Süddeutsche Zeitung

Fußball-WM: Einzelkritik Südafrika:Bye-bye Bafana

34 Jahre nach dem Aufstand gegen die Apartheidpolitik sollte Bafana bafana das Land stolz machen. Doch nach dem 0:3 gegen Uruguay steht Südafrika vor dem Aus - und müssen die Fans ein Abschiedslied tröten. Die Einzelkritik.

Thomas Hummel, Pretoria

36 Jahre nach dem Aufstand im Township Soweto gegen die rassistische Apartheidpolitik sollte bafana bafana das Land stolz machen. Doch dann präsentieren sich Spaziergänger, Funkenmariechen und die Fans tröten nach dem 0:3 gegen Uruguay ein Abschiedslied. Südafrika in der Einzelkritik. Fans Bliesen sich mit den berüchtigten Vuvuzelas schon Stunden vor der Partie die Nervosität mit einer Wucht von der Seele, dass die Backsteine des ehrwürdigen Loftus-Versfeld-Stadion in Pretoria zitterten. Bliesen Uruguays Diego Forlan nach acht Minuten das Kleinhirn weich, als er zum Freistoß anlief, dass dieser nur in die Mauer schießen konnte. Verpassten nach 24 Minuten den Einsatz bei Forlans 0:1. Verpassten es danach auch, ihre zaghafte Mannschaft mit Sprechchören aufzubauen. Sondern spielten mit den Vuvuzelas das Abschiedslied für ihre Mannschaft. Versuchten ihr Glück noch einmal beim Elfmeter, aber da war Forlans Kleinhirn schon abgehärtet.

Itumeleng Khune Bleibt der Torwart mit dem genauesten Pass der WM. Das 0:1 durch Forlan flog zwar genau über seinen Kopf, der Ball hatte aber eine derart schiefe Bahn genommen, dass er wie ein Mehlsack unter die Latte plumpste und ihm nicht anzulasten ist. Geriet dann endgültig zum Pechvogel, als er zehn Minuten vor Schluss die Schlafmützigkeit seiner Vorderleute ausbaden musste, weil er in einen Zweikampf mit Luis Suarez musste. Er berührte ihn zwar nur mit dem großen Zeh, doch das reichte Schiedsrichter Busacca, um auf Elfmeter und rote Karte für Khune zu entscheiden.

Siboniso Gaxa Warf als Erster seine Handschuhe weg. Bis zur recht deutschen Geste des Ärmelaufkrempelns reichte es aber nicht. Versuchte es immerhin manchmal mit einem Vorstoß. Doch wie gesagt: Die Ärmel blieben unten. Vielleicht war es zu kalt.

Bongani Khumalo Wirkt bisweilen schüchtern wie Kaninchen, wenn er so über den Platz schlendert. Greift aber im Zweikampf ordentlich zu. Bester Abwehrspieler seiner Mannschaft, ohne ihn hätte Südafrika am Nationalfeiertag vielleicht noch höher und damit seinen Stolz verloren. Hatte einmal Glück, als Schiedsrichter Busacca bei einem kleinen Hakler gegen einen Uruguayer nur die Pfeife in den Mund nahm, aber dann doch nicht Elfmeter pfiff.

Aaron Mokoena Ging als Kapitän mit einer Brust vorneweg, die fast grotesk nach vorne gestreckt war. Hätte diese Brust anstatt seiner Schulter in das Schuss Forlans strecken sollen, dann hätte er den Ball sicher nicht unglücklich abgefälscht, sondern mit doppelter Geschwindigkeit Richtung gegnerisches Tor gelenkt.

Tsepo Masilela Spielte einen Außenverteidiger wie einst Thomas Schaaf in Bremen: ganz brav, nur kein Risiko, nichts falsch machen. Wuchs aber damit zum Sinnbild der verängstigenden bafana bafana. Sie hätten einen mutigen, sprintenden Linksverteidiger nötig gehabt. Vielleicht einen Roberto Carlos. Eines steht fest: Tsepo Masilela ist nicht Roberto Carlos. Aber auch kein Thomas Schaf - und so stand es am Ende 0:3-

Kagisho Dikgacoi Nationalfeiertag, Stolz - das sind große Worte, die bafana bafana überlastete. Kagisho Dikgacoi wäre einer gewesen, der es packen hätte können. Doch er musste zu viele Fehler seiner Mitspieler ausbügeln, zu viele Löcher zulaufen, zu viele Zweikämpfe führen.

Reneilwe Letsholonyane Sein langer Zopf flatterte zu Beginn im Mittelfeld umher, als könnte er den Aufstand gegen die etablierten Uruguayer anführen. Konnte das genau 24 Minuten lang, bis zum 0:1. War danach der einzige, der immerhin wollte, der immerhin attackierte, dessen Zopf immerhin flatterte. Wurde dennoch von Trainer Parreira für einen zweiten Stürmer geopfert.

Teko Modise Von vielen Fans verehrter Spielmacher und Spaßmacher auf dem Platz bei Orlando Pirates. "Put Teko in die middle" - "stell' Teko in die Mitte", das forderten viele, weil sie glaubten, Modise sei der beste bafana, der beste Junge. Zeigte aber wie schon gegen Mexiko, dass er zwar viel vorhat, aber das mit einer Geschwindigkeit und der Gedankenschnelle eines Regionalliga-Kickers. Ein Spaziergänger der seltenen Art, der nun wirklich niemanden stolz machen konnte.

Siphiwe Tshabalala Sang wie immer am lautesten im engen Spielereingang zum Innenraum, bevor die beiden Mannschaften auf den Rasen gingen. Hätte auf dem Platz laut schreien sollen, den Ball fordern, seine Mannschaft anführen sollen. Der beste Offensivspieler der bafana bafana, doch seine Mannschaft hätte mehr gebraucht als ein paar harmlose Dribblings.

Steven Pienaar Südafrika brauchte einen Anführer und Steven Pienaar sollte es sein. Der Mittelfeldspieler des FC Everton war diesmal mit dieser Rolle aber völlig überfordert. Ging nach der roten Karte für Torwart Khune vom Platz - zu spät.

Katlego Mphela Köpfte nach 42 Minuten einmal Richtung Tor. Und vergab damit die einzige Viertel-Chance der Südafrikaner vor der Halbzeit. Köpfte nach der Pause noch einmal, und vergab die einzige halbe Chance seiner Mannschaft des Spiels. Bekam einerseits keine Bälle, strahlte aber auch die Gefahr eines Funkenmariechens aus.

Surprise Muriri Sollte, naja, die Überraschung sein von Trainer Parreira. Kam nach 60 Minuten als längst überfällige zweite Spitze. Das nächste Funkenmariechen. Moneeb Josephs Wurde mit großem Hallo empfangen, besser gesagt mit großem Trööt. Sollte den Elfmeter gegen Forlan halten - was ihm aber nur fast gelang.

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