Fußball-WM in Brasilien:Bundesliga trifft, Kamerun streitet

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Erstes WM-Spiel, erste Treffer: Bayern-Angreifer Mario Mandzukic trifft doppelt gegen Kamerun.

(Foto: Emmanuel Dunand/AFP)

Olic, Perisic und Mandzukic ballern Kroatien Richtung Achtelfinale. Volker Finkes Kameruner scheiden nach einer desolaten Leistung bereits in der Vorrunde aus - zwei Spieler werden sogar handgreiflich. Da kann nicht einmal der Herrgott mehr helfen.

Von Benjamin Romberg

Der liebe Herrgott ist dieser Tage nicht zu beneiden. Als ob er nicht schon genug um die Ohren hätte, wird ihm von der kickenden Zunft während der WM noch zusätzliche Arbeit aufgehalst. "Gott wird entscheiden, ob ich am Spieltag fit bin", sagte der am Knie verletzte Samuel Eto'o vor der Partie gegen Kroatien und deutete damit an, dass die Nationalmannschaft von Kamerun die Leitung ihrer medizinischen Abteilung während des Turniers in Brasilien ausgelagert hat.

Die Kroaten beließen die Verantwortung für die Gesundheit ihrer Spieler in weltlicher Hand - hätten aber vermutlich einen anderen Wunsch an den Allmächtigen: Möge er doch bitte endlich für Ruhe sorgen im kroatischen Lager. Das Hick-Hack um den wechselwilligen Bayern-Stürmer Mario Mandzukic, wichtigste Offensivkraft im Team von Niko Kovac, beschäftigt die Kroaten bereits seit der Vorbereitung.

Und nun bekamen sie es auch noch mit lästigen Paparazzi zu tun. Zwei Fotografen war es vor wenigen Tagen gelungen, die beiden Verteidiger Vedran Corluka und Dejan Lovren am Hotelpool in Brasilien abzulichten. Ohne Textilien, so wie Gott sie schuf. Der Ärger im kroatischen Lager war groß, als die Bilder in der heimischen Presse auftauchten - das Team um Trainer Niko Kovac entschied sich für einen Medienboykott.

Ob der Herrgott seine Finger letztlich im Spiel hatte, ist unklar, jedenfalls musste Samuel Eto'o passen. Die Kroaten auf der anderen Seite dürfen nach einem souveränen 4:0-Erfolg auf etwas mehr Ruhe hoffen. Die drei Bundesligaprofis Ivica Olic (11.), Ivan Perisic (48.) und Mario Mandzukic (61., 73.) erzielten die Treffer. Kroatien hat damit vor dem letzten Spiel gegen Mexiko noch die Chance auf das Achtelfinale, Kamerun ist raus.

Kroatiens Trainer Kovac hatte sein Team im Vergleich zur unglücklichen Auftaktniederlage gegen Brasilien gleich auf mehreren Positionen verändert. Mandzukic kehrte nach abgesessener Rotsperre aus der WM-Qualifikation in die Spitze zurück. Dafür musste Nikica Jelavic weichen. Jorge Sammir wirbelte für Mateo Kovavcic im offensiven Mittelfeld, der ehemalige Bayern-Verteidiger Daniel Pranjic rückte auf die rechte Abwehrseite. Kameruns Coach Volker Finke setzte auf Vincent Aboubakar als Ersatz für Eto'o in der Offensive. Der Schalker Joel Matip rückte ins defensive Mittelfeld.

Knapp 30 Grad, die Luftfeuchtigkeit jenseits der Marke von 80 Prozent: Schon eine Partie Backgammon wäre in der Arena da Amazônia in Manaus eine schweißtreibende Angelegenheit gewesen. Dafür begannen beide Mannschaften mit überraschend hohem Tempo. Die erste richtige Chance des Spiels nutzte Olic gleich zur Führung für die Kroaten (11.). Sein Vereinskollege Perisic vom VfL Wolfsburg spielte die Kugel von der rechten Seite quer durch den Strafraum, Olic brauchte am langen Eck nur noch einzuschieben.

Kameruner Spieler gehen aufeinander los

In der Folge dürften viele Zuschauer vor dem Fernseher das Backgammon-Brett ausgepackt haben. Diese Möglichkeit hatten die Stadionbesucher in Manaus nicht, sie klebten auf ihren Sitzen und atmeten die heiße, feuchte Luft, die Tempo und Kreativität der beiden Teams zu ersticken schien. Abgesehen von zwei harmlosen Distanzschüssen von Ivan Rakitic (17.) und Sammir (39.) zeigten die Kroaten bis zur Pause nichts mehr. Kamerun gelang nicht einmal das.

Was allerdings kurz vor der Halbzeit geschah, lässt sich nicht auf die klimatischen Gegebenheiten schieben: Alexander Song boxte Mandzukic auf Höhe der Mittellinie von hinten in den Rücken. Der sank danieder, als wäre Songs Faust ein Dolch, Kameruns Mittelfeldspieler musste vom Platz (40.). Die Aktion bescherte seinen Kollegen zwar eine Trinkpause; die hätten aber vermutlich lieber noch fünf Minuten bis zur Halbzeit gewartet und die zweite Hälfte vollzählig angetreten. Volker Finke - das weiße Hemd bereits durchsichtig, die Haare klitschnass - schlug die Hände vorm Gesicht zusammen.

Kameruns Torwart Charles-Hubert Itandje hatte in der Halbzeit womöglich nicht genug getrunken. Kurz nach der Pause fehlte ihm bei einem Abstoß die Kraft, der Ball landete bei Perisic, der von der Mittellinie in den Strafraum sprintete und auch gleich noch selbst vollendete, 2:0. Nur zwei Minuten später hätte Mandzukic noch erhöhen können, doch er zielte knapp rechts vorbei (50.).

Mandzukic will weg aus München, jeder Treffer hilft ihm bei der Jobsuche. Der 28-Jährige kann daher nur hoffen, dass die Vereinsbosse in Europa in der zweiten Halbzeit nicht Backgammon gespielt haben. Denn nach seiner vergebenen Chance demonstrierte Mandzukic zunächst seine Kopfballstärke, als er einen Eckball von Pranjic freistehend über die Linie drückte. Wenig später ließ Itandje einen Schuss des eingewechselten Eduardo abprallen, Mandzukic stand bereit - 4:0.

Benjamin Moukandjo und Pierre Webo hatten in den Schlussminuten jeweils noch die Möglichkeit, wenigstens das erste Tor bei dieser WM für Kamerun zu erzielen, doch beide scheiterten.

Der ganze Frust und Twist innerhalb der Mannschaft entlud sich in einer Szene kurz vor dem Abpfff, als Moukandjo noch Opfer einer Kopfstoßattacke seines Teamkollegen Assou-Ekotto wurde. "Das ist eine Schande", sagt Finke, "ich hasse so etwas zu sehen."

Der frühere Bundesligatrainer will nun die Gründe hierfür herausfinden und kündigte bereits Konsequenzen an. Assou-Ekotto erlebte den Schlusspfiff nur auf dem Rasen, weil Schiedsrichter Pedro Proenca die offen ausgetragenen Streitereien nicht gesehen hatte. Volker Finke, sofern er Trainer in Kamerun bleibt, dürfte seinen Wunsch an den Herrgott für die Zukunft bereits formuliert haben: mehr Disziplin in seinem Team.

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