WM in Frankreich:Die Zukunft muss warten

Deutschland - Schweden

Sichtlich niedergeschlagen: Deutschlands Lina Magull geht nach dem Spiel enttäuscht über den Rasen.

(Foto: dpa)
  • Deutschland ist nicht nur bei der Fußball-WM im Viertelfinale ausgeschieden - das Team verpasst auch die Qualifikation für Olympia.
  • Die Enttäuschung bei den Frauen ist riesig. Denn was diese junge Mannschaft braucht, sind Herausforderungen auf hohem Wettkampfniveau.

Von Anna Dreher, Bruz

Dzsenifer Marozsán war die erste, die am Sonntagmorgen das Mannschaftshotel verließ. Ein Taxi wartete vor dem Golfressort Domaine de Cicé-Blossac in der Nähe von Rennes auf sie. Dort, wo diese Weltmeisterschaft für die deutsche Fußballnationalmannschaft in idyllischer Umgebung begonnen hatte - und nun auch endete. Früher als geplant.

Das Taxi brachte Marozsán, 27, in die Richtung, die sie ohnehin anvisiert hätte, nur eigentlich unter anderen Voraussetzungen, in anderer Verfassung. Euphorisch wollte sie sein, nicht bitter enttäuscht. Lyon ist Marozsáns Zuhause, seit sie vor drei Jahren zu Olympique wechselte. Vor allem aber ist die Stadt in der Rhône-Alpes-Region Ausrichter der Halbfinals mit den vier besten Teams dieser WM. Deutschland gehört nicht dazu.

Während Marozsán sich auf den Weg machte, rollten andere Nationalspielerinnen ihre schwarzen Koffer zum blauen Teambus, müde von einer kurzen Nacht, getroffen von einem Ergebnis, mit dem sie nicht gerechnet und das sie wenige Stunden später noch nicht verarbeitet hatten. In der Kabine habe Totenstille geherrscht, hatte Kapitänin Alexandra Popp am Samstagabend nach der 1:2 (1:1)-Niederlage gegen Schweden gesagt. Eine Spielerin nach der anderen war mit hängendem Kopf und von Tränen geröteten Augen durch die Gänge des Stadions gelaufen. "Das ist einfach scheiße jetzt", sagte Sara Däbritz und versuchte, die Fassung zu wahren.

Die Elf von Trainerin Martina Voss-Tecklenburg war so zuversichtlich gewesen, dass sie es mindestens ins Halbfinale schaffen kann. Dann wurde sie vom ersten Gegentor im fünften Spiel so durcheinander gebracht, dass sie nicht mehr zurück zu ihrem Plan fand, obwohl noch genügend Zeit und Chancen geblieben wären.

Nach dem Führungstor von Lina Magull in der 16. Minute egalisierte Sofia Jakobsson sieben Minuten später, bis zum Schlusspfiff war da noch über eine Stunde Zeit. Doch keiner der deutschen Spielerinnen gelang die befreiende Aktion, stattdessen setzte die Schwedin Stina Blackstenius den Knockout (48.).

"Wir hatten keinen einfachen Weg in den letzten Jahren"

Almuth Schult stieg am Sonntag nicht direkt in den Bus. Die Torhüterin fand noch Energie, um über ihre Gedanken zu sprechen, bevor der Tross kurz nach halb zehn zum Bahnhof von Rennes und dann weiter nach Paris fuhr. Von dort ging es nach Deutschland zurück. "Wir hatten keinen einfachen Weg in den letzten Jahren, mit einigen Trainerwechseln", sagte die 28-Jährige. "Aber wir haben eine große Euphorie und großen Siegeswillen gezeigt in vier Spielen. Es ist enttäuschend, dass wir das im fünften Spiel nicht zeigen konnten."

Der Frust war auch deswegen so groß, weil das Aus nicht nur die Träume vom dritten Titelgewinn nach 2003 und 2007 zerstörte. Sondern, weil dadurch auch die Qualifikation für die Olympischen Spiele 2020 verpasst wurde. Deutschland hätte zu den drei besten europäischen Teams der WM zählen müssen, das sind nun die Niederlande, Schweden und England. Und für die Frauen ist Olympia eben nicht nur ein Fußballturnierchen, wie bei den Männern, die dort mit der U21 antreten. Bei den Frauen schicken die Nationen traditionell ihre besten Spielerinnen auf diese außergewöhnliche Bühne. Olympia soll nicht nur Medaillen, sondern auch jene Wettkampfhärte bringen, die es braucht, um dann auch bei Europa- und Weltmeisterschaften gut abzuschneiden. Im Idealfall jedenfalls.

Hrubesch brachte die Sicherheit zurück, aber es war nicht genug

Deutschland hat 2016 in Rio Gold geholt, kam dann aber nach den Abschieden von Bundestrainerin Silvia Neid und erfahrenen Spielerinnen in eine unruhige Umbruchphase. Steffi Jones übernahm, bei der EM 2017 war im Viertelfinale Schluss, und weil keine Entwicklung zu sehen war, wurde interimsweise Horst Hrubesch zum Verantwortlichen. Hrubesch brachte die Sicherheit zurück, dieses Jahr löste ihn Voss-Tecklenburg ab. Die Zeit, die sie bis zum WM-Start am 7. Juni hatte, hat sie zwar akribisch genutzt - aber es war offenbar nicht genug für diese junge Mannschaft. Was sich gerade im Vergleich mit Nationen wie England, Frankreich oder den USA zeigt, deren Mannschaften mit großer Präsenz und Selbstverständlichkeit auftreten.

Was diese junge deutsche Elf für ihren Lernprozess braucht, sind Herausforderungen auf hohem Wettkampfniveau - umso schwerer wiegt es, dass nun erst mal ein Ereignisleerlauf bevorsteht. Dennoch versuchte Voss-Tecklenburg, die Situation am Morgen danach positiv zu bewerten: "Wir müssen auch die Chance sehen, dass es uns nun Zeit und einen Rahmen gibt, Entwicklungen anzuschieben und bei der EM 2021 eine gute Rolle zu spielen."

Schon bei der Zusammenstellung des Kaders hat die Bundestrainerin ja gezeigt, dass sie an die Zukunft denkt, sie nahm Lena Oberdorf, 17, Klara Bühl, 18, und Giulia Gwinn, 19, mit nach Frankreich. Und schon in der Gegenwart zeigten alle drei, dass sich das auszahlen dürfte. Die Integration dieser sehr jungen Spielerinnen war einer der positiven Aspekte der WM.

Die Unsicherheiten in der Defensive zogen sich durchs Turnier

Dass die für Voss-Tecklenburg unersetzliche Spielmacherin Marozsán mit gebrochenem Zeh bis zu ihrem Einsatz in der zweiten Halbzeit gegen Schweden fehlte, erschütterte alle dennoch erkennbar. Zwar glich das Team das mit Kampf und taktischer Flexibilität aus, an fußballerischem Glanz fehlte es jedoch. Insgesamt war es zu wenig, um gegen einen erfahrenen, abgezockten Gegner wie Schweden zu bestehen - den eigentlichen Maßstab für eine Mannschaft mit hohem Anspruch.

Dass ein Gegentor ausreicht, um das Gefüge ins Wanken zu bringen, zeigt, dass es dem Team noch an Souveränität mangelt. Auch die Unsicherheiten in der Defensive zogen sich wie ein roter Faden durchs Turnier, bedingt vielleicht auch durch die ständigen Aufstellungs-Rotationen, die aus dem großen, vielleicht zu großen Vertrauen der Trainerin in ihren Kader resultierten. Zwar waren Flexibilität und Variabilität auffällig und grundsätzlich lobenswert - aber dass Alexandra Popp gegen Schweden aus dem Angriff auf die Sechs zurückgezogen wurde und dadurch als Anspielstation vorne fehlte, verwunderte doch.

"Was fehlt, ist die Konstanz, trotz Rückschlägen weiter mutig zu sein", sagte Voss-Tecklenburg später noch. "Das haben wir jetzt zum ersten Mal im Turnier erlebt, wir müssen das sauber analysieren." Im August will sie sich mit ihrem Team zusammen setzen und die nächsten Schritte besprechen. Genug Zeit dafür hat sie ja jetzt.

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