Kylian Mbappé:Ein Mann mit einer Mission

Kylian Mbappé: Geteilte Freude: Olivier Giroud (links) und Kylian Mbappé beim Achtelfinalsieg der Franzosen gegen Polen.

Geteilte Freude: Olivier Giroud (links) und Kylian Mbappé beim Achtelfinalsieg der Franzosen gegen Polen.

(Foto: Dylan Martinez/Reuters)

Kylian Mbappé ist gegen Polen schon wieder "Man of the Match". Daneben beeindruckt aber vor allem die sportliche Wiedergeburt des 36-jährigen Olivier Giroud, der nun Rekordtorschütze ist - noch.

Von Claudio Catuogno, Doha

Der Stürmer Kylian Mbappé setzte sich neben seinen Trainer, und Didier Deschamps schien überrascht zu sein, ihn zu sehen. Zum dritten Mal im vierten WM-Spiel war Mbappé zum "Man of the Match" erklärt worden, was in Wahrheit keine hochgeschätzte Auszeichnung ist, sondern dem Biersponsor der Fifa die Möglichkeit gibt, einen der Akteure für ein paar PR-Fotos zu nutzen. Außerdem dürfen ihm die Journalisten auf der Pressekonferenz nach dem Spiel drei Fragen stellen, "three questions for Kylian, please". Die vergangenen beiden Male hatte Mbappé geschwänzt. Nun war er da.

Erste Frage also, klar: Warum heute, nach dem 3:1 (1:0) im Achtelfinale gegen die Polen im Al-Thumama-Stadion von Doha - und warum die letzten Male nicht? "Ich habe nichts gegen die Journalisten", versicherte Mbappé, "ich muss mich nur die ganze Zeit auf den Wettbewerb konzentrieren. Wenn ich mich auf etwas konzentrieren will, muss ich das zu 100 Prozent tun, um keine Energie zu verlieren."

Wohlgemerkt, es geht da um drei Fragen zwischen Duschen und Gang zum Mannschaftsbus - aber der junge Mann ist eben auf einer Mission! Er will sich ins Finale konzentrieren. Und in jedem Fall, sagte Mbappé, werde er sich bemühen, die fürs zweimalige Schwänzen fällige Fifa-Strafe von 10 000 Schweizer Franken selbst zu übernehmen, "der Verband muss nicht für eine Entscheidung bezahlen, die persönlich ist". Es wären 15 000 geworden, wäre Mbappé noch einmal ausgebüxst. Dass das seine Entscheidung beeinflusst hat, darf man ausschließen.

In jedem Fall kam Kylian Mbappé im perfekten Moment in den Pressesaal. Wann büxst man aus, wann ist man da - er hat halt ein Gespür fürs Timing, auf und neben dem Platz. Der Nationaltrainer Deschamps sprach gerade über die erfolgreichsten Stürmer der französischen Fußballgeschichte, es ging um Thierry Henry, den bisherigen Rekordtorschützen der Bleus, und um Olivier Giroud, den neuen. Henry, der Weltmeister von 1998, hat seine Länderspielkarriere mit 51 Toren beschlossen, Girouds 1:0-Führung gegen Polen (44.) am Sonntag war sein 52. Treffer gewesen. Erfolgreiche Stürmer, das ist Mbappés Lieblingsthema.

Die sportliche Wiedergeburt des 36-jährigen Giroud ist tatsächlich eine bemerkenswerte Geschichte bei dieser WM: Drei Tore hat er bereits erzielt, und damit drei mehr als 2018, als die Franzosen mit ihm im Sturm Weltmeister wurden. Der Null-Tore-Stürmer Giroud stemmte am Ende den Pokal, aber der Weg dorthin war geprägt von Debatten und Kritik, wie so oft in Girouds Karriere.

Giroud ist in Katar die zentrale Sturmspitze, mit lauter genialen Zulieferern um sich herum

Und diesmal? War er eigentlich nur als Ersatz vorgesehen - bis zur verletzungsbedingten Abreise von Karim Benzema. Und nun passt alles zusammen, Girouds Form, die er vom AC Mailand mitgebracht hat, das Selbstvertrauen, auch "unser System kommt ihm im Vergleich zu 2018 entgegen", sagt Deschamps. Giroud ist in Katar die zentrale Sturmspitze der Franzosen, mit lauter genialen Zulieferern um sich herum: Antoine Griezmann auf der zentralen Zehnerposition, Mbappé über links, Ousmane Dembélé über rechts.

Und doch ist es symptomatisch, dass auch Didier Deschamps nicht über den neuen Rekordtorschützen Giroud sprechen kann, ohne zugleich über Mbappé zu sprechen. 52 Tore seien ein beachtlicher Wert, sagte er also. "Olivier bekommt jetzt die Anerkennung, die er verdient" - und dann lehnte sich Deschamps grinsend rüber zu Mbappé: "Aber vielleicht gibt es ja einen, der ihn bald schlagen kann ..."

Mbappé steht bereits bei fünf Toren bei dieser WM, zwei davon kamen gegen Polen dazu, beachtliche Präzisionsschüsse unter die Latte. Polens Trainer Czeslaw Michniewicz erinnerte hinterher daran, dass Lionel Messi und Cristiano Ronaldo in Katar wohl ihre letzte WM spielen, und prognostizierte: "Mbappé wird nun für viele Jahre der beste Spieler der Welt sein."

Wenn die Franzosen am Samstag im Viertelfinale auf England treffen, wird das vor allem eine Prüfung, ob Spieler wie Koundé und Rabiot, Tchouameni, Upamecano und Theo Hernández allerhöchstem Niveau gewachsen sind. Im französischen Angriff stellt sich diese Frage nicht.

Zur SZ-Startseite

SZ PlusWM-Interview mit Coach Pochettino
:"Messi findet Zufriedenheit im Einfachen, Neymar im Schwierigen"

Mauricio Pochettino hat die Hauptdarsteller der WM als Klubtrainer kennengelernt: Messi, Neymar, Mbappé, Kane. Er erklärt, wer ein Bandit ist, wer Risiko liebt, wer sich für Ballverluste schämt - und was dem DFB fehlt.

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: