Fußball-WM:Die Bundesliga ist entzaubert

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Gomez, Müller, Neuer: Die besten Spieler der Bundesliga sind bei der WM fast alle in der Vorrunde ausgeschieden. (Foto: dpa)

Der Bundesliga-Anteil am WM-Endspiel ist so bescheiden, dass niemand mehr auf die Idee kommt, sie als "Liga der Weltmeister" zu bezeichnen. Der deutsche Fußball ist ganz schön hintendran.

Kommentar von Philipp Selldorf

Es wird wohl nicht passieren, dass in der nächsten Woche Benjamin Pavard, Corentin Tolisso, Ante Rebic, Andrej Kramaric und Tin Jedvaj zum Empfang in den Frankfurter Römer gebeten und vom Balkon zu den Fans winken werden, aber dass ihnen die Dankbarkeit der Deutschen zuteil wird, dessen dürfen sie sicher sein. Durch Pavard, Rebic & Co hat auch die Bundesliga ihren Anteil am größten Spiel des Jahres, allerdings ist es ein so bescheidener Anteil, dass niemand mehr auf die Idee kommen wird, die Bundesliga noch länger als "Liga der Weltmeister" zu bezeichnen.

Nach dem Sieg in Rio vor vier Jahren kam die Frage auf, wie die Liga von dem Titelgewinn profitieren werde, und es ergab sich unter etlichen Beteiligten das zufriedene Meinungsbild, dass dies angesichts der unentwegt steigenden Umsätze und des gigantischen Publikumsinteresses sowie des "außergewöhnlichen Pools an Talenten" (Jürgen Klopp) kaum mehr möglich sei. Dies war noch nicht der alte Slogan, dass man nun auf Jahre hinaus unschlagbar sein werde. Aber er ging in die gleiche falsche Richtung.

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Bundestrainer Löw müsse den Egoismus seiner Nationalspieler zähmen, sagt Philipp Lahm. Dabei war er früher selbst Anhänger flacher Hierarchien. Seine Analyse wirkt selbstgefällig - aber es lohnt, sich mit ihr zu befassen.

Von Martin Schneider

Die deutsche Oberklasse leidet an Prominentenschwund

Um den längst stillschweigend entsorgten Weltmeisterliga-PR-Spruch ist es nicht schade, PR-Sprüche sind beim deutschen Fußballvolk zurzeit ohnehin nicht willkommen, doch noch weniger kann es die Leute erfreuen, dass es jetzt streng genommen einen neuen Wahlspruch geben müsste. Er lautet: "Liga ohne Stars". Zwar ist es für das Wohl der Liga nicht so bedeutend, wie stark ihre Beteiligung am Finalspiel ist, allerdings geben die beiden weit überwiegend aus Wanderarbeitern bestehenden Mannschaften ein reelles und bedenkliches Bild von den Verhältnissen beim Vergleich der europäischen Ligen: Spaniens Primera División stellt die meisten Finalisten, es folgen die englische Premier League und dank der Kroaten Mandzukic, Perisic und Brozovic die italienische Serie A. Ab dem Viertelfinale war bloß noch ein Dutzend in Deutschland spielender Profis im Turnier verblieben. Erste Diagnose: Die deutsche Oberklasse leidet an akutem Prominentenschwund.

An dieses Gefühl des Hintendranseins hat sich die Bundesliga im Europacup längst gewöhnt, von der ewigen Ausnahme FC Bayern abgesehen. Rückblickend hat sich die Warnung, die der Chef der Deutschen Fußball-Liga (DFL), Christian Seifert, im Januar bei seiner Neujahrsrede ausgesprochen hatte, als eine Prophezeiung von mosaischer Wucht erwiesen. 2017 sei ein vertanes Jahr gewesen, hatte Seifert gesagt und anhand der Ursachen und der Folgen einen allgemeinen Abstiegsprozess beschrieben: Status-quo-Denken, Selbstbezogenheit und Ambitionslosigkeit führten die Liga in die internationale Zweitklassigkeit und im nächsten Schritt in die Bedeutungslosigkeit - "mit allen Konsequenzen für das System Fußball in Deutschland".

Dieses System funktioniert nach wie vor, die Bundesliga wird auch in der kommenden Saison boomen, aber der Boom ist im Kern ein Provinz-Phänomen. Volle Stadien in Frankfurt, Stuttgart, Gelsenkirchen, Dortmund etc. sind Ausdruck einer lebendigen Vereinskultur, der eines Wettbewerbs auf (europäischem) Elite-Niveau hingegen weniger. Schon klar: Die Märkte sind verrückt und die Preise irrwitzig, aber die Transfers dieses Sommers deuten kein Aufbäumen der Liga gegen die internationale Konkurrenz an.

Borussia Dortmund etwa hat seine Verstärkungen quasi vor der Haustür eingesammelt. Nichts gegen Thomas Delaney, Abdou Diallo oder Marius Wolf, aber spielten beim BVB nicht neulich noch Pierre-Emerick Aubameyang und Ousmane Dembélé? Selbst die Bayern bleiben genügsam und bedienen sich im Inland. Sollten sie sich noch zur Übernahme von Pavard (und womöglich Rebic) entschließen, wäre das fast ein Akt der Barmherzigkeit gegenüber der entzauberten Liga.

© SZ vom 14.07.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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