Fußball-WM:Die WM geht, der Kader bleibt

Nach der Weltmeisterschaft 1998 traten zahlreiche Spieler zurück, in diesem Jahr dürfte keiner den freiwilligen Rückzug antreten. Was bedeutet das für den künftigen Kader?

Johannes Aumüller und Jürgen Schmieder

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(Foto: ap)

Was war das für eine WM im Jahr 1998: "Dinosaurier" wurden die deutschen Spieler genannt, nach der Niederlage gegen Kroatien im Viertelfinale lästerten einige gar, dass diese Elf nun Aussterben könne. Rund ein Dutzend gehörte nach dem Turnier nicht mehr zum Kader der DFB-Elf. Wie wird es nach der WM 2010? Eine Analyse nach Positionen.

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Torwart Manuel Neuer ist nicht nur ein sehr guter Torwart, sondern auch ein sehr höflicher Mensch. Und deswegen hat er sich nach seinem tadellosen WM-Debütturnier nicht prahlend vor der Journaille versammelt und auf seinen Status als Nummer eins gepocht, sondern einfach geschwiegen. Er weiß ja auch so, dass er nach den bisherigen Leistungen gesetzt sein muss. René Adler ist ebenfalls nicht nur ein sehr guter Torwart, sondern ebenfalls auch ein sehr höflicher Mensch. Und deshalb sagte er nach dem Turnier: "Es würde nichts bringen, wenn ich sage: Ich hätte bei der WM gespielt und bin auch weiter die wahre Nummer eins. Man muss die Leistung von Manuel Neuer und der ganzen Mannschaft honorieren und respektieren. Ich werde keine Kampfansage über die Medien machen." Das kann ja nur gutgehen, wenn ein noch von Schumacher vs. Stein und Lehmann vs. Kahn gezeichnetes Land plötzliche zwei so vernünftige Schlussmänner hat. Vor allem, weil Fußball-Deutschland weiß: Sollten die beiden es mit ihrem für Torhüter nicht immer angebrachten Nettsein übertreiben, gibt es im Hintergrund ja noch Tim Wiese. Welche drei Torhüter mit zur EM 2012 fahren, scheint aber so sicher, dass es Joachim Löw gleich als erste Amtshandlung nach der Vertragsverlängerung verkünden könnte. aum

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(Foto: ag.ddp)

Innenverteidigung Wenn in Fußball-Deutschland noch alles so wie immer wäre, müssten sich jetzt Mats Hummels und Benedikt Höwedes freuen. Der junge Dortmunder und der junge Schalker haben eine überzeugende Saison hinter sich, viele Experten zählen sie zu den größten deutschen Defensivtalenten. Und normalerweise ist es nach einem großen Turnier so, dass alte Recken ausscheiden und junge Spieler mit einer überzeugenden Saison und großem Talent sich Hoffnungen auf einen Platz in der Nationalelf machen können. Doch in Fußball-Deutschland ist ja mittlerweile alles anders, und insofern dürfen sich Hummels und Höwedes auch nur bedingt freuen. Denn Per Mertesacker bleibt in der Nationalelf, der bei der WM überraschend starke Arne Friedrich trotz seiner 32 Jahre vorerst auch, die Ersatzmänner Serdar Tasci und Holger Badstuber ebenso, und dann sind da ja auch noch der vorübergehend nach links ausgewichene Jérôme Boateng sowie der verletzte und vom Bundestrainer geschätzte Heiko Westermann als defensive Allzweckkraft. Mehr als fünf Innenverteidiger braucht nicht mal Otto Rehhagel, weshalb es perspektivisch für Hummels und Höwedes eher schlecht aussieht. Wobei man nicht vergessen sollte: Nach der EM 2008 hat auch niemand damit gerechnet, dass Christoph Metzelder aus dem Kreis der Nationalelf verschwinden würde ... aum

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Außenverteidigung Solange das Klonen eines Menschen noch nicht praktikabel ist und Philipp Lahm somit zugleich als rechter wie als linker Außenverteidiger eingesetzt werden könnte, besteht hier wohl die größte Schwachstelle der deutschen Nationalmannschaft. Spielt Lahm links, hakt es rechts, und andersherum. Gute Chancen hat der Hamburger Dennis Aogo, der ja auch im Spiel um Platz drei als Linksverteidiger agierte, denn Badstuber, Boateng und Westermann sind allesamt gelernte Innenverteidiger und außen nur Aushilfskräfte, Marcell Jansen ist zu offensiv eingestellt und eher ein Kandidat für die Podolski-Verdrängung im linken offensiven Mittelfeld und an jungen Kräften drängen aus der Bundesliga höchstens Dennis Diekmeier und Marcel Schmelzer nach. Interessanterweise könnte mitentscheidend für die weiteren Planungen Bayern-Trainer Louis van Gaal sein. In München soll es die Überlegung geben, einen Rechtsverteidiger wie zum Beispiel den Niederländer Gregory van der Wiel zu verpflichten und Philipp Lahm wieder nach links zu ziehen - was die durchaus denkbare Folge hätte, dass Lahm auch in der Nationalelf wieder die Seiten wechseln könnte. Doch das ist alles Spekulation, und wahrscheinlich ist die einfachste Lösung die Sache mit dem Klonen. aum

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(Foto: ag.ddp)

Defensives Mittelfeld Das Alter und die Summe des Erreichten machen Michael Ballack theoretisch zu einem Rückzugskandiaten. Er ist 32 Jahre alt, hat in 98 Länderspielen 42 Tore erzielt, die DFB-Elf sowohl ins Finale einer WM und einer EM geführt - und es würde ihm niemand verdenken, würde er seine überaus erfolgreiche Karriere als reiner Vereinsfußballer ausklingen lassen. Doch Ballack betrachtet die EM 2012 als das Turnier, das er nun endlich gewinnen wird - und so wie er beim alten Bundestrainer Joachim Löw gesetzt war, dürfte er auch beim neuen Bundestrainer Joachim Löw einen Stammplatz sicher haben. Bastian Schweinsteiger hat sich bei dieser Weltmeisterschaft als einer der prägendsten Spieler weltweit präsentiert, nicht wenige forderten, ihn als besten Akteur des Turniers auszuzeichnen. Neben ihm hat sich Dauerläufer Sami Khedira etabliert und wird versuchen, sich diesen Platz zu sichern. Christian Träsch, der sich vor der WM verletzte, gilt ebenso als ambitionierter Kaderauffüller wie auch Simon Rolfes, der nach seiner Verletzung zurückkehren wird. Zudem hat Joachim Löw bereits verlauten lassen, dass er sich auch Toni Kroos im defensiven Mittelfeld vorstellen könnte. Doch danach eröffnet sich ein veritables Problem: Thomas Hitzlsperger sucht auf dem Weg von Lazio Rom zu West Ham United seine Form, der 21-jährige Philipp Bargfrede darf sich bei Werder Bremen in der kommenden Spielzeit bei Werder Bremen in der Champions League beweisen, der 19-jährige Ilkay Gündogan in Nürnberg. Aus diesem Grund sieht es derzeit so aus, als wäre im defensiven Mittelfeld die Hierarchie des Jahres 2010 auch die Hierarchie des Jahres 2012. jüsc

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(Foto: ag.ddp)

Offensives Mittelfeld Thomas Müller ist der Torschützenkönig der soeben beendenden Weltmeisterschaft und wurde zudem zum besten Nachwuchsspieler gewählt. Mesut Özil war einer der Entdeckungen des Turniers - und wäre er Argentinier, dann hätte ihn Diego Maradona längst zu seinem rechtmäßigen Nachfolger verklärt. Lukas Podolski kann auf eine ordentliche WM zurückblicken, er war unter dem alten Bundestrainer Joachim Löw gesetzt und dürfte auch beim neuen Bundestrainer Joachim Löw einen Stammplatz sicher haben. Hinter diesem jungen Trio lauern die noch jüngeren Toni Kroos und Marko Marin auf ihre Chance, beide haben in der kommenden Spielzeit bei ihren Vereinen Werder Bremen und dem FC Bayern die Gelegenheit, sich in der Champions League zu beweisen. Dazu gilt als gesichert, dass Piotr Trochowski in vier, spätestens aber in acht Jahren der große Durchbruch gelingen wird. Doch danach eröffnet sich ein veritables Problem: Kaum eine junge Offensivkraft drängt mit Verve in den Kader für die EM-Qualifikation. Kevin Großkreuz, 21, darf sich bei Borussia Dortmund ebenso weiter für die DFB-Elf empfehlen wie der 21-jährige Marco Reus in Gladbach und der 22-jährige Sidney Sam in Leverkusen. Aus diesem Grund sieht es derzeit so aus, als wäre im offensiven Mittelfeld die Hierarchie des Jahres 2010 auch die Hierarchie des Jahres 2012. jüsc

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(Foto: dpa)

Angriff Das Alter und die Summe des Erreichten machen Miroslav Klose theoretisch zu einem Rückzugskandiaten. Er ist gerade 32 Jahre alt geworden, hat 52 Tore in 101 Länderspielen erzielt - darunter 14 bei WM-Turnieren - und es würde ihm niemand verdenken, würde er seine überaus erfolgreiche Karriere als reiner Vereinsfußballer ausklingen lassen. Doch Klose betrachtet die EM 2012 qua Geburt als Turnier im eigenen Land, das er gerne noch spielen würde - und so wie er beim alten Bundestrainer Joachim Löw gesetzt war, dürfte er auch beim neuen Bundestrainer Joachim Löw einen Stammplatz sicher haben. Mario Gomez, 25, betrachtet sich per Eigendefinition als erster Herausforderer und Thronfolger, doch war bei ihm in den vergangenen Monaten eher ein Rückschritt in der Entwicklung festzustellen. Cacau und Stefan Kießling sind ambitionierte Kaderauffüller, auch der nach zahlreichen Verletzungen genesene Patrick Helmes darf sich Hoffnungen machen, den Kader der Zukunft zu komplettieren. Bei ihm gilt als gesichert, dass ihm in vier, spätestens aber in acht Jahren der große Durchbruch gelingen wird. Doch danach eröffnet sich ein veritables Problem: Kaum ein junger Angreifer drängt mit Verve in den Kader für die EM-Qualifikation. Die Stürmer, die in den Jugendmannschaften des DFB glänzen, agieren derzeit in Nürnberg (Julian Schieber), in Mainz (André Schürrle) und auf St. Pauli (Richard Sukuta-Pasu), sie müssen ihre Tauglichkeit für die Nationalelf nun erst unter Beweis stellen. Aus diesem Grund sieht es derzeit so aus, als wäre im Sturm die Hierarchie des Jahres 2010 auch die Hierarchie des Jahres 2012. jüsc

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