Süddeutsche Zeitung

Fußball-WM:Kroatiens oberster Fußballfan

  • Kroatiens Präsidentin Kolinda Grabar-Kitarović wird nach dem Finaleinzug ihres Landes bei der WM zum Stammgast in den Fußballstadien Russlands.
  • Dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron gegenüber hat sie schon beim Abschied in Brüssel verkündet: "Wir werden gewinnen."
  • In ihrem Land ist allerdings der Grat zwischen freudigem Nationalstolz und dumpfem Nationalismus bisweilen schmal.

Von Peter Münch

In den Stunden der Entscheidung hat sie gesagt, was man als Politikerin sagen muss: Von "Solidarität" hat sie gesprochen, von der "Notwendigkeit zum Konsens" - dabei ging es doch, Hand aufs Herz, eigentlich nur ums Gewinnen. Doch Kolinda Grabar-Kitarović, die Staatspräsidentin Kroatiens, war dummerweise auf dem Nato-Gipfel in Brüssel gefangen, als ihre Nationalelf im fernen Moskau gegen England um den Finaleinzug bei der Weltmeisterschaft kämpfte. Sie musste also zwischendurch mal über Politik reden statt über Fußball. Bei der Nato gab es dann trotzdem kaum Konsens und wenig Solidarität. Aber ihre Mannschaft, die hat gesiegt.

Dafür, dass am Ende, wenn schon nicht für die Welt, dann doch wenigstens für Kroatien alles gut gegangen ist, hat die Präsidentin allerdings auch in Brüssel zäh gekämpft. Als Beweis für ihre Offensivkraft drängte sie der Londoner Spielführerin Theresa May vor den Fotografen ein kroatisches Nationaltrikot auf. Die Überrumpelung der Gegnerin stärkte den Ruf der 50-jährigen Präsidentin als oberster Fan im Staate.

In den WM-Stadien hatte Grabar-Kitarović zuvor schon eine ähnliche Präsenz gezeigt wie der Argentinier Diego Maradona - allerdings eine deutlich bessere Performance. Im Spiel gegen Russland zum Beispiel konnte man sie in der Ehrenloge sehen, wie sie im Trikot mit dem rot-weißen Schachbrett-Muster ein kleines Siegestänzchen vor Premier Dmitrij Medwedjew aufführte. Anschließend ließ sie es sich ebenso wie nach dem Dänemark-Spiel nicht nehmen, die verschwitzten Fußballhelden in der Kabine aufzusuchen und reihum zu umarmen.

So macht man das seit Merkel anno 2010, doch in puncto Selbstinszenierung ist die kroatische Präsidentin der deutschen Kanzlerin weit voraus. Youtube-gerecht macht sich die Politikerin, die der national-konservativen HDZ angehört, zum Teil des Teams. In einem Land, in dem Sport, Politik und Patriotismus in einer Symbiose leben, dürfte sich das bei der in anderthalb Jahren anstehenden Wahl auszahlen.

Kroatiens Fußball hat ein Problem mit rechtsradikalen Umtrieben

Überraschend und äußerst knapp gewonnen hatte Grabar-Kitarović die Stichwahl um das weitgehend zeremonielle Präsidentenamt 2015 übrigens mit dem Versprechen, "Kroatien wird wieder aufblühen". Wirtschaftlich liegt zwar trotz tendenzieller Verbesserung immer noch manches im Argen. Doch der Fußball-Erfolg hat die Kroaten tatsächlich einmal vom Alltagsfrust direkt in die Euphorie katapultiert. Wie schmal allerdings bisweilen der Grat zwischen freudigem Nationalstolz und dumpfem Nationalismus ist, zeigt sich daran, dass sich bei Teilen der Fans und der Mannschaft in den Jubel immer wieder Verherrlichungen des faschistischen Ustascha-Regimes mischen.

Der kroatische Fußball hat seit Langem schon ein Problem mit Hooligans und rechtsradikalen Umtrieben, und obendrein auch noch mit Korruption. Doch daran will in diesen Tagen des Erfolgs lieber niemand erinnert werden, schon gar nicht die Präsidentin, die nun ihre Paraderolle gefunden hat als Mutter der Fußballnation. Die Metzgerstochter aus dem Hinterland der Küstenstadt Rijeka ist damit wieder in der Mitte des Volkes angekommen, nachdem sie zuvor in ihrer Karriere doch eher in abgehobeneren Sphären unterwegs war, als Außenministerin zum Beispiel oder als Vize-Generalsekretärin der Nato. Politisch predigt sie gern die konservativen Werte von Vaterland und Familie, privat zeigt sie sich in einem noch sehr männlich geprägten Umfeld weniger traditionell. Ihr Ehemann lässt ihrer Karriere zuliebe seine Professur an der Fakultät für Seefahrt in Rijeka ruhen und kümmert sich um die beiden Kinder.

Das Finale am Sonntag wird sie natürlich im Moskauer Stadion verfolgen - gemeinsam mit Frankreichs Präsident Emmanuel Macron. Dem hat sie schon beim Abschied in Brüssel verkündet: "Wir werden gewinnen."

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SZ vom 13.07.2018/jki
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