Süddeutsche Zeitung

Österreich in der WM-Qualifikation:Letzte Hoffnung Frühjahr

Trotz des Scheiterns in der WM-Qualifikationsgruppe hat Österreich noch Chancen auf die WM in Katar. Der umstrittene deutsche Coach Franco Foda soll vorerst im Amt bleiben - doch es kommen so wenige Zuschauer wie nie zuvor.

Von Felix Haselsteiner

Es dauerte nach dem Abpfiff nur wenige Minuten, dann hatte Gerhard Milletich den Weg ans ORF-Mikrofon gefunden. Der neue Präsident des Österreichischen Fußballverbandes (ÖFB) hatte der Nation eine Entscheidung zu verkünden, es ging um die Zukunft des Teamchefs - und wirklich final konnten nur die wenigsten im Land auch noch kurz nach dem 4:1 gegen die Republik Moldau einschätzen, was Milletich denn nun mitteilen würde. "Das Wochenende war schon okay in Kärnten", sagte Milletich also: "Zwei Mal vier Tore, damit kann man zufrieden sein." Die Schlussfolgerung nach zwei Spielen im Klagenfurter Herbstwetter lautete daher: "Man kann davon ausgehen, dass wir im März das Playoff mit Franco Foda bestreiten werden."

Der deutsche Trainer Foda darf sich also bestätigt fühlen in seinem Job, vorerst zumindest. Das gesamte Präsidium habe er befragt, sagte der ÖFB-Chef, es herrsche die "einhellige Meinung", dass Foda der Teamchef bleiben solle, so Milletich. Damit ging eine Personaldiskussion, die den österreichischen Fußball seit geraumer Zeit beschäftigt hatte, erst mal zu Ende. Gut ist trotzdem nicht alles.

Rein tabellarisch liest sich die Bilanz der österreichischen Nationalelf in der WM-Qualifikationsgruppe F recht erschreckend: Platz vier von sechs Teams, nur die Färöer Inseln und die Moldauer konnte Fodas Team hinter sich lassen. Die überragenden Dänen jedoch, die sich mit 27 Punkten qualifizierten, dazu die kämpferisch guten, aber keineswegs unschlagbaren Schotten auf Platz zwei und Israel mit dem ehemaligen ÖFB-Sportdirektor Willi Ruttensteiner als Trainer - sie alle lagen vor Österreich, teils deutlich, weshalb die direkte WM-Qualifikation für Fodas Team schon vor dem langen Wochenende in Kärnten unmöglich war. Und die zwei abschließenden Spiele lieferten weitere Indizien dafür, dass es sich die Österreicher wieder in der Welt der kleinen Fußballnationen gemütlich gemacht haben.

Ein umkämpftes 4:2 gegen Israel nach zweimaligem Rückstand und ein 4:1 gegen Moldau, die Nummer 181 der Weltrangliste (knapp vor Macau), haben dennoch ausgereicht, damit in der Presse der Alpenrepublik von "Torspektakeln" die Rede war. "Wir sind sehr zufrieden, wir haben sehr guten Fußball gezeigt, die Art und Weise war gut - viele Tore geschossen und zweimal gewonnen", sagte auch Christopher Trimmel von Union Berlin, Torschütze gegen Moldau. Man könnte seine Aussage durchaus als radikales, Selbstvertrauen schaffendes Schönreden einordnen.

Österreichs "goldene Generation" löst keine Begeisterung mehr aus

Der Selbstanspruch der hochtalentierten Mannschaft scheint offenbar mittlerweile wieder gering zu sein, vom kurzzeitigen Kulturwandel hin zu hohen Ambitionen bei der Europameisterschaft im Sommer, als die Österreicher im Achtelfinale erst in der Verlängerung gegen Italien verloren, ist nicht mehr viel übrig. Auch ohne Spieler wie David Alaba, Sasa Kalajdzic und Christoph Baumgartner trat gegen Moldau eine Mannschaft mit zahlreichen Bundesliga-Profis an - dass die zähe Gesamtleistung nicht an der Qualität der Einzelspieler liegt, steht fest. Doch Österreichs "goldene Generation" löst keine Begeisterung mehr aus: 4300 Zuschauer kamen am Freitag, 1800 am Montag - so wenige wie noch nie zuvor. In Klagenfurt herrschte eine Atmosphäre, als hätte die Regierung angesichts der hohen Corona-Zahlen nur Geisterspiele erlaubt.

Die Bilder eines euphorisch jubelnden Franco Foda aus dem EM-Sommer sind ferne Vergangenheit, in der Herbst-Tristesse ist der Trainer aus der Pfalz in seine gewohnte Beamten-Rhetorik zurückgekehrt: "Ich freue mich darüber", sagte Foda zu seiner Bestätigung im Amt, "ich bin gerne Nationaltrainer und arbeite gerne mit den Spielern zusammen."

Hoffnung macht ihm und der Mannschaft nur die Aussicht auf das Frühjahr, in dem sich die Österreicher Ende März noch auf eine Art und Weise für die Katar qualifizieren könnten, wie sie österreichischer kaum sein könnte: Trotz des Scheiterns in der WM-Qualifikation hat man nämlich als sechstbeste Mannschaft der vergangenen Nations-League-Runde (im Herbst 2020) jetzt noch die Chance, in den WM-Playoffs das Versäumte nachzuholen. Österreich kann dort neben den zehn Quali-Zweiten und einem weiteren Nations-League-Nachrücker noch eines von drei WM-Tickets ergattern. Heißt für Foda und das ÖFB-Team: Zwei Siege Ende März - und die Flugreise von Wien-Schwechat nach Katar Ende 2022 findet statt.

Dass im Playoff nicht Moldau und die Färöer, sondern potenziell Italien und Portugal die Gegner sind, und dass Österreich im Halbfinale auswärts antreten muss, ist Foda bewusst - die Qualifikation über die Gruppe wäre wesentlich leichter gewesen. Doch ganz kurz war am Montagabend, inmitten von 1800 Klagenfurtern, dann doch wieder in einer Aussage des Trainers ein Hauch von Euro-Sommerstimmung zu spüren, eine Erinnerung: "In einem Spiel ist immer alles möglich", sagte Foda mit Blick aufs Playoff: "Das hat uns auch die EM gezeigt."

Dieser Text ist zuerst am 17. November 2021 in der SZ erschienen.

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