Fußball-WM: Fans:Was bleibt von der WM?

Abgebrochene Autofahnen, klassische Kompositionen für Vuvuzela und Tröten-Alarm in der Bundesliga: Fußball-Fans gehen auch nach der Weltmeisterschaft in Südafrika nicht leer aus.

Spanien hat den Pokal, aber auch Fußballfans in Deutschland gehen nach der Weltmeisterschaft nicht leeraus. Mancher erfreut sich an der Pflanze Moraea vuvuzela, die in Kapstadt entdeckt und im hessischen Eschborn benannt wurde, ein anderer über Car-Bikinis oder gute Verkaufszahlen für WM-Hundekuchen. Ein Überblick.

Public Viewing: Germany v Spain - 2010 FIFA World Cup
(Foto: getty)

Texte: Titus Arnu, Fabian Heckenberger, Gunnar Herrmann

Fahnen-Müll

Bis zum Spiel um den dritten Platz hatte fast jeder WM-Fan eine Fahne. Das lag zum einen am stark erhöhten Bierkonsum, der durch die Hitze in Deutschland noch angekurbelt wurde, zum anderen auch an dem schwarz-rot-goldenen Wimpel- und Flaggenrausch, der fast an den allgemeinen Fahnenwahn von 2006 heranreichte. Nun wird aus dem wunderbaren "Schland" wieder Normal-Deutschland, und übrig bleibt der Müll. Weit mehr als 10 000 abgebrochene WM-Autofahnen haben die Mitarbeiter der Straßenmeistereien in den vergangenen Tagen am Straßenrand aufgehoben. Das ergab eine Blitzumfrage des Landesbetriebes Straßenbau Nordrhein-Westfalen bei den 84 Autobahn- und Straßenmeistereien. Wer jetzt noch mit Fahne fährt, sollte den Halt des Banners überprüfen. Das Material könnte ermüden. Gleiches gilt für den Autofahrer mit WM-bedingtem Schlafdefizit und Alkoholfahne.

Vuvuzela-Pflanze

Vuvuzela-Pflanze

Fußball-WM: Fans: undefined
(Foto: ap)

Die Vuvuzela hat, das würde Oktopus Paul vermutlich jederzeit mit einem Orakel bestätigen, sehr gute Chancen, zum Wort des Jahres gekürt zu werden. Schon jetzt werden Haustiere, Kinder und Pflanzen nach der Tröte benannt. Und eine neu entdeckte Pflanzenart aus der Familie der Iris-Gewächse erhält anlässlich der Fußball-WM den wissenschaftlichen Namen Moraea vuvuzela. Die Namensgebung sei durch eine Patenschaft der im hessischen Eschborn ansässigen Gesellschaft für technische Zusammenarbeit (GTZ) ermöglicht worden, teilte der Verein Biopat mit. Der Verein hat die Patenschaft für die neue Pflanzenart vermittelt, die kürzlich im Worcester-Tal nahe Kapstadt entdeckt worden war. Das Zulu-Wort Vuvuzela bedeutet übrigens "sich erheben" oder "aufbrechen".

Milliarden-Aufträge

Kinderdienst: Neue Pflanzenart heisst wie Fussball-Troete
(Foto: ag.ddp)

Milliarden-Aufträge

Wirtschaftlich gesehen gehört Deutschland nach Ansicht des Deutschen Industrie- und Handelskammertags (DIHK) eindeutig zu den WM-Gewinnern in Südafrika. Deutsche Unternehmen hätten im Vorfeld der Fußballweltmeisterschaft Aufträge in Höhe von rund 1,5 Milliarden Euro akquiriert, sagte der DIHK-Afrika-Experte Heiko Schwiderowski am Montag im Deutschlandradio Kultur. Insgesamt habe Südafrika rund fünf Milliarden Euro investiert. Deutsche Firmen seien vor allem am Bau von Stadien und Straßen und bei der Modernisierung der Energieversorgung beteiligt gewesen. Zur wirtschaftspolitischen WM-Bilanz Südafrikas sagte der Experte, die fünf Milliarden Euro Investitionen seien noch nicht wieder eingespielt. Man rechne derzeit damit, dass drei bis 3,5 Milliarden Euro an Einnahmen erzielt worden seien. Das sei natürlich "ein ganz dickes Minus". Andererseits werde der Imagegewinn zu steigenden Touristenzahlen führen.

3D-Fußball

Netherlands v Spain: 2010 FIFA World Cup Final
(Foto: getty)

3D-Fußball

Louis van Gaal hat die 3D-Technik bereits vor der WM getestet und war begeistert. Auf dem Trainingsgelände werden die neuen Fernsehgeräte demnächst zu finden sein, sagte der Trainer des FC Bayern und schwärmte von den ungeahnten Möglichkeiten der Spielanalyse, wenn Fußballer und Fußballfeld nicht mehr flach an der Wand kleben, sondern plastisch im Raum erscheinen. Bis zur WM 2014 soll die neue Technik so ausgereift sein, dass alle Spiele in 3D angeboten werden können, was 2010 nur in einigen Kinos möglich war. Der Verein Deutsche TV-Plattform geht davon aus, dass in vier Jahren in jedem zweiten deutschen Haushalt ein 3D-fähiger Fernseher steht. Louis van Gaal soll sich bereits einen besorgt haben, allerdings laufen dort vor allem Filme. Gattin Truus hat das ständige Fußballschauen unterbunden.

Fanmeilen-Versammlungen

Soccer fans react during screening of 2010 World Cup semi-final soccer match match in Berlin
(Foto: rtr)

Fanmeilen-Versammlungen

2006 hat der Deutsche seine Freude an Fan-Versammlungen im großen Stil außerhalb von Stadien entdeckt. 2010 wurde die Praxis fortgesetzt, in Berlin standen bis zu 400000 Menschen vor den Leinwänden auf der Straße des 17. Juni. Und die Intervalle werden kürzer: Im nächsten Jahr findet die WM der Frauen in Deutschland statt, und dann, so fordern die Grünen, solle in Berlin erneut versammelt Fußball geschaut werden. "Ich gehe davon aus, dass dann eine mindestens so große Fanmeile eingerichtet wird", sagte die Grünen-Abgeordnete Felicitas Kuballa.

A U.S. fan looks on as a Ghana fan blows a vuvzela during the 2010 World Cup second round match between United States and Ghana in Rustenburg
(Foto: rtr)

Teufels-Trompete

Teufels-Trompete

Hans-Joachim Watzke hat die Gefahr als einer der ersten erkannt. "Sie sind nervtötend und ersticken die herrliche Geräuschkulisse in unserem Stadion", sprach der Geschäftsführer von Borussia Dortmund bereits am fünften Tag der WM und verbannte die Vuvuzela aus dem Dortmunder Stadion. Werder Bremen folgte dem Verbot, andere Klubs der Fußball-Bundesliga ringen in der hochsensiblen Angelegenheit noch um den richtigen Umgang mit der, wie der Sportinformationsdienst schrieb: Teufelstrompete. Die Ligaleitung will sich an der Angelegenheit nicht die Finger verbrennen und überlässt den Vereinen die brisante Entscheidung, dabei ließe sich das Problem ganz einfach lösen: Die islamische Religionsbehörde des arabischen Emirates Abu Dhabi hat das laute Spielen der Vuvuzela offiziell zur Sünde erklärt. In der Fatwa Nummer 11625 verbot sie das Tröten mit mehr als 100 Dezibel.

Car-Bikini zur WM 2010
(Foto: dpa)

WM-Resterampe

WM-Resterampe

Der Weltmeisterburger mit südafrikanischer Chakalaka-Sauce ist der Schoko-Osterhase der Fußball-WM: vor und während des Festes ein Verkaufsschlager, danach ein Ladenhüter. Ebenso ballförmige Hundekuchen oder "Car-Bikinis" in Schwarz-Rot-Gold für Auto-Außenspiegel. Die Frage nach der Verwendung dieser Saisonartikel stellt sich seit Jahren und hat ein eigenes Geschäftsfeld hervorgebracht. Unternehmen habe sich darauf spezialisiert, den Händlern und Herstellern überschüssige Fanartikel, Zimt-Weihnachtsmänner und Ostereier abzunehmen, oft gegen Vermittlung von Dienstleistungen. Die Ware wird im Internet oder auf anderen Märkten, etwa in Osteuropa, zu niedrigen Preisen verkauft. Allerdings könnte das Geschäft mit der Resterampe nach der WM 2010 nicht mehr ganz so gut laufen. Dank immer exakterer Prognoseprogramme nehmen Fehlkalkulation in der Produktion ab. Außerdem sind die Händler zufrieden mit dem WM-Geschäft und die meisten Artikel losgeworden. "Die Fans haben sich gut eingedeckt - das war Kauflaune pur", sagt Kai Falk, Sprecher des Handelsverbands Deutschland.

Fraunhofer-Institut entwickelt 'Vuvuzela-Filter'
(Foto: ag.ddp)

Tröten-Klassik

Tröten-Klassik

In Schweden sind die Vuvuzelas eigentlich genauso unbeliebt wie anderswo. Da erscheint die Idee des Radiokanals P2 geradezu subversiv: Der Kultursender erteilte dem Komponisten Håkan Lidbo vor einigen Wochen den Auftrag, ein Stück für Plastikhörner zu komponieren. Der schwedische Musiker schritt begeistert zu Tat. Er gibt sogar offen zu, dass er die Tröten mag. Sie wecken bei ihm Heimatgefühle. "Wie ein Mückenschwarm an einem Mittsommerabend" klinge das Summen aus der Fankurve, meint er. Zudem erinnere ihn die Vuvuzela an ein "Näverlur" - das ist eine Art schwedisches Alphorn, mit dem traditionsbewusste Sennerinnen an der norwegischen Grenze ihre Almen beschallen. Dort stören sie freilich kaum jemanden. Am Wochenende hatte Lidboms dreiminütiges Werk "Zuzuvela" nun Rundfunkpremiere. Der auf elektronische Musik spezialisierte Künstler hat das Röhren der Vuvuzelas zu einem erschreckend tanzbaren Stück mit eingängigem Bass-Gewummer verarbeitet. Man muss jetzt ernsthaft fürchten, dass der nervige Stadion-Sound noch lange in den Discos nachhallen wird. Hörprobe im Internet: http://hakanlidbo.com/vuvuzela.

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