Fußball-WM:Kroatien ist Meister der Verlängerung

WM 2018 - Kroatien - England

Und jetzt Finale: Mario Mandzukic (Mitte) jubelt mit Josip Pivaric (links) und Ivan Perisic.

(Foto: dpa)
  • Kroatien steht im WM-Finale und trifft dort am Sonntag auf Frankreich.
  • Der frühere Münchner Mario Mandzukic schießt die Mannschaft in der Verlängerung zum 2:1-Sieg über England.
  • Hier gibt es den SZ-Liveticker zum Nachlesen.

Von Martin Schneider, Moskau

Der Fußball schien schon auf dem Weg nach Hause zu sein, als Ivan Perisic und Mario Mandzukic ihn einfach wieder zurückbeorderten. "Football's coming home" hallte vor dem Spiel durch das Moskauer Stadion, das Fußballlied, das vom englischen Scheitern handelt. Vom Scheitern im Halbfinale bei der WM 1990, vom Scheitern im Halbfinale bei der EM 1996. Der Trainer der Engländer, Gareth Southgate, kommt in dem Lied vor, am Anfang hört man einen Fernsehkommentator sagen: "Gareth Southgate, the whole of England is with you" - Gareth Southgate, ganz England ist bei dir. Dann sieht man, wie Southgate gegen Deutschland verschießt und für England im Halbfinale Schluss ist.

So war es, und so ist es wieder gekommen. Mario Mandzukic zertrümmerte in der 109. Minute mit einem Linksschuss den englischen Traum vom ersten Endspiel seit 1966. Kroatien gewann bei dieser WM sein drittes Spiel nach Verlängerung, gegen Dänemark und Russland siegten sie jeweils im Elfmeterschießen - und nun folgte dieses 2:1 (0:1, 1:1) im Halbfinale.

Mandzukic schoss Kroatien, die Mannschaft mit der dritten Luft, in sein erstes Endspiel. Es ist der größte Erfolg in der Fußballgeschichte der Nation; bei der Weltmeisterschaft 1998 war das Team um Stürmer Davor Suker im Halbfinale gescheitert. Das nach Island und Uruguay mit 4,1 Millionen Einwohnern drittkleinste Land der WM trifft am Sonntag im Finale auf Frankreich. Und all das mit Trainer Zlatko Dalic, der das Team übernahm, als es in der WM-Qualifikation an Island zu scheitern drohte.

England will die Führung ausbauen - scheitert aber

Dabei startete England dieses Spiel mit Hoffnung: Kieran Trippier lief in der fünften Minute zum Freistoß an. Nur drei kleine Schritte brauchte er, dann trat er mit dem rechten Fuß gegen den Ball, und der Schuss flog mit einem sehr schönen Bogen und der Sehnsucht einer seit Jahrzehnten leidenden Fußballnation ins Netz. Trippier sprintete anschließend zur Außenlinie, seine ganze Mannschaft rannte ihm hinterher. Er schaffte es nicht mehr, richtig zu jubeln, alle stürzten sich auf ihn, den ersten englischen Torschützen in einem WM-Halbfinale seit Gary Lineker, der vor 28 Jahren in Turin getroffen hatte.

Nach dem Führungstreffer versuchte England über Harry Maguire nachzulegen. Zweimal kam der 1,93-Meter-Mann an eine Flanke, zweimal scheiterte er jedoch. Kroatien wusste, was kommen würde: Die Mannschaft, die schon zwei Verlängerungen in den Beinen hatte, musste anrennen gegen eine englische Fünferkette, massiv wie der Hadrianwall. Es sah mühsam aus. In der 21. Minute musste sich mal John Stones ein bisschen spektakulärer in einen Schuss von Ante Rebic werfen. Aber sonst ging bei Kroatien nicht viel. Dejan Lovren versuchte zwischendurch, das Spiel mit Härte zu drehen und checkte Harry Kane in Rugby-Art weg, aber das brachte auch nichts außer einem Freistoß für England.

Dann hatte England eine von zwei Chancen, in der ersten Halbzeit das zweite Tor zu machen. Jesse Lingard steckte perfekt für Harry Kane durch, der stand nicht im Abseits - oder doch? Die Fahne des Assistenten blieb zunächst unten, Kane scheiterte an Subasic und schoss aus kurzer Distanz an den Pfosten. Plötzlich war die Fahne doch oben, aber das Tor hätte gezählt. In der 36. Minute spielte England dann einen Konter schön aus, Dele Alli legte auf Lingard ab, der in perfekter Schussposition das Tor nicht traf. Kroatien agierte zunehmen verzweifelter, Ivan Rakitic feuerte den Ball fast aus dem Stadion, Ante Rebic hätte sich für ein Revanchefoul an Ashley Young die gelbe Karte abholen müssen.

England wankte mehr, als dass es spielte

Beide Teams kamen ohne Wechsel aus der Pause, nur Schiedsrichter Cuneyt Cakir entschied sich nun, auch seine Karten zu benutzen. Erst bekam Mario Mandzukic Gelb, weil er einen Ball wütend wegfeuerte, dann Kyle Walker, weil er die schnelle Ausführung eines Einwurfs verhinderte. Zwischenzeitlich hätte England wieder das 2:0 erzielen können, aber Harry Kane sprang ein bisschen zu spät in einen Flugkopfball nach einer Flanke von Trippier.

Kroatien begriff nun, dass das normale Tempo nicht ausreichte und legte zu. Erst schoss Perisic Kyle Walker mit einem mächtigen Schuss dahin, wo es besonders weh tut, so dass dieser erst zusammenklappte, sich für einen Rettungskopfball aufraffte, um dann wieder zusammenzuklappen. Die Kroaten merkten aber: Wir sind häufiger vor deren Tor als die vor unserem, und nur drei Minuten später fiel dann das 1:1. Perisic antizipierte eine Flanke von Sime Vrsaljko schneller als die englische Abwehr, übersprang mit einem Karate-Kick Walker und traf mit dem Fuß über dem Kopf des Verteidigers. Kurz nach seinem Treffer setzte er einen Schuss gegen den Pfosten. Es hätte die Entscheidung sein können.

Und so ging es weiter: Nach einer Rückpasskette schrammte Pickfords Schuss soeben an Mandzukic' Bein vorbei, Sekunden später wackelte der englische Torwart im direkten Duell gegen Perisic. England wankte mehr, als dass es spielte - wäre das eine Tennis-Partie gewesen, dann hätte Kroatien Matchbälle gehabt und vergeben.

Kroatien ging in seine dritte Verlängerung in diesem Turnier und hatte zu diesem Zeitpunkt noch nicht gewechselt. Vielleicht war die Mannschaft auch deswegen frischer. Bei England hatte John Stones das Tor des Tages auf der Stirn hatte. Aber Vrsaljko köpfte den Kopfball von der Linie. Es wäre wahrscheinlich das goldene Tor für England gewesen. Doch so traf wenige Minuten später Mario Mandzukic.

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