Fußball: WM-Qualifikation:Nur noch auf Plakaten

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Ohne Publikumsliebling Robert Enke tut sich der DFB schwer, das Stadion in Hannover zu füllen. Womöglich gibt es eine kleine Delle in der Beliebtheit der Nationalelf.

Jörg Marwedel

Per Mertesacker, der Hannoveraner in Bremer Diensten, hatte sein "Bestes getan". Der Innenverteidiger hatte sogar alte Bekannte angerufen, um sie zu überzeugen, dass sie doch bitte dabei sein sollen beim WM-Qualifikationsspiel der deutschen Fußball-Nationalelf am Mittwoch gegen Aserbaidschan (20.45 Uhr/ZDF) in seiner alten Heimat. Genützt hat es bisher wenig.

Zwar werden etliche Mertesacker-Jünger auf der Tribüne sitzen, aber am Dienstag waren erst 29500 Karten verkauft. Und als der Radiosender NDR 2 vormittags verkündete, er werde noch zwei Tickets ausloben, falls ein Hörer etwas über den Trainer von Kasachstan, Berti Vogts, wisse, da war klar, dass auch Vogts wenig würde ausrichten können. Der hatte zwar die Fans zum Kommen aufgefordert, doch die wissen ja kaum, dass der einstige Bundestrainer nicht in Kasachstan, sondern im fußballerisch nicht viel besser beleumundeten Aserbaidschan arbeitet.

Womöglich muss man, unabhängig vom wenig attraktiven Gegner, von einer kleinen Delle reden bezüglich der Beliebtheit der Nationalmannschaft. Und die hat womöglich mit der Politik zu tun, die den Fußballfreunden in schwierigen Zeiten noch den letzten Euro aus der Tasche ziehen will. So gingen bei den hannoverschen Zeitungen viele Beschwerden ein über die Preispolitik des Deutschen Fußball-Bundes (DFB), der auf der Westtribüne mit bis zu 80 Euro doppelt so viel verlangt wie Hannover 96 bei einem Heimspiel gegen den Rekordmeister FCBayern. Auch die Anstoßzeit ist mal wieder ins Gerede gekommen. Für viele Schüler ist 20.45Uhr zu spät und es ist mal wieder so, dass der Wunsch des Volksvertreters und DFB-Präsidenten Theo Zwanziger, der genau aus diesen Gründen gerne eher spielen lassen würde, mal wieder "am Wunsch des Vertragspartners", so DFB-Mediendirektor Harald Stenger, scheiterte. Am Fernsehen.

Der wichtigste fußballerische Grund, mit dem Hannover für einen Stadion-Besuch warb, war am Dienstag zwar noch auf etlichen Plakaten in der City zu sehen, aber nicht mehr beim Nationalteam. Der Hannoveraner Robert Enke, der zumindest "bis zum Jahresende" (Bundestrainer Joachim Löw) als Nummer eins der Torhüter ausgerufene 96-Profi, hatte sich nach durchwachten Nächten, Durchfall und Schweißausbrüchen krank gemeldet. Und aufgrund der etwas kryptischen DFB-Meldung, wonach er verschiedene Untersuchungen absolvieren musste, kursierte sogar der Verdacht auf Schweinegrippe. "Viele Dinge kann man ausschließen", sagte Löw jedoch am Dienstag, und auch Enkes Berater Jörg Neblung versicherte, es sei "nichts Ansteckendes". Löw geht einstweilen davon aus, dass der von einem Infekt geschwächte Enke bald wieder das Training aufnehmen könne. Die Ergebnisse vom Hamburger Tropeninstitut, das man mit Analysen beauftragte, lägen aber womöglich erst Anfang nächster Woche vor.

Der "maßlos enttäuschte" Enke muss also zum zweiten Mal mit ansehen, wie der Leverkusener René Adler nach seiner exzellenten Leistung am Samstag beim 2:0 gegen Südafrika Boden gut machen kann - so wie vor knapp einem Jahr, als Enke vor dem Hinspiel gegen Russland einen Kahnbeinbruch erlitt. Und natürlich hat Löw durchblicken lassen, dass er über Adlers gute Form in Länderspielen jetzt nicht mehr einfach hinweggehen kann: "Wir werden erst mal sehen, wie dieses Spiel läuft", sagte er. Noch ist die Aussage, wonach Enke beim entscheidenden WM-Qualifikationsspiel am 10. Oktober gegen Russland in Moskau im Tor stehen soll, nicht zurückgenommen - aber angesichts der unglücklichen Umständen ist sie schon merklich aufgeweicht.

Gegen Aserbaidschan hat Löw seine Entscheidungen schon getroffen, auch wenn er die Aufstellung noch teilweise offen ließ. Es sieht so aus, als würde neben dem zurückkehrenden Mertesacker der Berliner Arne Friedrich den Zuschlag als zweiter Innenverteidiger erhalten. An ihm imponierte Löw gegen Südafrika, wie er das Spiel von hinten "organisatorisch steuert und lenkt".

Zudem wird es wohl keine erneute Änderung im Spielsystem geben. Der genesene Münchner Mario Gomez soll wieder als einzige Angriffsspitze auflaufen, dahinter dürften Bastian Schweinsteiger, Mesut Özil und Piotr Trochowski auflaufen, während im hinteren Mittelfeld Kapitän Michael Ballack und Thomas Hitzelsperger das Spiel antreiben sollen.

Es sei "wichtig, dass die Mannschaft mehrere Systeme spielen kann", erläuterte Löw. Und im Grunde lasse sich das Spiel mit einer Spitze und den offensiven Mittelfeldspielern flugs in einen Dreierangriff verwandeln. Es ist genau das System, das Ballack bevorzugt, selbst gegen schwächere Gegner wie Aserbaidschan. Noch nie, bestätigte Löw, sei der Kapitän "so stark" gewesen wie derzeit. Er habe noch mal einen "Reifeprozess" durchgemacht, was auch mit seiner Tätigkeit beim FC Chelsea in England zu tun habe. Und trotz so mancher Auseinandersetzung mit seinem ältesten Profi ist Joachim Löw doch froh, wie Michael Ballack "auf dem Platz, im Training und auch sonst viel Einfluss gerade auf die jungen Spieler nimmt".

Mehr Zuschauer aber wird auch der Kapitän nicht ins Stadion zaubern. Obwohl die DFB-Medienabteilung alles für die lokalen Medien tat: Ein paar Nationalspieler haben sogar von selbst in den Redaktionen angerufen.

© SZ vom 09.09.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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