Süddeutsche Zeitung

Fußball-WM in Katar:Eine Million Euro für Nepal

Die deutsche Nationalmannschaft unterstützt ein SOS-Kinderdorf, DFB-Chef Bernd Neuendorf geht auf Distanz zu Fifa-Präsident Gianni Infantino.

Von Claudio Catuogno, Doha

Am Donnerstag ist die deutsche Nationalmannschaft aus Oman nach Katar weitergeflogen und hat im Zulal Wellness Ressort ganz im Norden des Landes ihr WM-Quartier bezogen. Am Freitag trat Bernd Neuendorf, der Präsident des Deutschen Fußball-Bundes (DFB), dort erstmals vor die Presse - und hatte gleich mehrere Botschaften mitgebracht. Unter anderem zu der Frage, ob es angesichts der schwierigen Menschenrechtslage im Ausrichterland sowie der im Vorfeld des Turniers gestorbenen Arbeitsmigranten ein weiteres Zeichen des Verbandes oder der Nationalelf geben wird.

Die Antwort: Das wird es geben, aber nicht in Katar selbst. Sondern in Nepal, wo jedes Jahr besonders viele Männer ihre Heimat verlassen, um sich in den Emiraten am Golf als billige Arbeitskräfte zu verdingen.

Man wolle ein "nachhaltiges Zeichen" setzen, sagte Neuendorf, und dort mit Geld ein Projekt unterstützen, "wo viele Arbeitsmigranten herkommen". Die Nationalmannschaft habe daher entschieden, in Nepal ein SOS-Kinderdorf mit einer Million Euro zu unterstützen, die in den kommenden fünf Jahren nach und nach fließen sollen. Die Kinder dort sollten nicht zuletzt Bildungsangebote bekommen. Ziel müsse sein, "dass die nächste Generation nicht wieder gezwungen ist, ihr Land zu verlassen", um durch Arbeit in der Ferne daheim ihre Familien zu ernähren. Das zur Verfügung gestellte Geld komme von der Stiftung Nationalmannschaft und damit "direkt von den Spielern". Es handele sich auch um "zusätzliches Geld", das die Spieler für diesen Zweck zur Verfügung gestellt hätten.

Neuendorf ist verwundert, dass sich die Fifa "zum Thema Dänemark positioniert hat, nicht aber zum Thema Iran"

Ist dieses Engagement im fernen Nepal auch dem Umstand geschuldet, dass ein direktes Engagement in Katar sicher für deutlich mehr Verärgerung beim Veranstalter geführt hätte? Diesen Eindruck wies Neuendorf zurück. Man habe dort helfen wollen, "wo der Armutsdruck hoch ist", sagte er. "Man darf das nicht so interpretieren, dass wir Sorge gehabt hätten, hier Schwierigkeiten zu bekommen." Neuendorf verwies auch darauf, dass sich die Nationalmannschaft bereits deutlich positioniert habe, und schloss explizit nicht aus, "dass es im Laufe des Turniers noch die ein oder andere Aktion gibt". Das werde man miteinander besprechen.

Sicher sei, dass Kapitän Manuel Neuer, wie auch die Kapitäne mehrerer anderer Nationalteams, bei den WM-Spielen die bunte "One-Love"-Binde tragen werde, selbst wenn die Fifa das untersagen sollte. Er sei bereit, dafür "auch eine Geldstrafe in Kauf zu nehmen". Vertreter der LGTBQ-Community hatten die Binde kritisiert, weil sie die bekanntere Regenbogen-Binde für ein entschiedeneres Statement gehalten hätten. Neuendorf verteidigte die Entscheidung, die "One-Love"-Binde stehe dafür, dass "Menschen Rechte haben, überall auf der Welt". Angesichts der brutalen Niederschlagung des Aufstands in Iran sei sie auch ein Zeichen für "Solidarität mit den iranischen Frauen".

Ob die Fifa Irans Nationalelf von der WM hätte ausschließen sollen, wollte Neuendorf nicht konkret beantworten. Er gab sich aber verwundert, dass sich die Fifa "zum Thema Dänemark positioniert hat, nicht aber zum Thema Iran". Der dänischen Elf hatte der Weltverband untersagt, auf ihre Trainingsleibchen den Schriftzug "Menschenrechte für alle" zu drucken.

Überhaupt ging Neuendorf deutlich auf Distanz zum umstrittenen Fifa-Präsidenten Gianni Infantino. Zuletzt hatte das DFB-Präsidium beschlossen, den Schweizer nicht für eine Wiederwahl im kommenden Jahr zu empfehlen, im Einklang mit anderen europäischen Verbänden und dem Dachverband Uefa. Da für Infantino aber die Unterstützung der anderen Erdteilverbände hinterlegt ist, gilt seine Wiederwahl als weitgehend sicher. Dennoch wolle der DFB auch hier ein Zeichen setzen, sagte Neuendorf. Unter anderem habe ihn zuletzt die von Infantino per Brief an die Nationalverbände verschickte Aufforderung, jetzt nur noch über Fußball und nicht mehr über Menschenrechte zu sprechen, "irritiert und auch verstört".

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