Süddeutsche Zeitung

England gegen Wales:Ein Spiel wie eine bessere Trainingseinheit

Zweimal Rashford, einmal Foden: England gewinnt souverän mit 3:0 - und zieht als Gruppenerster ins Achtelfinale ein. Für Wales war weder auf dem Platz noch auf den Tribünen etwas auszurichten.

Von Sven Haist, al-Rayyan

"Anyone but England", hatte es in Wales geheißen: alles außer England. Mit dem Spruch sollte diesmal aber keine Provokation gegenüber dem einzigen Landesnachbarn formuliert werden, wie man angesichts der Rivalität vermuten könnte. Sondern es war der Wunsch, bei dieser WM nicht schon wieder gegen die "Three Lions" antreten zu müssen. 64 Jahre hatte Wales auf seine zweite WM-Teilnahme gewartet. Da wollte das Land die Gelegenheit nutzen, neue Bekanntschaften zu schließen. Stattdessen landete man analog zur ersten EM-Teilnahme 2016 in einer Vorrundengruppe mit dem übermächtig erscheinenden England - und damit automatisch erneut in dessen großen Schatten.

Als wäre dieser Umstand nicht unglücklich genug, zeichneten am Dienstagabend auch noch just jene ungeliebten Engländer dafür verantwortlich, das eigene Turnieraus zu besiegeln. Durch ein deutliches 3:0 - entstanden durch einen Doppelschlag von Marcus Rashford und Phil Foden zu Beginn der zweiten Hälfte sowie einem weiteren Rashford-Treffer in der 68. Minute - sicherte sich der Mitfavorit souverän den ersten Tabellenplatz. Im Achtelfinale bekommt es England nun mit Senegal zu tun, während die Waliser sieglos den letzten Gruppenrang belegen.

Um das frühe Scheitern nach nur einem Punkt aus zwei Spielen noch abzuwenden, hätte Wales diese Partie gewinnen müssen: entweder mit vier Toren Abstand oder zuzüglich eines Remis zwischen Iran und den USA. Am ehesten wäre ein solcher Auftritt natürlich Gareth Bale zuzutrauen gewesen, dem Rekordspieler und -torschützen seines Landes mit 41 Treffern in 111 Matches. Einmal in seiner Karriere war Bale, 33, sogar ein Viererpack gelungen, vor sieben Jahren für seinen damaligen Klub Real Madrid. Spätestens zur Halbzeitpause hatte sich das Gedankenspiel erübrigt - weil Bale offenkundig verletzt ausgewechselt werden musste.

Wales wartete geduldig auf seine Siegchance - die sich nie ergab

Bei seiner vermutlich letzten WM-Teilnahme hatte ihn Wales-Trainer Rob Page extra nochmal mit seinen langjährigen Weggefährten Aaron Ramsey, 31, und Joe Allen, 32, in die Startelf berufen, obwohl alle derzeit weit von ihrer Bestform entfernt sind. Vermutlich stand hinter ihrer Berücksichtigung der Dank für ihre Verdienste um die Mannschaft. Um sie herum entwickelte sich über die Jahre eine Auswahl, auf die das kleine Wales immerzu ziemlich stolz sein konnte. Nur im Fußball und Rugby tritt das Land ja getrennt von Großbritannien unter eigener Flagge an. Dieser Verantwortung schien Page gerecht werden zu wollen, indem er gegen England eine mutigere Herangehensweise als zuvor wählte - mit zwei Angreifern sowie Ausnahmekönner Bale als Unterstützung auf der rechten Offensivseite.

Trotz der Personalrochade war für Wales kaum etwas auszurichten - weder auf dem Spielfeld noch auf den Tribünen. Hier wie dort bestimmten die Engländer den Ton nach Belieben. Das Match verkam so zeitweise zu einer besseren Trainingseinheit, bei der Trainer Gareth Southgate den Ersatzspielern Foden und Rashford eine Bewährungsprobe in der Startelf einräumte: mit durchschlagendem Erfolg. Bis zu ihren Toren hatte Wales noch geduldig auf seine Siegchance gewartet - die sich jedoch nie ergab.

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