Fußball-WM der Frauen:Weil sie es verdienen

Women's World Cup - Round of 16 - Germany v Nigeria

Die DFB-Fußballerinnen stehen nach dem Sieg gegen Nigeria im WM-Viertelfinale.

(Foto: REUTERS)

Die männlichen Fußballprofis dürften ruhig etwas von ihren üppigen Gagen abgeben. Dass die Spielerinnen strukturelle Benachteiligung erfahren, ist Fakt - und diese nimmt sogar zu.

Kommentar von Claudio Catuogno

Man trifft jetzt wieder viele wohlmeinende Männer, die Ratschläge für den Frauenfußball haben: Könnte man nicht die Tore verkleinern, damit auch eine Torhüterin mal den Ball aus dem Winkel fischen kann wie Manuel Neuer? Oder das Feld schrumpfen, weil ein Cristiano Ronaldo nun mal schneller rennt als eine Alexandra Popp? Okay, sagen die Männer, heikles Thema, aber: Wäre das nicht auch im Sinne der Frauen, wenn ihr Spiel etwas rasanter würde?

In anderen Sportarten könnte man derlei als Fachdebatte abtun: Volleyballerinnen schmettern ja auch über tiefere Netze als Volleyballer. Im Fußball klingt es nach Anmaßung: Die Frauen sollen ihr Spiel bitte den männlichen Sehgewohnheiten anpassen! Warum kommt einem das bekannt vor? Wohl auch deshalb, weil es ebenfalls wohlmeinende Männer waren, die lange die Ansicht vertraten, die Frauen ganz vor dem Fußball schützen zu müssen.

Bis 1970 erhielt der Deutsche Fußball-Bund sein "Damenfußball-Verbot" aufrecht, weil "im Kampf um den Ball die weibliche Anmut verschwindet" und "Körper und Seele unweigerlich Schaden erleiden", wie es hieß. Der Männerfußball schuf sich derweil in aller Ruhe jenen Mythenschatz, der ihn bis heute nährt: Wunder von Bern und Bomber der Nation, Wembley-Tor, Hand Gottes und so weiter.

Damit sich etwas ändert, braucht es: die Männer!

1931 gewann Cilly Aussem als erste deutsche Frau das Tennisturnier von Wimbledon, ab den 1980er-Jahren zierte ihr Porträt die 20-Pfennig-Briefmarke. Das erste Frauen-Länderspiel einer deutschen Elf fand erst 1982 statt. Seither versucht der Frauenfußball, seine eigenen Geschichten zu schreiben - aber eben auch, eine männergemachte Kluft zu schließen. Es ist kein Zufall und sicher auch kein Schaden, dass dieser Kampf nun parallel zu anderen gesellschaftlichen Entwicklungen verläuft: Frauen wehren sich gegen patriarchalische Machtgefüge, verlangen Zugang zu Führungspositionen, fordern gleiche Bezahlung. Wie kein anderer Sport eignet sich der Fußball als Resonanzboden für diese Anliegen, wegen seiner Größe, aber auch wegen seiner Geschichte. Damit sich etwas ändert, braucht es nun aber: die Männer!

In England sind es gerade die milliardenschweren Klubs der Premier League, die Frauenteams in ihr Portfolio aufnehmen - und einen Boom auslösen, von dem der bräsige DFB nur träumen kann. Und es dürfen jetzt ruhig auch die männlichen Profis etwas von ihren Gagen abgeben, um die Gehaltslücke zu den Frauen zu schließen - selbst wenn der Männerfußball ein Vielfaches an Umsatz generiert. Norwegens Fußballer verzichten bereits auf Prämien, um das Signal auszusenden, dass die Fußballerinnen das Gleiche verdienen wie sie. Anderswo ziehen Frauenteams gegen ihre Verbände vor Gericht.

All das überlagert allerdings, dass in Deutschland die strukturelle Benachteiligung von Frauen und Mädchen sogar wieder zunimmt - weil hierzulande gerade die Vereinslandschaft erodiert. Vor allem auf dem Land kriegen viele Klubs kaum noch elf Spieler zusammen, und wenn, fehlen häufig die Trainer oder die ehrenamtlichen Abteilungsleiter, die den Betrieb organisieren. Und welcher Verein, der um den Fortbestand seiner "C-Jugend männlich" ringt, hat Kapazitäten übrig, um den Mädchenfußball zu pushen? Dass Mädchen so selbstverständlich Fußball spielen können wie Tennis oder Basketball, scheitert oft an den Rahmenbedingungen. Auch ohne Damenfußballverbot.

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