Der Biersponsor der Fifa darf in den katarischen WM-Stadien zwar kein Bier verkaufen, jedenfalls keines mit Alkohol, aber er darf nach jedem Spiel ein überdimensionales Bierglas verschenken, immer an den "Man of the Match". Das war am Samstagabend der erste Pokal, den Kylian Mbappé, 23, bei diesem Turnier gewonnen hat. Als der französische Stürmer so lächelnd wie wortlos durch die Katakomben des Stadions 974 von Doha schritt, einen Aufpasser immer einen halben Schritt hinter sich, schien ihm dieses rot eingefärbte Etwas, das er da mitschleppte, nicht viel zu bedeuten. Bestimmt aber die Zahlen, die sich dahinter verbargen.
Mbappé hatte bei Frankreichs 2:1 (0:0) gegen Dänemark beide Tore erzielt. Er ist jetzt der zweite Spieler der Geschichte, der bei Weltmeisterschaften noch vor seinem 24. Geburtstag sieben Mal getroffen hat - nach Pelé 1962. Was natürlich nur möglich war, weil Mbappé, damals noch 19, auch zum Titelgewinn 2018 in Russland mit vier Toren beigetragen hatte. Im Finale gegen Kroatien (4:2) war er damals der zweite Teenager, der in einem WM-Endspiel traf - nach Pelé 1958.
Ob das nun so weitergeht mit den Analogien zum großen Brasilianer? Eine Gelegenheit bietet sich jedenfalls noch: Sollten die Franzosen in Katar Weltmeister werden, wäre es die erste Titelverteidigung seit 1962. Damals gelang das Brasilien - mit Pelé.
Ist dieser Kylian Mbappé, geboren in Bondy in der Banlieue von Paris, nun also der beste Spieler der Welt, und wo muss man ihn einsortieren unter den Größten der Geschichte? Den dänischen Trainer Kasper Hjulmand kann man das fragen, bekommt aber keine Antwort: "Ich mache keine Spieler-Ranglisten. Wer ist Erster, Zweiter, Dritter - ich ranke Spieler nicht. Er ist ein außergewöhnlicher Spieler."
Das Spiel gegen die Dänen hätte in der zweiten Halbzeit auch kippen können
Und auch Didier Deschamps geht nach dem Abpfiff lieber ins Detail, als jetzt schon vorläufige Karrierebilanzen zu ziehen. Mbappé habe die Fähigkeit, "entscheidend zu sein, den Unterschied auszumachen, auch wenn die Gegner Vorbereitungen treffen und ihn ein bisschen malträtieren". Es gebe verschiedene Arten von "Leadership", sagte der Trainer der Bleus. Mbappé sei sicher keiner, der ständig das Wort ergreife: "Er ist eine Lokomotive durch seine Taten."
Das Spiel gegen die Dänen hätte in der zweiten Halbzeit, nach dem Ausgleich von Andreas Christensen (68. Minute), auch kippen können: Hugo Lloris musste gegen Jesper Lindström parieren, Martin Braithwaite traf den Pfosten des französischen Tores. Es sind diese kritischen Situationen, die eine Mannschaft überstehen muss, wenn sie ihre hochgesteckten Ziele erreichen will. Das stellte im Stadion 974 schließlich Mbappé sicher (86.). Allerdings zeigte sich beim Siegtreffer auch, "dass er von hervorragenden Mitspielern umgeben ist", wie Deschamps hervorhob. In diesem Fall lieferte Antoine Griezmann mit einer Flanke an den langen Pfosten die präzise Vorarbeit.
Der Ausfall von Karim Benzema befreit die verbliebenen Angreifer womöglich
Die Lokomotive nimmt Fahrt auf, Frankreich hat als erste Mannschaft bei dieser WM das Achtelfinale erreicht. Von wegen Weltmeister-Fluch also (die drei vergangenen Weltmeister - Italien, Spanien und Deutschland - waren beim folgenden Turnier jeweils in der Vorrunde gescheitert). Der Ausfall von Karim Benzema wird von Mbappé, Olivier Giroud, Ousmane Dembélé und Griezmann mindestens gleichwertig kompensiert, womöglich befreit er die verbliebenen Angreifer sogar. Für die Franzosen sind das gute Nachrichten - und nicht nur für sie.
Denn Kylian Mbappé ist auch das wichtigste Werbegesicht dieser WM in Katar. Er gehört gewissermaßen Katar, jedenfalls für die nächsten zweieinhalb Jahre. Im Frühsommer hat er seinen Vertrag bei Paris Saint-Germain verlängert. Für diverse Fantastillionen hat er bei jenem Klub, der Katar gehört, einen weiteren Drei-Jahres-Vertrag unterschrieben.
Katars Nationalmannschaft, der offizielle Vertreter des Gastgebers, mag am Samstag vorzeitig ausgeschieden sein. Die Franzosen hingegen stehen im Achtelfinale - und Katars inoffizieller Vorzeigespieler könnte der Star des Turniers werden. Die französische Sportzeitung L'Équipe titelte am Sonntag: "Le Qualif' Mbappé". Eine Spielerei mit dem Wort qualifiziert, die gesprochen so klingt: Der Kalif Mbappé.