Fußball-WM:Heller und Pfennig

Lesezeit: 3 min

Keine Lust auf eine Blamage - warum die Fifa die WM-Gala in Berlin wirklich abgesagt hat.

Thomas Kistner

Nimmt man die vergangene Woche zum Maßstab, ist das nationale Großprojekt Fußball-WM 2006 auf gutem Wege zur Slapstick-Nummer.

Der massiven Kritik der Stiftung Warentest am Sicherheitsstandard diverser Stadien im Land des gerühmten Organisations-Weltmeisters folgte am Freitag die überfallartige Absage der Berliner Eröffnungsfeier durch den Fußballweltverband Fifa: Die Welt lacht wohl noch nicht über die deutschen Freunde, kichern tut sie aber schon.

Aus dem Ruder gelaufen

Katerstimmung machte sich übers Wochenende in der Hauptstadt breit, wo der Senat in Gestalt des Staatssekretärs für Bildung, Jugend und Sport, Thomas Härtel, zunächst Schadenersatzansprüche gegen die Fifa prüfte; das Land Berlin, so Härtel, könne dies jedoch nicht tun, da es keinen Vertrag mit der Fifa habe.

Der Imageschaden aber ist größer, er ist irreparabel. Die Fifa hat den Rückzug aus der Eröffnungsgala derart hemdsärmelig vollzogen, dass die wahren Hintergründe evident werden. Denn die jäh erwachte Fürsorge um die Berliner Spielwiese nimmt ihr keiner ab: Die Problematik kennt man seit zwei Jahren, sie ist auch vor geraumer Zeit angepackt worden, indem diese Eröffnungsfeier noch einen Tag nach vorne und das erste WM-Spiel in Berlin einen Tag zurück verlegt wurde.

Tatsache ist aber, dass der Oberzeremonienmeister der WM, André Heller, nur 24 Stunden vor der Absage in Zürich noch mit den Fifa-Bossen tafelte.

Dass in der frohen Künstlerrunde nicht über Regenerationsfragen für Grashalme gefachsimpelt wurde, liegt auf der Hand. Vielmehr wollte Fifa-Boss Sepp Blatter endlich einmal Konkretes hören, direkt aus dem Munde des Meisters: Konzepte, ein paar Details, Zahlen womöglich.

Was er hörte, muss derart unbefriedigend gewesen sein, dass die Superschau am nächsten Tag in panischer Eile vom Spielplan gestrichen wurde.

Die "spannendste und aufsehenerregendste Show nach dem Krieg in Deutschland", wie das Event einst vom WM-Organisationskomitee umschrieben wurde, drohte aus Fifa-Sicht offenbar aus dem Ruder zu laufen.

In Kreisen des Weltverbands geht das Gerücht, dass es nicht bei den 25 Millionen Euro Kosten geblieben wäre, wenn all die von Großvisionär Heller angeheuerten Superstars angetreten wären, von Peter Gabriel bis Jessye Norman (welche nun, so Heller, Anspruch auf eine schriftliche Entschuldigung der Fifa hätten).

Der Zeiger im Geldtank hätte schon bei der 40-Millionen-Euro-Marke gependelt. Bestätigen will das niemand, offiziell beteuern alle Seiten, Geldfragen hätten keine Rolle gespielt.

Was dann? Die Inhalte der Show etwa? Gab es heikle Passagen, weil Heller auch die Geschichte des Berliner Olympiastadions, Schauplatz der Hitler-Spiele 1933, streifen wollte?

Seine Grätsche gegen den Fifa-Boss ist wegweisend: "Wahrscheinlich ist Blatter eines Morgens aufgewacht und hat sich gedacht, die Kunst macht mir Probleme", sagte er in einem TV-Interview von Sat 1.

Damit schert Heller aus der offiziellen Linie aus, die er ansonsten tapfer mitträgt, wonach die Kunst dem Druck von Weltmeister Brasilien weichen musste, der um die Rasenqualität fürchtete.

Nur: Warum weicht man dann nicht nach München aus, wo ohnehin das Eröffnungsspiel steigt und der Rasen des als Fußballarena ausgemusterten Olympiastadions nur darauf wartet, mal wieder richtig zertrampelt zu werden?

Genervt vom Brimborium

Die Absage trifft gut erkennbar die Show selbst. Heller und Pfennig spielen für die reiche Fifa in der Tat keine Rolle, nur blamieren will sie sich nicht.

Ein Indiz für das gegen Null tendierende Interesse an dem Ende 2003 vom rotgrünen Sportminister Otto Schily lancierten Zusatzevent lieferte der Kartenverkauf: Bislang waren laut Fifa erst 7000 von 66.000 möglichen Tickets abgesetzt worden.

Eine Eröffnungsshow vor halb leerer Kulisse aber verbietet sich, das wäre ein zu peinliches Signal. Dazu blieb der Run der TV-Sender auf die Übertragungsrechte aus. Eine Eröffnungsfeier zwei Tage vor dem ersten WM-Spiel wäre im Fußballsommer 2006 eher kein Straßenfeger; auch will die Welt den deutschen Partylöwen wohl nicht zweimal binnen 48 Stunden beim Tanz zuschauen (in München gibt´s ja auch noch was zu feiern).

Dazu passt der Trend, den die bisherige WM-Aufwärmphase für alle Nebengeschäftemacher offenbart hat: Das Publikum will Spiele, Spieler, Tore sehen. Nicht verblasene Selbstdarstellungen von Politik, Wirtschaft und Verbänden wie die Münchner Pleite-Konferenz Visions of Football, zu der statt der kalkulierten Tausendschaften zirka vier Dutzend zahlende Besucher kamen.

Viele Menschen nervt das Brimborium drumherum. Auch hat die Fifa erkannt, dass eine um zwei Tage vorangestellte Eröffnungsfeier den Direktvergleich mit olympischen Eröffnungsshows anträte - da fiele es womöglich schwer, den Sportshowprofis mit dem Konzept des Chefillusionisten Heller die Schau zu stehlen.

In Berlin wird nun flott über eine Alternativ-Eröffnungsparty auf der Fanmeile angedacht. Vielleicht springt ja, wenn alles klappt, fürs Veranstalterland am Ende noch der Titel Umorganisations-Weltmeister heraus.

© SZ vom 16.1.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: