshalb eigentlich? Sicherlich war ein Teil der Antwort, dass die Münchner vor der Winterpause und auch in den ersten Spielen danach nicht dieses Sturmduo hatten. Die späten Treffer von Rob Friend und Benjamin Lauth sicherten den 2:1-Erfolg, der verdient war. Die Münchner spielten gut mit und hatten die besseren Chancen aufzuweisen.

Nun davon zu reden, sie hätten mit dem Sieg den Abstand auf Braunschweig verkürzt, wäre zwar nur rein mathematisch sinnvoll; aber Träume von Platz drei sind angesichts der Leistung und der Konstellation wieder erlaubt. Der 1. FC Kaiserslautern, der momentan mit sechs Zählern mehr auf dem Relegationsplatz steht, muss an diesem Montagabend schließlich bei Hertha BSC Berlin antreten. Und die Berliner werden sich die Gelegenheit sicherlich nicht nehmen lassen wollen, nach dem Braunschweiger Ausrutscher Tabellenführer zu werden. Entsprechend war die Begeisterung bei den Löwen groß.

"Wir sind hier nochmal aufgestanden und richtig stark zurückgekommen", sagte Lauth. "Es war wichtig, dass wir nach den vielen Unentschieden auch mal gewonnen haben." Torwart Gabor Kiraly diagnostizierte einen "Sieg der Leidenschaft". Dabei war es durchaus, das war ja das Überraschende, auch ein Sieg der Qualität.

Nach der missratenen Heimpartie gegen Bochum (0:1) zog 1860-Trainer Alexander Schmidt Daniel Bierofka zurück ins zentrale Mittelfeld, ließ Moritz Stoppelkamp wieder offensiver spielen und Grzegorz Wojtkowiak als Rechtsverteidiger. Den gesperrten Flügelspieler Daniel Halfar ersetzte er durch Marin Tomasov. Das führte vor den gut 20 000 Zuschauern zu einer ausgeglichenen ersten Spielhälfte. Nur in der Anfangsphase dominierten die Braunschweiger, wie man es erwartet hatte: Mirko Bolands Schuss knallte nach zehn Minuten an die Querlatte des Tores.

Doch danach kamen die Löwen immer besser ins Spiel. Zwar leisteten sie sich immer wieder Fehler im Spielaufbau, aber die Braunschweiger vermochten diese kaum zu nutzen. Stattdessen hatten die Löwen nun Chancen: Nach einem geblockten Schuss von Dominik Stahl setzte Bierofka nach, und Tomasov lenkte dessen Schuss mit Wucht Richtung Tor; Braunschweigs Torwart Daniel Davari parierte (17.).

Und fünf Minuten später zeigte Friend nach einem Eckstoß einen sehenswerten Seitfallzieher, der allerdings etwas zu hoch angesetzt war. Auf der Gegenseite parierte 1860-Keeper Gabor Kiraly einen Versuch von Pierre Merkel, dann war schon Pause. Und die Frage nach diesen 21 Punkten Unterschied stellte sich jetzt schon.

Nach der Pause kam Friend zwei Mal zum Kopfball, seine Versuche brachten Davari aber nicht in Not. Dafür zeigte Braunschweigers Torjäger Dominick Kumbela auf der Gegenseite, wie ein Kopfball ansusetzen ist: Ken Reichel spielte nach einem Einwurf Moritz Stoppelkamp aus und flankte, der 1,73 Meter große Kumbela übersprang Kai Bülow (1,88 Meter) und ließ Kiraly keine Chance. Schmidt fand das "vorprogrammiert", dabei hatte er seine Mannschaft "noch vor Kumbela gewarnt". Sollte das die banale Erklärung der 21-Punkte-Differenz sein: Effektivität?

Damit mochte sich Schmidt nicht abfinden, er brachte neue Kräfte, nach Bobby Wood (53. für Tomasov) auch noch Ola Kamara (64. für Bierofka). "Danach haben wir mutig nach vorne gespielt", lobte Schmidt. Insgesamt waren nun vier gelernte Stürmer im Team. Das führte zu weiteren Möglichkeiten. Lauths Kopfball nach Flanke von Malik Fathi missglückte noch (61.), doch dann erzielte Winterzugang Friend sein erstes Tor für die Löwen: Stoppelkamp setzte Kamara am linken Flügel ein, nach dessen Hereingabe war Friend schneller am Ball als Deniz Dogan (77.). "Da hat er gezeigt, wie wertvoll er für die Mannschaft noch sein wird", sagte Schmidt.

Ein Remis hätte 1860 wenig geholfen, die Braunschweiger hätten damit zufrieden sein können. Doch sie ließen sich in der Schlussphase auskontern: Nach einem langen Ball von Stoppelkamp bewies Lauth seine Klasse. Aus spitzem Winkel düpierte er Davari, indem er den Ball lässig ins kurze Eck schob. Damit krönte Lauth den traumhaften Ausflug und beendete gleich zwei Braunschweiger Serien: Es war nach 20 Heimspielen die erste Niederlage der Eintracht im eigenen Stadion. Und es war das erste Mal in dieser Saison, dass der Tabellenführer nach einer Führung verlor.

Die Löwen erweisen sich unter Schmidt zunehmend als Auswärtsspezialisten: In der Fremde haben sie seit dem Trainerwechsel noch kein Ligaspiel verloren, seit der Winterpause haben sie zwei Heimniederlagen und zwei Auswärtssiege verbucht. Am Sonntag (13.30 Uhr) im Derby gegen Ingolstadt gilt es nun, auch im eigenen Bett mal schön zu träumen.

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SZ vom 25.02.2013/ebc
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