Süddeutsche Zeitung

Fußball: Zvonimir Soldo:Billig gibt es ihn nicht

Zvonimir Soldo ist höflich, verbindlich, aber unnahbar - beim stets aufgeregten 1. FC Köln schätzen sie die Geradlinigkeit des Trainers.

Philipp Selldorf

Michael Meier kennt Zvonimir Soldo länger, als ihm eigentlich lieb ist. Die erste Begegnung liegt bald anderthalb Jahrzehnte zurück, Meier führte damals die Geschäfte von Borussia Dortmund, und Soldo stand noch bei Croatia Zagreb unter Vertrag. Der Mittelfeldspieler war den Dortmundern angeboten worden, sie nahmen ihn mit auf eine kleine Reise, gegen die Testspielgegner VfL Kalbe und 1. FC Magdeburg sollte er sein Können zeigen. "Und dann hat sich die Sache etwas unglücklich entwickelt", erzählt Meier.

Beim Spiel in Magdeburg leitete der Fifa-Schiedsrichter Bernd Heynemann die Partie, das war praktisch, weil Magdeburg Heynemanns Heimatstadt ist, erwies sich für den BVB jedoch als folgenschwer. Nachdem ein Magdeburger im Zweikampf mit Soldo einen Wadenbeinbruch erlitten hatte, hielt es Heynemann für angebracht, den Dortmundern einen Tipp zu geben: "So wie der spielt, kriegt er pro Saison zwei rote Karten - Minimum", prophezeite er Meier und Trainer Ottmar Hitzfeld. "Und wir Blödmänner ließen uns davon beeinflussen", klagt Meier noch immer. Soldo ging nach Stuttgart, und jedes Mal, wenn der VfB für seinen Fang gefeiert wurde, schauten sich Meier und Hitzfeld verschämt an. Zweimal in 301 Bundesligapartien musste Soldo wegen einer zweiten gelben Karte das Feld verlassen, aber einen direkten Platzverweis hat er nie erhalten.

Auch Meiers nächste Annäherung endete nicht mit dem gewünschten Erfolg, aber sie schuf zumindest die Grundlage dafür, dass der 1. FC Köln Soldo im Sommer als Nachfolger von Christoph Daum engagierte. Nachdem der VfB im Frühjahr 2006 entschieden hatte, die zehn Jahre währende Ära des damals 38-jährigen und längst legendären Soldo zu beenden, versuchte Meier, den Kroaten für ein Abschiedsjahr als Profi zu gewinnen. Er sollte die Kölner Mannschaft, die mal wieder zum Neustart in der zweiten Liga ansetzte, in die Bundesliga zurückführen und nebenbei seinen Schein an der Kölner Trainerakademie erwerben.

Nie hektisch, nie nervös

Soldo fand den Plan gut, doch seine Gehaltsforderungen fanden die Kölner weniger gut. "Billiger gibt es mich nicht, sonst höre ich ganz auf", sagte er den Leuten vom FC. Die waren, wie Vizepräsident Jürgen Glowacz jetzt dem Kölner Stadt-Anzeiger berichtete, schwer beeindruckt von Soldos resoluter Haltung. "Diese Episode zeigt, wie er tickt. Er bleibt sich treu", meint Glowacz. Soldo wiederum war beeindruckt, dass sich Manager Meier nach Stuttgart aufmachte, um persönlich die Nachricht vom geplatzten Handel zu übermitteln, statt einfach anzurufen.

Nun ist Soldo seit drei Monaten Trainer des FC, und wenn man Meier fragt, ob der Mann die Prognose für eine große Trainerkarriere rechtfertige, dann erhält man sofort ein "Ja" zur Antwort. Das ist selbstverständlich, beruht aber auch auf den Erfahrungen der ersten schweren Prüfung. Bevor dem FC am Samstag in Stuttgart der erste Punktspielsieg gelang, gab es reichlich Nervosität in der Stadt, selbst die Vereinsoberen waren unsicher geworden. "Wenn du in so einen Strudel gerätst, dann gibt es eben gewisse Gesetzmäßigkeiten, und selbst ausgebuffte Profis stellen sich die Frage: Wie lange hältst du das aus?", sagt Meier.

Was Soldo von den Kritikern vorgeworfen wurde, seine stoische Natur, das wurde nun zum Vorzug, denn "von seiner Ruhe haben wir alle profitiert, die Mannschaft und der Verein", meint Meier, "er hat die Balance gehalten, er war nicht nervös und wurde nicht aktionistisch." So hat ihn sein Ausbilder Erich Rutemöller auch beim Trainerlehrgang erlebt: "Er wurde nie hektisch, blieb immer sachlich. Wie damals als Spieler."

Soldo, 1967 in Zagreb in einfachen Verhältnissen zur Welt gekommen und erst im biblischen Alter von 26 Jahren zum Berufsfußballer aufgestiegen (nachdem er zuvor einige Semester Jura studiert hatte), hat eine eigene Art des öffentlichen Auftritts. Er ist das Gegenteil von geschwätzig, in Köln wird man dadurch als Sonderling angesehen. Für seine Selbsteinschätzung genügt ihm stets der Satz: "Ich bin ein Arbeiter." Er ist freundlich, höflich, verbindlich, aber unnahbar. Bei den Pressekonferenzen ist es vorgekommen, dass Reporter pünktlich erschienen und die Veranstaltung bereits vorbei war: Soldo hatte drei Minuten vor der verabredeten Stunde Platz genommen, für seine Statements und Antworten braucht er nicht viel Zeit.

Daums Reisen ins Fantastische

Das ist hart für die Berichterstatter, die jahrelang von Daum verwöhnt worden sind; dessen ins Fantastische ausgreifende Vorträge dauerten bis in den Nachmittag. Und während es manchmal schien, dass Daum auf drei geselligen Veranstaltungen gleichzeitig zugegen war, ist Soldo als gesellschaftliche Figur in Köln nicht existent. Mit den Spielern soll er jedoch, sagen jedenfalls die FC-Profis, einen guten Austausch haben. Seine klare Linie wird gelobt, und man darf Meier glauben, wenn er sagt: "Er bringt natürliche Autorität mit, er ist gradlinig, und ein Stück Sturheit ist auch dabei."

Präsident Wolfgang Overath sagt dem Trainer eine "unglaubliche Führungsqualität" nach, was aber mehr oder weniger alle angeben, die beim VfB mit Soldo gespielt haben. Als Felix Magath 2001 sein Amt als Krisentrainer in Stuttgart antrat, hat er der Mannschaft als Erstes erklärt: "Balakov und Soldo spielen immer - egal was sie machen." Magath wusste, dass auf den großen Pragmatiker Verlass ist, und von diesem Pragmatismus sind nun auch Soldos Entwürfe als Trainer geprägt. Und seine Sätze in der Öffentlichkeit. Kernaussage vor dem Pokalspiel gegen Wolfsburg am Mittwoch: "Der Pokal ist der kürzeste Weg ins internationale Geschäft."

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SZ vom 23.09.2009/dop
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