2. Bundesliga:Ein Tabellenführer namens Jahn

Fußball, 2. Bundesliga, 21.08.2021, SSV Jahn Regensburg - FC Schalke 04. Im Bild Regensburg Torjubel bejubelt Tor 4:1.

Die Regensburger freuen sich mit Sarpreet Singh, dem Torschützen zum 4:1.

(Foto: Markus Fischer/Passion2Press/imago)

Regensburg verteidigt mit einem 4:1 gegen Schalke 04 den Platz an der Spitze. Während die Oberpfälzer selbst etwas ratlos über den eigenen Erfolg sind, rätseln die Schalker über die Ursachen des missratenen Saisonstarts.

Von Linus Freymark, Regensburg

An manche Dinge muss man sich erst mal gewöhnen. Daran zum Beispiel, dass das Regensburger Stadion in diesen Zeiten schon mit 5324 Zuschauern als ausverkauft gilt, mehr dürfen in die mehr als 15 000 Menschen fassende Arena derzeit nicht hinein.

Die andere Sache, an die man sich erst mal gewöhnen muss: dass diese 5324 Zuschauer am Samstagnachmittag nach dem Abpfiff plötzlich "Spitzenreiter!" skandierten - und dass damit nicht etwa die Gäste vom FC Schalke 04 gemeint waren, die nach dem Abstieg mit maximal einer Saison im Unterhaus geplant haben. Sondern dass sich das "Spitzenreiter!" tatsächlich auf den SSV Jahn Regensburg bezog, jenen kleinen Verein aus der Oberpfalz, der in den vergangenen Spielzeiten zwar immer wieder gute Phasen hatte, in der abgelaufenen Saison jedoch bis zum Ende gegen den Abstieg kämpfen musste. Und nun: Rang eins. Mit zwölf eigenen Treffern und nur einem Gegentor. Vier Siege in vier Partien.

Eine Bilanz, die sie alle ein bisschen staunen lässt, die Fans, die Spieler, den Trainer. "Ich bin stolz, wie die Jungs das im Moment umsetzen", gab Jahn-Coach Mersad Selimbegovic zu Protokoll. Seine Regensburger hatten da soeben Schalke mit 4:1 aus dem Stadion geschossen. Eine Machtdemonstration, die die Gäste aus dem Ruhrpott in die erste veritable Krise dieser jungen Saison stürzte. Nein, gab deren Trainer Dimitrios Grammozis dann auch zu, mit dem Saisonstart könne er nicht zufrieden sein. Er weiß natürlich, dass es auf Schalke schnell mal brodeln kann. Schneller als an den allermeisten Standorten. "Solche Spiele tragen natürlich nicht dazu bei, dass es ruhiger wird", sagte er.

Selimbegovic beschwichtigt: Es gehöre auch Glück zur Serie seiner Mannschaft

In der Tat gab es aus Schalker Sicht wenig, aus dem man nach dem Gastauftritt in Regensburg Ruhe schöpfen könnte. Zu fahrig im Aufbauspiel, zu ungefährlich im Angriff, zu anfällig bei Standards. Der SSV Jahn nutzte diese Schwächen geschickt, durch entschlossenes Pressing schüchterten die Gastgeber die sowieso schon verunsicherten Schalker weiter ein und erzwangen früh das 1:0. Nach einem kurz ausgeführten Abstoß leistete sich Florian Flick einen haarsträubenden Ballverlust. Der Ball landete bei Jan-Niklas Beste, ein Schlenzer mit links, ein erstes Mal Ekstase im Jahnstadion (8. Minute). Überhaupt brachten sich die Gäste häufig mit kurzen Abstößen und verhungerten Querpässen in die Bredouille, ein Umstand, der die Frage aufwirft, ob die Elf von Grammozis überhaupt in der Lage ist, das von ihrem Trainer geforderte Kurzpassspiel im Aufbau auch auf den Rasen zu übersetzen.

Dem Jahn eröffneten die Schalker Ungenauigkeiten immer wieder Möglichkeiten. Die beste hatte im ersten Durchgang David Otto, der nach einem Konter mit einem Flachschuss aus kurzer Distanz am überragend reagierenden Ralf Fährmann (27.) scheiterte. Nach der Pause wehrten sich die Gäste zunächst stärker gegen die Regensburger Überlegenheit. In der 55. Minute brachte dann ein verunglückter Freistoß das 2:0: Die eigentlich zu flach geratene Hereingabe landete bei Steven Breitkreuz, der den Ball ins lange Eck schob. Und auch das 3:0 fiel nach einem Standard, als Otto nach einer Ecke von Beste einköpfte (72.).

Die Offensivbeteiligung ist, anders als in der vergangenen Saison, nicht mehr allein von Albers abhängig

Die Chancenverwertung verblüffte auch Selimbegovic. "Wir haben einfach einen Lauf", konstatierte er - und zu diesem Lauf gehört es offenbar, dass beim Jahn plötzlich alle aus allen Lagen treffen. Denn anders als in der vergangenen Saison, als die Offensivbeteiligung meist von Andreas Albers abhängig war, der mit 13 Toren bester Regensburger Torschütze war, treffen beim Jahn jetzt auch Beste, Otto und Sarpreet Singh, der in der 86. Minuten nach dem Ehrentreffer von Simon Terodde (81.) den 4:1-Endstand erzielte. Albers dagegen hat sich in dieser Saison noch nicht in die Torschützenliste eingetragen. Ein Umstand, der Selimbegovic angesichts der Oberpfälzer Glückseligkeit nicht sonderlich beunruhigt. "Ich mache mir da keinen Kopf", sagte er. Albers werde schon noch warmlaufen - und bis dahin treffen ja, zumindest bislang, die anderen.

Doch Selimbegovic stellte auch klar: Für selbstverständlich könne man den sportlichen Erfolg natürlich nicht nehmen. "Den Moment nehmen wir gerne mit", sagte er. "Aber dann geht es auch gleich weiter." Am kommenden Sonntag muss der Jahn in Hamburg beim FC St. Pauli ran, erst danach könne man feststellen, ob die Mannschaft überhaupt noch "im Flow" sei, so Selimbegovic. Bislang habe man viel Glück gehabt, auch deshalb stehe man nun an der Tabellenspitze.

Doch nur daran, das hat spätestens die Partie gegen Schalke gezeigt, dürfte es nicht liegen, dass der Jahn so gut in die Saison gestartet ist. Zu souverän geriet dafür der Auftritt gegen die Gelsenkirchener, die sich nach Spielende in ihrer Kurve Pfiffe abholten - eine niederschmetternde Erinnerung an die vergangene Saison, die eigentlich den Tiefpunkt in der neueren Vereinshistorie darstellen sollte. Offenbar weit gefehlt.

Die Jahn-Spieler schunkelten, hüpften und sangen derweil auf der anderen Seite des Stadions mit ihren Fans. Und auch das dürfte ein Anblick sein, an den man sich in Regensburg durchaus gerne gewöhnen würde.

Zur SZ-Startseite
JUubel Gerrit Holtmann (VfL Bochum) nach dem 1:0 21.08.2021, Fussball GER, Saison 2021 2022, 1. Bundesliga, 2. Spieltag

Bundesliga
:Holtmann tänzelt alle aus

Bochum siegt auch dank eines exquisiten Solos gegen Mainz. Der BVB wird in Freiburg entnervt und verliert 1:2. Das Wichtigste zum Spieltag.

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: