Süddeutsche Zeitung

Fußball-WM: Nelson Mandela:Eine nationale Tragödie

Der Auftritt von Nelson Mandela hätte die Eröffnungsfeier spirituell aufladen können. Der Unfalltod seiner Urenkelin und die anschließende Absage werfen einen Schatten auf die WM. Das Schicksal nimmt keine Rücksicht auf Südafrika.

Thomas Hummel, Johannesburg

Erzbischof Desmond Tutu erinnerte die 30.000 Fans im Orlando-Stadion und die vielen Millionen an den Bildschirmen daran, wem diesen Land das alles zu verdanken hat: "Er ist in Johannesburg und wenn wir laut genug schreien, dann hört er uns", sagte Tutu und die Menge schrie so laut wie den ganzen Abend über nicht mehr. Hören sollte es Nelson Mandela, der 91-jährige Übervater dieser Nation, die so unruhige Zeiten erlebte und nun als erstes afrikanisches Land die Welt zum größten Fußballereignis begrüßt.

Es sollte der Höhepunkt der Eröffnungsfeier der Fußball-Weltmeisterschaft in Soccer City werden: Nelson Mandela wollte auftreten. Keiner wusste, wie der zunehmend gebrechliche Mann ins Stadion kommen sollte, keiner wusste, was er dort tun würde und keiner wusste, wie lange er bleiben würde. Aber das wäre auch egal gewesen. Ein Auftritt Nelson Mandelas, dem ersten schwarzen Präsidenten des Landes und Prediger von Versöhnung und Frieden, hätte die Veranstaltung spirituell aufgeladen.

Trägodie für das ganze Land

Doch nun hat Nelson Mandela abgesagt. Wegen eines Autounfalls in der Nacht zum Freitag auf der Stadtautobahn in Johannesburg. Nach dem Auftaktkonzert im Orlando Stadium überschlug sich ein Auto, in dem seine 13-jährige Urenkelin Zenani saß und dabei ums Leben kam. Der Fahrer soll betrunken gewesen sein, blieb unverletzt und wird noch am Freitag dem Haftrichter vorgeführt. Was für eine Tragödie für die Familie Mandela, aber auch für die Fußball-Weltmeisterschaft und das Land Südafrika.

Ein Familiensprecher sagte, es wäre nicht angebracht, wenn Mister Mandela nun nach Soccer City kommen würde. Trauern und feiern passt eben nicht zusammen, und das familiäre Unglück der Nacht mit dem staatsmännischen Glück des Nachmittags zu trennen, war dem alten Mann offenbar einfach nicht möglich. Seine Exfrau Winnie Madikizela-Mandela erlitt einen Schock und musste im Krankenhaus behandelt werden.

Dieser Unfall hätte überall und an jedem Tag passieren können, es war ein Schicksalsschlag, der nicht auf eine WM Rücksicht nimmt. Doch daneben häufen sich auch die Negativmeldungen von Überfällen und Diebstähle auf Touristen und Journalisten. Zuletzt erwischte es die griechischen Fußballer, denen Geld aus den Hotelzimmern geklaut wurde. In Johannesburg, ganz in der Nähe von Soccer City, überfiel ein bewaffneter Mann einen Bus mit chinesischen Touristen und erbeutete Kameras und Handys.

Diese erste Fußball-Weltmeisterschaft in Afrika wird so kritisch beäugt wie vielleicht keine WM zuvor. Sie braucht positive Nachrichten und Bilder. Da hätte ein Auftritt des fast heiligen Nelson Mandela der Veranstaltung einfach gut getan.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.957609
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
sueddeutsche.de/mikö
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.