Süddeutsche Zeitung

Fußball-WM - Spiel um Platz drei:Kroatiens Feier für Luka Modric

Mit einem 2:1 gegen Marokko verabschiedet sich Kroatien als Drittplatzierter von der WM. Ein Kunstschuss von Orsic macht den Unterschied - und lässt Modric ausgelassen jubeln. Er wird noch weiterspielen.

Von Sebastian Fischer, al-Rayyan

Das Spiel war fast vorbei, da gelang Ivan Perisic etwas Außergewöhnliches. Er ruderte an der Seitenlinie mit den Armen, er wollte die kroatischen Fans animieren, noch einmal auf sich aufmerksam zu machen. Sie antworteten ihm mit lautem Gebrüll. Und dann klang es im Khalifa-Stadion, zumindest kurz, auch auf den Rängen nach kroatischer Überlegenheit. Ein paar Minuten später hatte sich der WM-Zweite von 2018 mit einem 2:1 gegen Marokko als Drittplatzierter in die Geschichte dieses Turniers eingetragen.

Nach dem Schlusspfiff sangen die Kroaten als Begleitung zu den Feierszenen auf dem Rasen, die Treffer von Josko Gvardiol und Mislav Orsic in der ersten Hälfte ermöglicht hatten. Trainer Zlatko Dalic küsste Luka Modric auf die Stirn, den 37-jährigen, auch bei dieser WM wieder grandiosen Mittelfeldspieler von Real Madrid. Modric feierte ausgelassen, mit seiner Familie, mit seinen Kollegen, er blieb noch lange auf dem Rasen. Ob es sein letztes Spiel für Kroatien gewesen ist? Nein, sagte er, er werde erst mal weiterspielen, in der Nations League.

Dort, wo die marokkanischen Fans saßen und standen, war es da längst ruhig. Und die Fußballer, die in den vergangenen Wochen als erste afrikanische Halbfinalisten der WM-Geschichte berühmt geworden waren, Sofyan Amrabat, Achraf Hakimi, Hakim Ziyech, sie waren recht schnell verschwunden, nachdem sie noch ein letztes Mal zum "Sudschud", ihrem rituellen Gebet, auf dem Rasen in Katar gekniet hatten.

Spiele um den dritten Platz können Stimmungsendspiele sein, man erinnere sich etwa an die WM 2006, Deutschlands 3:1 gegen Portugal, die Tore von Bastian Schweinsteiger und die Feier danach in Stuttgart, lange her. Spiele um den dritten Platz können aber auch ziemlich schnell in Vergessenheit geraten. Zur Erinnerung: 2018 gewann Belgien 2:0 gegen England.

Diesmal war das sogenannte kleine Finale eines von der stimmungsvolleren Sorte. Schließlich waren die Marokkaner die gefühlte Heimmannschaft dieser WM in Katar. Noch einmal waren also die Gesänge der marokkanischen Fans zu hören, noch einmal ihre Pfiffe, sobald der Gegner den Ball hatte, bis zum Schluss. Noch einmal riefen sie "Sir", ihre Version des isländischen "Huh", es heißt übersetzt so viel wie "Los!".

Aber die Fußballer unten auf dem Rasen konnten nicht mehr, nach drei zehrenden K.o.-Spielen mit pausenloser Defensivarbeit, nach vielen Verletzungen. In der Schlussphase waren die Mediziner beider Mannschaften auf dem Rasen, bei den Marokkanern musste Jawad El Yamiq vom Platz, der nächste von vielen Verletzten. Bei den Kroaten traf es Andrej Kramaric von der TSG Hoffenheim, er wurde unter Tränen ausgewechselt.

Orsic gelang kurz vor der Pause eines der schönsten Tore des Turniers

Es trafen am Samstag auch wegen besagter Müdigkeit nicht alle Stammspieler aufeinander. Fünfmal wechselte Kroatiens Trainer Dalic, dreimal der Marokkaner Walid Regragui. So kamen die letzten beiden im Turnier verbliebenen Deutschen zum Einsatz, Josip Stanisic und Abdelhamid Sabiri, die im Turnierverlauf meist auf der Bank gesessen hatten.

Der in München geborene Stanisic, 22, vom FC Bayern verteidigte für Kroatien hinten rechts, der in Frankfurt aufgewachsene Sabiri, 26, spielte im zentralen marokkanischen Mittelfeld. Beide waren mal deutsche Junioren-Nationalspieler. Sabiri wurde zur Pause ausgewechselt, Stanisic spielte durch.

Die Partie war zunächst voller Fehler. Marokkos Torhüter Yassine Bounou, genannt Bono, einer der besten Keeper der WM, verrutschte in der zweiten Minute gleich mal ein Pass, der Ball rollte nur knapp am eigenen Pfosten vorbei ins Aus. Fünf Minuten später war er zum ersten Mal geschlagen: Die Kroaten hatten sich eine Freistoßvariante überlegt, ein Chip von Lovro Majer, eine Kopfballhereingabe von Perisic, ein Flugkopfball von Gvardiol, das 1:0.

Zwei Minuten später glichen die Marokkaner zwar aus, ebenfalls nach einem Freistoß: Majer missglückte eine Defensivaktion per Kopf, der Ball flog in hohem Bogen durch den Strafraum, Achraf Dari traf. Doch die Kroaten blieben die bessere Mannschaft, machten etwas weniger Fehler, spielten wie der Favorit. Modric diktierte das Tempo mit seinen Pässen, er ließ sich im Spielaufbau tief nach hinten fallen. Orsic gelang kurz vor der Pause eines der schönsten Tore des Turniers, ein Schlenzer in den Winkel aus dem Lauf heraus.

Beide Teams spielten offensiver als vorher, es gab aber nur eine klare Chance auf den Ausgleich: In der Nachspielzeit flog ein Kopfball von Youssef En-Nesyri knapp übers Tor. Dafür gab es Aufregung um zwei Entscheidungen von Schiedsrichter Abdulrahman al-Jassim, einem Katarer. Er pfiff zwei Szenen nicht ab, obwohl es sich durchaus anbot: In der 74. Minute bremste Amrabat Gvardiol im marokkanischen Strafraum, im Gegenangriff rempelte Petkovic Hakimi am kroatischen Strafraum um.

Und so waren die marokkanischen Fans, die für dieses Turnier so prägend waren, dann noch ein letztes Mal laut: Sie pfiffen, als der Schiedsrichter seine Medaille in Empfang nahm.

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