Fußball-WM 2022:Kritik an Katar - warum erst jetzt?

Fußball-WM in Katar - Fans im Stadion

In fünf Jahren findet die Fußball-WM in Katar statt.

(Foto: Andreas Gebert/dpa)

Natürlich ist Katar kein geeigneter Austragungsort für die Fußball-WM 2022. Doch manche Forderung aus Deutschland kommt reichlich spät.

Kommentar von Johannes Aumüller

Sepp Blatters Finger war um einen Sekundenbruchteil schneller als sein Mundwerk. Mit dem obligatorischen Spannungsgetue stand der Patron des Fußball-Weltverbandes am Pult, er zählte noch einmal alle Kandidaten auf und nestelte umständlich am Briefumschlag. Und dann war an jenem 2. Dezember 2010 auch offiziell klar: Die WM 2022, sie geht nach Katar.

Sechseinhalb Jahre sind seit jenem Tag vergangen, und intensiver denn je diskutiert die deutsche Öffentlichkeit über das Turnier. Aus der Politik gibt es kritische Stimmen von Unions-Fraktionschef Volker Kauder bis zur Grünen-Frontfrau Claudia Roth. Und Reinhard Grindel, Boss des Deutschen Fußball-Bundes (DFB), rief zwar nicht zu Boykott oder Verlegung auf, ermöglichte aber durch seine Worte die Interpretation, dass er solche Schritte als nicht grundsätzlich ausgeschlossen betrachtet.

Es ist eine schwierige Gemengelage. Denn im Kern kann es keinen Zweifel an der These geben, dass Katar kein geeigneter Austragungsort ist. Es ist ein Unding, dass das Emirat das Turnier überhaupt erhielt; und ebenso, dass die Fifa es ihm nicht schon längst entzog.

Die Fifa interessierte das alles nie groß

Rund um jene von Korruptionsvorwürfen umrankte Abstimmung im Dezember 2010 interessierten den Fifa-Vorstand die Menschenrechte im Emirat ebenso wenig wie die schlechte technische Bewertung des Kandidaten. Die vergangenen Jahre wiederum offenbarten zur Genüge, dass es auch kaum Folgen hat, wenn die Weltöffentlichkeit intensiver auf ein Regime wie das katarische blickt.

Hunderte Todesfälle gab es auf den WM-Baustellen, die Bedingungen für die Arbeiter sind unmenschlich. Es hat sich nahezu nichts verbessert, und wenn sich formal etwas gebessert hat, fehlt es an der Umsetzung - solch ein Resümee zieht Amnesty International. Auch die Tatsache, dass Terror-Organisationen aus Katar finanzielle Unterstützung erhalten, wäre ein Grund, einem Land ein Turnier zu entziehen. Aber die Fifa interessierte das alles nie groß.

Jedoch ist schon die Frage: Warum kommt manche Kritik und Forderung erst und ausgerechnet jetzt, wenn Saudi-Arabien und seine Verbündete Katar isolieren? Bezüglich Menschenrechte oder Terrorunterstützung hat sich nichts geändert - allerdings am diplomatischen Rahmen. Ein aktueller Entscheid für Boykott oder Verlegung würde zwangsläufig eine Positionierung im so bitteren wie komplizierten Machtkampf des Mittleren Ostens zugunsten Saudi-Arabiens bedeuten. Und das ist weder wünschenswert noch strategisch ratsam.

Das heißt aber nicht, dass es nun keine Ausrichter-Debatte geben soll, im Gegenteil. In einem Jahr steht das zweite Turnier an, das die Fifa im Dezember 2010 vergab: die WM in Russland - und da böten sich allen (Sport-)Politikern genügend Argumente, um konkrete Konsequenzen zu fordern. Die beginnen beim völkerrechtswidrigen Verhalten Russlands auf der Krim und enden beim Einsatz nordkoreanischer Zwangsarbeiter zum Stadionbau noch lange nicht.

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