Süddeutsche Zeitung

Fußball-WM:Am Ende jubelt van Gaal

Lesezeit: 3 min

In einem engen Spiel setzt sich die Niederlande erst spät gegen Senegal durch. Torwart Édouard Mendy sieht bei den beiden Toren unglücklich aus - aber auch eine spezielle Idee des Bondscoachs zahlt sich aus.

Von Martin Schneider, Doha

Als alles schon nach einem leistungsgerechten 0:0 aussah, hatte Frenkie de Jong eine Idee. Der Spielmacher der Niederlande, der in der ersten Halbzeit noch die beste Chance seiner Mannschaft verdaddelt hatte, bemerkte, dass er plötzlich gar keinen Gegenspieler um sich hatte. Das war ungewöhnlich, denn die Senegalesen hatten vor allem de Jong das ganze Spiel über herzhaft bearbeitet. Doch in der 85. Minute war keiner da, de Jong schaute, sah Cody Gakpo und flankte perfekt auf dessen Kopf. Édouard Mendy, 2021 noch Welttorhüter, verpasste den Ball im Flug, er sah dabei nicht gut aus, so wie er auch beim ganz späten 2:0 nicht gut aussah: Davy Klaassen verwandelte in der 98. Minute zum Endstand, nachdem Mendy einen Schuss von Memphis Depay nach vorne abklatschen ließ.

Mendys Fehler waren ein Faktor in diesem sonst sehr engen Spiel, der andere Faktor war eine typische Louis-van-Gaal-Idee. Denn der Bondscoach stellte in das Tor seiner Mannschaft einen Mann namens Andries Noppert. Der hatte 28-jährig zuvor noch kein Länderspiel gemacht, überhaupt nur 32 Spiele in der niederländischen Eredivisie absolviert. Aber er ist 2,03 Meter groß. Und mit wirklich jedem seiner 203 Zentimeter verhinderte der Debütant den Ausgleich zum 1:1 in der 86. Minute, als er einen Schuss von Pape Gueye aus der Ecke kratzte.

Beide Teams starten ersatzgeschwächt. Dem Spiel merkt man das lange nicht an.

Zunächst ging es bei dieser Partie aber darum, wer oder was alles nicht dabei war. Nicht dabei war Sadio Mané, Afrikas Fußballer des Jahres, Senegals bester Spieler, er verletzte sich kurz vor dem Turnier. Nicht dabei war auch die "One Love"-Kapitänsbinde - die Niederlande und ihr Spielführer Virgil van Dijk wollten sie ebenfalls tragen, fielen aber wie die sechs anderen Nationen unter den kurzfristigen Bann der Fifa. Nicht dabei war zunächst auch der angeschlagene Memphis Depay, der beste Stürmer der Niederlande, weswegen in der Farbe von Marco van Basten, Robin van Persie und Ruud van Nistelrooy nun der eher weniger bekannte Vincent Janssen (Royal Antwerpen) stürmte. Der lieferte dann auch einen Aufritt, der nicht weiter zu seiner Prominenz beitrug, nach 60 Minuten kam Depay ins Spiel.

Das Spiel war auch ein Duell von zwei Trainern, die beide auf ihre Art besondere Charakterköpfe des Fußballs sind. Auf der einen Seite natürlich Louis van Gaal, der Bondscoach, anwesend in Anzug und orangener Krawatte, der vor dem Spiel nochmals sagte, dass sein Team gute Chancen habe, Weltmeister zu werden. "Es gib nicht viele Trainer, die das zu sagen wagen. Ich schon", fügte van Gaal an, um sicherzugehen, dass sein Selbstbewusstsein von den Journalisten auch wirklich zur Kenntnis genommen wird.

Auf der anderen Seite Aliou Cissé, anwesend in grauem Hoodie, grauer Schlabberhose und Kappe, seit 2015 Nationaltrainer Senegals und allerspätestens seit dem Sieg beim Afrika Cup in diesem Jahr ein Volksheld. Die Bilder, wie Cissé mit dem Pokal auf einem Bus durch die Hauptstadt Dakar fuhr, gingen um die Welt.

Ismaila Sarr, englischer Zweitligaspieler, sorgt immer wieder für gefährliche Szenen für Senegal.

Im nicht ausverkauften Al-Thumama-Stadion im Süden Dohas entwickelte sich das erste richtig ausgeglichene Spiel der WM, und weil beide Teams gern nach vorne spielen, passierte auch was. Boulaye Dia hatte direkt die erste Chance für Senegal, drei Minuten später hätte die Elftal führen können, Steven Bergwijn verpasste es knapp, den Ball einzuschieben, ebenso knapp ging Daley Blinds Kopfball nach 17 Minuten am Tor vorbei. Ismaila Sarr, englischer Zweitligaspieler, sorgte immer wieder für gefährliche Szenen für Senegal, nur van Dijks Kopf verhinderte wohl, dass Sarrs Schlenzer nach 25 Minuten im langen Eck einschlug.

Ansonsten prägten zwei De-Jong-Szenen die erste Halbzeit. Erst kam er nach einem Konter der Niederländer fast frei zum Abschluss, verdribbelte sich aber und vergab die größte Chance. Dann dribbelte er im eigenen Strafraum und wollte einen Pass durch die größte Gefahrenzone direkt vorm Tor zu van Dijk spielen - der das Risikomanöver ob seiner Wagnis aber gar nicht kommen sah und den Ball prompt verlor. Senegal nutzte die Gelegenheit nicht.

Debütant Noppert hatte zunächst wenig zu tun, was auch daran lag, dass van Gaal alle seine Abwehrtürme auf einmal aufs Feld schickte. Van Dijk, Bayerns Matthijs de Ligt und Manchester Citys Nathan Aké bildeten die Innenverteidigung, weil van Gaal die Niederländer im 5-3-2 spielen lässt, obwohl das 4-3-3 doch eigentlich in der Verfassung steht. Vielleicht fehlte Oranje auch deswegen zunächst nach vorne ein wenig die Power, in der zweiten Halbzeit sorgt vor allem van Dijk mit seinen 1,93 Metern bei Ecken für Gefahr, Senegal musste dazu noch verkraften, dass Cheikhou Kouyaté per Trage vom Feld musste.

Das Spiel war am Ende dann auch eine schlechte Nachricht für Katar. Die Gastgeber waren schon gegen Ecuador überfordert, sowohl Senegal als auch die Niederlande wirkten am Montag aber noch wettkampfhärter als die Südamerikaner.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.5700522
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.