Fußball-WM: Tops und Flops:Wo sind all die Panzer?

Der einzig wahre Fernsehexperte und Pauls Auswirkungen auf die Speisekarten, enttäuschende Möchtegern-Stars und eine traurig klingende Marseillaise: Das sind die Tops und Flops der WM.

Thomas Hummel, Johannesburg

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Die Tops

Calamari, frittiert

Wer am Tag des Halbfinals durch Durban fuhr, der blieb ob des regen Verkehrs häufig stehen. Und weil die Zeitungsverlage das wissen, hängen sie ihre Nachricht des Tages in großen Buchstaben an die Lichtmasten. An diesem Tag stand dort, in Durban: "Octupus picks Spain."

Wer nun nicht genau im Bilde war, was in der Welt so vorging, der musste unweigerlich auf den Gedanken kommen: Die Menschen in dem Zeitungsverlag müssen verrückt geworden sein. Doch natürlich kannte inzwischen auch in Durban jeder diesen Tintenfisch namens Paul aus dem Sea Life Center in Oberhausen, der wie von einer Zaubertentakel geleitet stets den richtigen Sieger im nächsten Fußballspiel tippt. Ja, und in Deutschland übertrug ein so genannter Nachrichtensender live, in welches Kastchen sich der Krake setzte. 

Nun, Paul weiß von all dem Bohei nichts, aber er rettet damit das Image von Sea Life und sichert das Fortkommen seiner Art. Vor dem Finale reiste ein spanischer Restaurantbetreiber aus den USA nach Johannesburg und versprach (nachdem Paul auch fürs Finale Spain gepickt hatte), niemals wieder Calamari auf seine Speisekarte zu setzen.

FC BAYERN MÜNCHEN - BOCA JUNIORS

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Sammy Kuffour

Wer ist Netzer? Wer Delling? Was will Katrin Müller-Hohenstein mit ihrem Kahn? Das südafrikanische Fernsehen hatte die wahren Experten geladen. Weil zumindest in der staatlichen Anstalt keine Interviews vor oder nach den Partien eingespielt wurden, mussten die Experten reden und reden und sich irgendwie gegenseitig interviewen. Und da gab es einige Schönheiten des Sports zu sehen.

Thomas Berthold zum Beispiel tauchte auf, aalglatt gegelt mit einer feinen Locke auf der Stirn. Jay Jay Okocha schwärmte von den Deutschen, Abédi Pelé lobte seinen Sohn. Am ergreifendsten aber fieberte Sammy Kuffour. Ja, richtig, der Sammy Kuffour, der "Wir-wollen-rot-weiße-Trikots"-Sammy saß im Studio, allerdings kaum als solcher zu erkennen. Vor einem Jahr hat der frühere Bayern-Verteidiger seine Karriere beendet und seither offensichtlich erheblich an Gewicht zugelegt. Bei den Spielen Ghanas lief also ein übergewichtiger Mann, der an Sammy Kuffour erinnerte, im Studio umher, griff sich an den Kopf, jubelte, weinte am Ende fast. Und da war klar: Es ist wirklich Sammy Kuffour.

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Marcelo Bielsa

Der argentinische Trainer Chiles gilt als Philosoph des Fußballs. Profane Sätze sind ihm fremd. Vor dem Viertelfinale sollte er die Frage beantworten, warum Südamerika bei dieser WM so stark ist wie nie. Er überlegte kurz, und alle erwarteten nun einen Satz wie: Das Südamerika dieser Tage ist geprägt von großem kulturellem Geist, von dem historischen Wissen vieler Völker oder so ähnlich.

In Wahrheit antwortete er: "Ich weiß es nicht, habe keine Ahnung. Und da ich es nicht weiß, ziehe ich es vor, dazu nichts zu sagen."

Im Nachhinein betrachtet war das eine hoch philosophische Antwort.

Uruguay v Germany: 2010 FIFA World Cup - Third Place Play-off

Quelle: getty

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Deutschland

Wo sind all die Panzer? Wo die Walzen und Kampfgeschwader?

Die deutsche Nationalmannschaft erhielt Attribute wie Leichtigkeit, Lebenslust und Spielfreude. Die Teutonen übersetzten das brasilianische jogo bonito in die WM 2010, wurden dafür bewundert, gefeiert, geliebt. Wie es sich für Schönspieler gehört, verloren sie tragisch vor dem Finale. Doch das macht nichts: An den Stränden Italiens, Frankreichs und selbst Spaniens (sind ja eh nur Engländer an spanischen Stränden) werden die deutschen Urlauber viele Schulterklopfer entgegennehmen. Dank dieser wundervollen Mannschaft.

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Afrika

Der schwarze Kontinent, was will der denn mit einer WM? Chaos, Mörderbanden und leere Stadien erwartet diese Fußballmesse.

Einige Bedenkenträger haben sich vor dieser WM dazu hinreißen lassen, den Afrikanern die Fähigkeit abzusprechen, ein schönes Turnier organisieren zu können. Nun, all jenen sei gesagt: Manches war gewöhnungsbedürftig, manches anders, manches zu laut (Vuvuzelas!), manches dauerte ein bisschen länger. Und genau das machte den Charme aus. Denn man gewöhnte sich an alles, freute sich über das andere, drückte sich zur Not Stöpsel in die Ohren und brachte einfach ein bisschen mehr Zeit mit. Dies war eine afrikanische WM und sie war wunderbar.

Performers dance during a carnival parade themed 'Mzansi's legacy' in Soweto

Quelle: rtr

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Afrikaner

Am Ende der Schlussfeier malten die Organisatoren die Worte "Danke schön!" in 20 Sprachen auf den Grund von Soccer City. Als müssten sich die Südafrikaner für irgendetwas bedanken. Das Gegenteil ist der Fall: Die Welt muss sich bei den Südafrikanern bedanken.

Die Herzlichkeit und Freundlichkeit, mit der sie ihre Gäste empfingen, war vor allem für all jenen eine riesengroße Peinlichkeit, die sich von irgendwelchen Sicherheitsmenschen einreden ließen, man könne hier nur in schusssicheren Westen auf die Straße gehen.

Stattdessen warteten auf diesen Straßen Menschen, die sich seit Jahren auf nichts mehr gefreut haben, als die Welt für ein paar Wochen Fußball in ihrem Land zu begrüßen. Die am meisten gestellte Frage in den vergangenen vier Wochen: Gefällt es Ihnen hier bei uns? Die Antwort: Ja, sehr!

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Schiedsrichter

Es ist Zeit, den Schiedsrichtern auch einmal Respekt zu zollen. Sie stehen da alleine auf dem Platz herum, zwei Fähnchenwinker am Spielfeldrand sollen sie unterstützen. Und dabei sprinten, grätschen, foulen, handballern 22 ausgefuchste Fußballprofis um sie herum, die nichts mehr im Sinne haben, als diesen einen Schiedsrichter zu betrügen. Ihm was vorzuspielen, ihn auf seine Seite zu zwingen.

Wer will einem Herrn Coulibaly aus Mali da zum Vorwurf machen, ein Tor der Amerikaner aus unerfindlichen Gründen abzuerkennen. Einem Herrn Llarionda, ein klares Tor der Engländer übersehen zu haben, einem Herrn Rosetti aus Italien eine Abseitsstellung eines Argentiniers. Herr Rosetti durfte sich seine Fehlentscheidung dann sogar auf der Leinwand in Soccer City anschauen, aber seinen falschen Pfiff nicht mehr zurücknehmen. Fifa-Regel! Die Fifa warf ihn zum Dank aus dem Turnier. Rosetti gab seinen Rücktritt bekannt. Respekt, Herr Rosetti.

Uruguay v Germany: 2010 FIFA World Cup - Third Place Play-off

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Die Flops

Joseph S. Blatter

Ein Berichterstatter zog einen zugegebenermaßen fiesen Vergleich. Als im Spiel Deutschland gegen Argentinien die Kanzlerin Angela Merkel so alleine auf der VIP-Tribüne jubelte, sei plötzlich ein Gratulant ins Bild gerückt, der an den Pinguin aus dem Batman-Film erinnere, sagte er. Der Pinguin hieß Joseph S. Blatter.

Das ist ein ziemlich gemeiner Vergleich, deshalb ist er grundweg abzulehnen. Ohnehin hat der Fifa-Chef hier in Südafrika mehr abbekommen, als er gewohnt ist. Es grenzte fast an Majestätsbeleidigung, so häufig ist Blatter und seine Fifa in den südafrikanischen Zeitungen wegen ihres scheinheiligen Finanz-Konzepts angegriffen worden. Ziemlich viele Menschen durchschauten, dass die Fifa mehr als drei Milliarden Dollar mit dem Turnier verdient und sich dagegen für vergleichsweise mickrige Sozialprojekte feiern ließ.

Cristiano Ronaldo

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Real Madrid

Wesley Sneijder? Brauchen wir nicht. Arjen Robben? Ha, den können die Bayern haben. Klaas Jan Huntelaar? Ach was.

Real Madrid hat die Niederländer vom Hof gejagt, dann prägten Sneijder und Robben eine Saison lang das Spiel ihrer neuen Vereine und nun auch die WM. Dafür investierte der königliche Klub um seinen großspurigen Präsidenten Florentino Perez mehr als 200 Millionen Euro in Cristiano Ronaldo (Achtelfinale), Kaká (Viertelfinale) oder Karim Benzema (nicht nominiert). Dass nun auch in der spanischen Mannschaft bis zu sieben Spieler des FC Barcelona auf dem Platz standen, kann den Machern in Madrid wirklich nicht gefallen haben.

WM 2010 - Höhepunkte - Frankreich Training

Quelle: dpa

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Marseillaise

"Auf, Kinder des Vaterlands, der Tag des Ruhms ist da." So sangen die Spieler Frankreichs vor jedem Spiel, das ist der Text ihrer glorreichen Nationalhymne, der Marseillaise. Sie verstanden den Aufruf allerdings etwas falsch, denn eigentlich sollte er gegen die Feinde des Vaterlands gerichtet sein.

"Zu den Waffen, Bürger. Schließt die Reihen, vorwärts, marschieren wir." So geht der Refrain. Spätestens bei diesen Zeilen hätten die Franzosen ins Nachdenken kommen sollen. Denn von geschlossenen Reihen war absolut nichts zu sehen.

"Das unreine Blut tränke unsere Äcker und Furchen." Ob die Spieler da an ihren Trainer gedacht haben? Muss wohl so gewesen sein. So wie sie sich dann aufgeführt haben, auf und neben dem Platz.

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Quelle: afp

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Jogo contra ataque

Okay, die Deutschen spielten jetzt auch nicht immer so dominant nach vorne, wie manche das behaupten. Auch sie legten viel Wert auf den schnellen Gegenstoß. Doch was die Brasilianer da anboten, dass hatte mit dem alten jogo bonito nun wirklich gar nicht mehr zu tun. Das muss als reines jogo contra ataque in die Fußballgeschichte eingehen.

Trainer Dunga stellte sieben Feldspieler in und um den eigenen Strafraum und schickte dann drei Angreifer plus die beiden Außenverteidiger in Schallgeschwindigkeit nach vorne. Bis zur Halbzeit des Viertelfinals sahen Dungas Brasilianer wie der sichere Weltmeister aus, einfach nicht zu bespielen. Doch dann reichte eine unglückliche Situation, der Ausgleich der Niederlande, um Dungas Brasilien aus der Fassung zu bringen. Außer Konterspiel hatten sie keinen Plan dabei.

Brazil v North Korea: Group G - 2010 FIFA World Cup

Quelle: Getty Images

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Winter-WM

Eigentlich müsste sich die südafrikanische Bevölkerung komplett aufmachen nach Zürich, um sich bei der Fifa für den größten Unsinn der Fußball-Geschichte beschweren. Wie kann der Weltverband nur eine WM nach Südafrika vergeben und die Spiele mitten im dortigen Winter ansetzen? Wer sich da über fehlende Stimmung beschwert, der bedenke, wie voll die deutschen Fanmeilen bei null Grad wären. Südafrika wurde durch diesen Termin ein bisschen um seine WM betrogen. Vor allem in den ersten beiden Wochen, als es rund um Johannesburg bitterkalt war, hatten viele Menschen in ihren ärmlichen Behausungen einfach andere Probleme.

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Quelle: afp

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Stars

Wer wird nun der Star dieser WM? Messi? Cristiano Ronaldo? Die Engländer waren sich sicher: Wayne Rooney! Nun, viele von den Spielern, die als sogenannte Stars die WM-Bühne betraten, verglühten im Winter von Südafrika mitsamt ihren Mannschaften, die zumeist keine Mannschaften waren. Stattdessen funkelten diejenigen, die ihr außergewöhnliches Können auf dem Fundament einer funktionierenden Einheit zeigen konnten.

Die Stars dieser WM? Vielleicht ein Robben, vielleicht ein Sneijder, ein Forlán, ein Villa, ein Iniesta oder Xavi, ein Müller, ein Özil oder Schweinsteiger. Nein. Noch nie in der Geschichte von Fußball-Weltmeisterschaften hatte der Spruch "Der Star ist die Mannschaft" mehr Gewicht.

© suedduetsche.de/jüsc
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