Niederlage für DFB-Frauen:Die Alarmglocken schrillen

Niederlage für DFB-Frauen: Giulia Gwinn (rechts) und die DFB-Frauen erleiden in Serbien einen unerwarteten Rückschlag.

Giulia Gwinn (rechts) und die DFB-Frauen erleiden in Serbien einen unerwarteten Rückschlag.

(Foto: Darko Vojinovic/dpa)

Im letzten Pflichtspiel vor der EM treten die DFB-Frauen erschreckend schwach auf. Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg ist fassungslos - und nimmt eine Mängelliste aus Serbien mit.

Von Anna Dreher

Schiedsrichterin Tess Olofsson hatte die Partie im Stadion des Sportzentrums des serbischen Fußballverbandes gerade beendet, da brach eines der Teams in überschwänglichen Jubel aus. Spielerinnen umarmten sich, lachten und wussten gar nicht, wohin mit ihrer Freude. Nichts Ungewöhnliches, aber es jubelten eben die anderen. Diejenigen, die erwartet hatten, sich mit derartigen Gesten in Szene zu setzen, liefen mit hängenden Schultern und ernstem Blick über den Rasen. Pure Enttäuschung gemischt mit Ratlosigkeit und Frustration herrschte angesichts dessen, was eben passiert war. Diese bittere Mixtur war in Stara Pazova nun wirklich nicht als Feierabenddrink vorgesehen.

Die deutschen Nationalspielerinnen hatten tatsächlich 2:3 (0:1) gegen Serbien verloren, statt durch den achten Sieg im achten WM-Qualifikationsspiel vorzeitig die Reise zum Turnier 2023 in Australien und Neuseeland planen zu können. Den verbleibenden Qualifikationspartien im September in der Türkei und in Bulgarien kommt mehr Bedeutung zu als gedacht. In der Gruppe H beträgt der Vorsprung auf Serbien drei Punkte, nur der Erste qualifiziert sich direkt, der Zweite muss in die Playoffs - kaum standesgemäß für den zweimaligen Welt- und achtmaligen Europameister.

Niederlage für DFB-Frauen: Nachdenkliche Bundestrainerin: Martina Voss Tecklenburg.

Nachdenkliche Bundestrainerin: Martina Voss Tecklenburg.

(Foto: Marko Metlas/Camera 4/Imago)

Vielmehr als wegen der (noch nicht akut bedrohlichen) Tabellensituation beunruhigte die Leistung von Dienstagnachmittag, weil diese Qualifikation gleichzeitig die Vorbereitung für den Höhepunkt 2022 darstellt, die Europameisterschaft in England (6. bis 31. Juli). Das hiervor letzte Pflichtspiel sollte das Selbstbewusstsein stärken, die Spielidee und Automatismen festigen. Nun reisten aus Serbien jede Menge Zweifel mit. Hatten schlicht dummerweise alle ausgerechnet gleichzeitig einen schlechten Tag? Oder war das vielmehr eine weitere Antwort, auf jene Frage, die das DFB-Team schon länger beschäftigt: Wo stehen wir?

"Das war einfach eine ganz schlechte Leistung in vielen Bereichen", sagt Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg

Unmittelbar nach der Partie zeigte sich Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg geradezu fassungslos angesichts dessen, wie sich ihre Spielerinnen hatten überrumpeln lassen. Die Serbinnen dominierten, sie traten körperlich robust auf, griffen schnell und clever an, während die Deutschen quasi permanent überfordert wirkten und kaum zur Ruhe kamen. "Ich möchte keine Ausreden suchen, das war einfach eine ganz schlechte Leistung in vielen Bereichen", sagte die 54-Jährige: "Mir haben heute auch emotionale Leader gefehlt. Da kommt ganz viel zusammen."

Sie bemängelte selbstkritisch unter anderem Zweikampfverhalten, Passivität, eine hohe Fehlerquote, mangelnde Mentalität und Passqualität: "Alle Faktoren, die wichtig gewesen wären, waren nicht da. Das hat sich erschütternder Weise über 90 Minuten fortgesetzt. Das müssen wir uns ganz alleine ankreiden." Drei Lehrgänge im Juni inklusive Testspiel bleiben Voss-Tecklenburg nach diesem Rückschlag noch, um die richtigen Schlüsse aus der jüngsten Leistung zu ziehen.

Niederlage für DFB-Frauen: Herausragend in der Offensive: Jovana Damnjanovic (links) vom FC Bayern trifft in der WM-Qualifikation gegen Deutschland zweimal, Allegra Poljak einmal. Für die DFB-Frauen erzielten Lea Schüller und in der Nachspielzeit Tabea Waßmuth die Tore.

Herausragend in der Offensive: Jovana Damnjanovic (links) vom FC Bayern trifft in der WM-Qualifikation gegen Deutschland zweimal, Allegra Poljak einmal. Für die DFB-Frauen erzielten Lea Schüller und in der Nachspielzeit Tabea Waßmuth die Tore.

(Foto: Marko Metlas/Camera 4/International/Imago)

Als ihr Team zum Auftakt in dieses wichtige Jahr im Februar das Vorbereitungsturnier Arnold Clark Cup gegen Spanien, Kanada und England als Letzter beendete, stachen Engagement und Dynamik hervor. Angesichts von 14 Absagen, darunter zentrale Spielerinnen wie Dzsenifer Marozsan und Alexandra Popp, waren fehlende Dominanz und ausbleibende Siege erklärbar. Nun aber sind fast alle dabei gewesen und wirkten beim überzeugenden 3:0 gegen Portugal am Samstag auch gut in Form. Nach dem Auftritt gegen Serbien jedoch dürften drei Monate vor der EM die Alarmglocken schrillen.

Abgesehen von einer grundsätzlichen Leistungssteigerung des hochveranlagten Kaders müssen die Deutschen ihr Können vor allem konstanter abrufen - sonst wird im Sommer die schwere Gruppenphase gegen Dänemark, Spanien und Finnland womöglich zum Problem. Dabei sollen Enttäuschungen wie bei der EM 2017 und WM 2019 - die jeweils im Viertelfinale endeten - und verpasste Olympische Spiele der Vergangenheit angehören. "Wir müssen daraus unsere Lehren ziehen und stärker zurückkommen", sagte Kapitänin Popp, die nach fast einem Jahr Verletzungspause wieder von Beginn an spielte: "Besser jetzt so eine Leistung als bei der EM. Wer weiß, wofür es am Ende gut ist."

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