Fußball-WM-Qualifikation:Wie ein guter Boxer, der 15 Kilo zu wenig auf den Rippen hat

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Im Blindflug: Hollands Kevin Strootman (links) und Frankreichs Paul Pogba (Foto: Koen Van Weel/dpa)
  • Die Niederlande scheitern in der WM-Qualifikation an Frankreich.
  • Obwohl das Team von Bondscoach Danny Blind spielerisch überzeugen kann, hadert der Trainer mit seinem Torwart und mit einer Schiedsrichter-Entscheidung.

Von Martin Schneider

Paul Pogba stand still und nickte. Der Trotz in seiner Mimik war so stark wie der Schuss, den er gerade auf das Tor der Niederländer losgelassen hatte. Es lief die 31. Minute, der Franzose bekam den Ball, wurde nicht angegriffen und dann zog er halt ab. Paul Pogba hat erstaunlich lange Beine und Arme, wenn er mit seinem Fuß ausholt, geht das schneller als bei anderen Spielern, vor allem, wenn Wut drin steckt. Der Ball flatterte dann noch ein bisschen und weil sich Torwart Martin Stekelenburg nicht dem Lehrbuch gemäß hinschmiss, rutschte ihm der haltbare Ball zum 1:0 für Frankreich und damit zum Tor des Tages durch.

105 Millionen Euro hat Manchester United für Pogba bezahlt, er hat damit den Titel "Teuerster Fußballer des Jahres" imaginär auf dem Trikot stehen und trägt auch die entsprechenden Erwartungen mit sich herum. Trotz des Tores taugte dieses WM-Qualifikationsspiel jedoch nicht, um die anhaltende Kritik zu beenden. Die hatte auch Didier Deschamps formuliert. "Er kann es besser", sagte der französische Nationaltrainer über Pogba. Der schoss zwar ein Tor, aber wieder prägten andere das Spiel der Franzosen. Die Kritik nagt offensichtlich an ihm, sonst hätte Pogba ja auch normal jubeln können.

Trotzdem: Frankreich hat Pogba und Griezman, die Niederlande haben Promes und Pröpper. Das war in diesem Duell am Ende der Unterschied, der allerdings viel größer klingt, als er in Wirklichkeit war. Wenn Frankreichs Torwart Hugo Lloris einen Drehschuss von Memphis Depay in der Nachspielzeit nicht mit einem Reflex entschärft hätte, wäre das Spiel in der Amsterdamer Arena 1:1 ausgegangen, was nicht unverdient gewesen wäre. Nun wird es für das Team von Bondscoach Danny Blind im Kampf um die Qualifikation zur WM in Russland schwer. Nur der Gruppensieger qualifiziert sich direkt.

Die Niederlande und Frankreich, das sind mittlerweile zwei große Fußballnationen mit völlig unterschiedlichen Voraussetzungen. Frankreich ist Vize-Europameister, die Niederlande hatte die Qualifikation für die EM in diesem Jahr verpasst, obwohl sich im neuen Modus fast jeder qualifizieren konnte. Nun baut Danny Blind das Team um. Robin van Persie, Rafael van der Vaart oder Klaas-Jan Huntelaar sind schon zurückgetreten oder aussortiert, Wesley Sneijder und Arjen Robben sind die letzten Krieger der alten Garde, aber mittlerweile öfter verletzt als auf dem Platz. Von Torwart Stekelenburg abgesehen, war der älteste Spieler in der Startelf der 26-jährige Kevin Strootman.

Der Sohn des Trainers ist so etwas wie der Star

Diese Spieler, sie heißen nun Quincy Promes, ein 24-Jähriger flinker Flügelstürmer von Spartak Moskau, der gegen Frankreich schon nach 16 Minuten verletzt vom Platz musste. Oder Vincent Janssen, 22 Jahre, ein Stürmer, der sehr anständig mit dem Ball umgehen kann, aber bei Tottenham Hotspur nur Ersatzstürmer ist. Oder Daley Blind, Außenverteidiger von Manchester United, damit so etwas wie der Star des Teams und außerdem Sohn des Nationaltrainers.

Die Mannschaft aus Namenlosen tat gegen Frankreich etwas, was unterlegene Teams kaum noch versuchen. Sie spielte selbst. Die große ungeschriebene Regel des modernen Fußballs lautet ja: Wer über die schwächeren Fußballer verfügt, steht hinten sicher und versucht zu kontern. Aber weil die Niederländer selbst in ihrer vielleicht größten Krise noch immer das Erbe von Johan Cruyff mit sich rumtragen, ist defensiver Fußball in Amsterdam so unmöglich wie trockene Grachten.

Der Ball lief dann auch sehr geschmeidig durch die Reihen. Die berühmte niederländische Fußballschule, die der Welt jahrzehntelang Talent um Talent lieferte, ist noch am Leben. Trotzdem spielte die Mannschaft wie ein Boxer, der mit guter Technik kämpft, dem aber zehn bis 15 Kilo auf den Rippen fehlen. Wenn die Franzosen den Ball hatten, kombinierten sie direkter und waren über die beiden Atlético-Madrid-Stürmer Antoine Griezman und Kevin Gameiro gefährlicher.

Arjen Robben hätte da natürlich geholfen. Obwohl zum Beispiel der Ex-Bundesligatrainer Aad de Mos forderte, auch den Bayern-Spieler auszusortieren, bekannte sich Bondscoach Blind zum Flügelstürmer. "Ich wäre verrückt, wenn ich das tun würde", sagte er.

Nun wartet ein lösbares Programm auf die Niederländer

Blind haderte nach dem Spiel mit seinem Torwart ("Ich denke, er kann den Ball haben"), kritisierte aber auch den seit dieser Saison in Wolfsburg spielenden Verteidiger Jeffrey Bruma, weil er Pogba nicht am Schuss gehindert hatte. "Das war schlampig. Wir wollten sie früh stören", sagte Blind. Zudem grummelten er und die niederländische Presse, dass Schiedsrichter Damir Skomina in der ersten Hälfte keinen Elfmeter gepfiffen hatte, als Laurent Koscielny mit den Händen auf den Ball fiel. Insgesamt sei er trotzdem zufrieden, sagte Blind. "Wir hätten einen Punkt verdient gehabt." Das Unentschieden gegen Schweden am ersten Spieltag ärgere ihn viel mehr.

Die kommenden drei Gegner der Niederlande sind Luxemburg, Bulgarien und wieder Luxemburg. Am 31. August 2017 fährt die Mannschaft zum Rückspiel nach Paris und im Oktober kommt dann Schweden im letzten Gruppenspiel, dazwischen warten noch Bulgarien und Weißrussland. Eigentlich ein lösbares Programm, wenn man nicht im Hinterkopf hätte, dass die Niederlande in der EM-Quali an Tschechien, der Türkei und Island scheiterten.

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