Fußball-WM:Petit erinnert an das Schattenreich des Fußballs

Fußball-WM: Schmerzhafter Verdacht: Emmanuel Petit (rechts) während des Finales von 1998 gegen Brasilien.

Schmerzhafter Verdacht: Emmanuel Petit (rechts) während des Finales von 1998 gegen Brasilien.

War die WM 1998 manipuliert? Der Verdacht des Final-Torschützen Emmanuel Petit ist zu vage. Und doch schmerzt er.

Von Thomas Hummel

Emmanuel Petit scheut die Kontroverse nicht. Als Spieler wehten seine langen, blonden Haare um ihn herum und wenn es sein musste, spielte er den Ball in der letzten Minute eines WM-Viertelfinals beim Stand von 0:0 einfach ins Aus, weil sich ein italienischer Gegenspieler vermutlich verletzt hatte. Er war ein Mannschaftsspieler, rackerte im Mittelfeld für das Wohl des Großen und Ganzen. Aber er hatte immer seinen eigenen Kopf.

Diese Mischung verhalf ihm zu einer erfolgreichen Karriere. Mit dem AS Monaco war er französischer Meister, mit dem FC Arsenal englischer Meister, er holte auch beide nationalen Pokale. Mit der französischen Nationalmannschaft gewann er die EM 2000. Und die WM 1998. Da schoss er im Endspiel gegen Brasilien sogar ein Tor. Dennoch stellt er diesen, seinen größten Sieg nun selbst in Frage.

In einem Interview im Rahmen einer Online-Dokumentation mit dem Bayerischen Rundfunk und Arte als Partner sagt er: "Seit einigen Wochen frage ich mich nun: Wir, 1998 - haben wir wirklich die WM gewonnen?" Er meint: ehrlich gewonnen. "Oder hat es Absprachen gegeben?" Er begründet seinen Verdacht etwas wolkig mit all jenen Dingen, die er zuletzt im Fußball gesehen habe. So zum Beispiel das Eröffnungsspiel der WM 2014 zwischen Gastgeber Brasilien und Kroatien, in dem die Brasilianer einen sehr fragwürdigen Elfmeter erhielten und deshalb 2:1 gewannen.

"Manchmal macht mir so was Angst", sagt Petit, "ich frage mich, ob ich paranoid bin. Ob wir nicht einfach Marionetten waren, ob wir dazu da waren, die Wirtschaft anzukurbeln." Und er wiederholt: "Haben wir wirklich die WM 1998 gewonnen?"

Zidane sei ein "Freund der Paten"

Nun hat der inzwischen 45-Jährige nicht zum ersten Mal Aufsehen erregt. In seiner Autobiografie spekulierte er darüber, dass Olympique Marseille und Paris Saint-Germain den ein oder anderen Titel mit nicht ganz ehrlichen Mitteln gewonnen hätten. Er griff Zinédine Zidane scharf an und warf ihm vor, "Freund der Paten" zu sein.

Vor zwei Jahren provozierte er einen Skandal, als er seinen Gedanken öffentlich machte, wonach es den Franzosen wohl besser gehen würde, hätten die Deutschen das Land im Zweiten Weltkrieg überrannt und würden es nun führen. Er entschuldigte sich daraufhin zwar "beim jüdischen Volk und all den Menschen, die selber im Krieg kämpften". Er meinte damit, dass seiner Ansicht nach die Deutschen derzeit in allem besser seien als die Franzosen. Insgesamt habe er "nie solche arroganten, selbstgefälligen, verlogenen und überkritischen Menschen erlebt" wie seine Landsleute.

Vermutlich folgt auf seine Aussagen rund um die WM 1998 jetzt auch deshalb in Frankreich nicht der Eklat, den es in Deutschland sicherlich geben würde, falls etwa Toni Kroos in ein paar Jahren das Gleiche über die WM 2014 sagen würde. Ein paar Artikel, eine Fernsehsendung auf Canal+, das war's. Und doch erinnert Emmanuel Petit an einige Geschichten aus dem Schattenreich des Fußballs.

Farce um Ronaldo im Finale 1998

Da ist zunächst der Verdacht, dass die Verbände im Hintergrund einiges unternehmen, um den Gastgeber eines großen Turniers möglichst weit durch das Turnier zu bringen. Nachgewiesen ist zum Beispiel ein positiver Effekt auf Stimmung und auch Wirtschaftsleistung eines Landes, wenn die Fußballer bei einer Heim-WM erfolgreich sind. So roch das Turnier der Südkoreaner 2002 im eigenen Land heftig nach Manipulation, nachdem die Mannschaft sowohl im Achtelfinale gegen Italien als auch im Viertelfinale gegen Spanien durch einseitige Entscheidungen der Schiedsrichter die nächste Runde erreicht hatte. Nach dem Eröffnungsspiel in Brasilien 2014 klagte der kroatische Trainer Niko Kovač, seiner Mannschaft sei kein Respekt entgegengebracht worden und witterte eine Verschwörung.

Rund um die französische Mannschaft 1998 gibt es da vergleichsweise wenig Zweifler. Ihr Star, Zinédine Zidane, erhielt im zweiten Spiel gegen Saudi-Arabien regelkonform eine rote Karte. Doch die Mannschaft um Didier Deschamps und Laurent Blanc war stark genug, um das zu kompensieren.

Das Endspiel allerdings geriet zur Farce. Gegner Brasilien stand völlig neben sich und verlor 0:3, und heute weiß man auch, warum. Ein Parlamentsausschuss in Brasília brachte viele Details zutage. Demnach erlitt Torjäger Ronaldo sieben Stunden vor dem Anpfiff im Hotel einen krampfartigen Anfall. Er zuckte, röchelte, hatte Schaum vorm Mund. Mitspieler mussten ihn festhalten, der Teamarzt ihm die Zunge aus dem Hals ziehen. Auf Druck des damaligen Verbandschefs Ricardo Teixeira landete Ronaldo 20 Minuten vor Spielbeginn dennoch auf dem Aufstellungsbogen, es gab Tumulte in der Mannschaft. Ohne Aufwärmen begann die Seleção das WM-Finale und ging unter.

Steckte Nike dahinter?

Angeblich soll Sponsor Nike erheblichen Druck ausgeübt haben, dass Ronaldo spielen müsse. Der Stürmer war während des gesamten Turniers fit gespritzt worden, er hatte schwere Probleme mit dem Knie. Dopinggerüchte umwehten die Mannschaft. Ronaldo selbst trug vor dem Untersuchungsausschuss nichts Erhellendes bei, blockte wichtige Fragen ab. Später wurde er überraschend Chef des Organisationskomitees der WM 2014. Teixeira ist inzwischen der Korruption überführt und musste aus Brasilien fliehen.

Doch was hat das mit Emmanuel Petit zu tun? Dass der Fußball von externen Interessen gelenkt wurde und wird? Immerhin berichtet er über die Mannschaft von 1998: "Wir haben auf dem Spielfeld alles gegeben, wir kämpften gegen unsere Gegner, wir waren optimal vorbereitet."

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