Fußball-WM in Brasilien:Billardtor rettet Capellos Russen

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Kerschakow bejubelt den Ausgleich für Russland. (Foto: Adam Pretty/Getty Images)

Ein schlimmer Patzer von Torwart Akinfejew hätte Russland zum Auftakt fast eine Niederlage eingebracht. Kerschakow rettet dem Team von Fabio Capello gegen Südkorea immerhin ein Remis. Wie so oft bei dieser WM müssen ein paar unverschwitzte Einwechselspieler für Unterhaltung sorgen.

Von Boris Herrmann, Cuiabá

Die Möglichkeit, für einen Stadioneintritt zwei Spiele zu sehen, wurde recht gut angenommen von der Bevölkerung Cuiabás. Erst Brasilien gegen Mexiko auf der Leinwand, dann Russland gegen Südkorea auf dem durstigen Rasen. Wobei man sich bisweilen fragte, was eigentlich das Hauptereignis und was das Rahmenprogramm war. Als Brasilien seine letzten Torchancen verdaddelte, wurde es in der Arena Pantanal so laut wie selten an diesem Abend.

Den Klang Wodka-seliger Russen darf man allerdings nicht unterschätzen, wenn sie ihre wunderbare Old-School-Hymne singen. Und auch eine größere Reisegruppe von Südkoreanern kann sich bekanntlich bemerkbar machen.

Es mangelte allerdings an geeigneten Anlässen. Und zwar auf beiden Seiten. Bevor es auf den Heimweg ging, durfte jeder immerhin einmal gejubelt haben. 1:1 (0:0) hieß es am Ende. Fakt ist: Den kommenden Weltmeister haben die Zuschauer an diesem Abend nicht gesehen (zumindest nicht auf dem Sportplatz).

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Wobei man angesichts des Spielortes durchaus auf mildernde Umstände plädieren darf. Cuiabá ist eine Stadt, die sich unter anderem damit rühmt, der heißeste Ort Brasiliens zu sein. Und die neuerdings ein Stadion mit offenen Ecken besitzt, in denen ein paar schmuckvolle Pflanzenkübel stehen, die leider auch schon lange keiner mehr gegossen hat. Die Engländer hätten hier wahrscheinlich wieder einen mittelschweren Aufstand gemacht und zur Sicherheit Malaria-Pillen geschluckt. Die Koreaner und Russen nahmen die Herausforderung klaglos an.

Ein schönes Spiel war es deshalb noch lange nicht. Lange Zeit sah es eher aus wie Iran gegen Nigeria, die bislang konkurrenzlos ödeste Partie des Turniers. Als der brasilianische Teil des Publikums kurz vor der Pause die Welle machte, stellte sich die Frage, ob das Ironie war. Oder vielleicht doch verspätete Freude über den Punktgewinn der Seleção gegen Mexiko?

Die beiden Teams, die sich da vor ihren Augen abmühten, boten jedenfalls kaum Anlass zum Überschwang. Südkoreas Kapitän Ja-Cheol Koo von Mainz 05 und Leverkusens Heung-Min Son ließen die russischen Verteidiger am Anfang zwar ein ums andere Mal so langsam aussehen, wie sie wahrscheinlich auch sind. Damit ließen sie es allerdings auch bald wieder bewenden. Lediglich ein abgefälschter Weitschuss von Koo brachte das Tor von Igor Akinfejew in der ersten Hälfte in Gefahr.

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Akinfejews Vorderleuten fiel unterdessen aber auch nichts ein. Für den Kapitän und Spielmacher Roman Schirokow, der die Brasilien-Reise verletzungsbedingt absagen musste, sollte sich der junge Oleg Schatow von Zenit Sankt Petersburg um die zündenden Ideen im russischen Mittelfeld kümmern. Dort wich allerdings der Premier-League-erfahrene Sung-Yong Ki vom FC Sunderland nicht von seiner Seite.

So etwas Ähnliches wie Torgefahr entstand nur dann, wenn Juri Schirkow am linken Flügel den Ball hatte. Wie gesagt: So etwas Ähnliches. Schirkow, der vor ein paar Jahren noch wie der kleine Bruder von David Hasselhoff aussah, ist inzwischen einen Tick erwachsener geworden. Und leider auch einen Tick berechenbarer.

Die zweite Halbzeit startete zum Glück beschwingter, mit einem gefährlichen Weitschuss von Viktor Faisulin und einem Kopfball ins Außennetz von Russlands WM-Aushilfskapitän Wassili Beresuzki. Trainer Fabio Capello blieb draußen an der Seitenlinie trotzdem bei seinem grimmigen Capello-Gesicht.

Sein Team spielte deshalb auch bald wieder so wie der Trainer guckte, immer wieder lag jetzt ein Koreaner im Rasen. So entwickelte sich ein kleines Freistoß-Festival, das zur Überbrückung bis zu den späten Toren sogar seinen Reiz hatte, weil der sonst recht sichere Akinfejew die Bälle so manches Mal aus der Hand ploppen ließ und wie eine Großkatze aus dem Pantanal hinterherhechten musste.

Wie so häufig bei diesem Turnier der schnell schwindenden Kräfte, brauchte es ein paar unverschwitzte Einwechselspieler, um die Show zu retten. Südkoreas Keun-Ho Lee machte zwanzig Minuten vor dem Ende den Anfang. Sein keineswegs unhaltbares Schüsschen rutschte dem Torwart Akinfejew diesmal so unglücklich aus den Handschuhen, dass nicht einmal die Großkatze Akinfejew mehr etwas ausrichten konnte.

Für die Russen traf fünf Minuten später der eingewechselte Alexander Kerschakow per Billardtor, nachdem der eingewechselte Alan Dsjagojew den Ball ins Getümmel gedroschen hatte. Beide Treffer passten optisch ganz gut zu diesem Spiel.

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