WM in Frankreich:Der deutschen Mannschaft fehlt ihre Beste

Frauenfußball-WM - Deutschland - China

Das Sprunggelenk von Dzsenifer Marozsan macht vor dem Spiel gegen Spanien noch Sorgen.

(Foto: dpa)
  • Die deutsche Mannschaft geht nach dem Auftaktsieg über China angeschlagen in das Schlüsselspiel gegen Spanien.
  • Regisseurin Dzsenifer Marozsan ist am Knöchel verletzt und kann am Mittwoch nicht eingesetzt werden.

Von Anna Dreher, Lille

Das Wetter bei dieser Weltmeisterschaft in Frankreich ist bisher eher launisch. Manchmal schaut die Sonne zwischen den voluminösen Wolken hervor, zwischendurch hatte sie auch mal Lust, den ganzen Himmel mit ihrem Strahlen einzunehmen, aber sehr oft haben sich wieder die Regenwolken durchgesetzt und dann alles von sich gegeben, was sie konnten. Zumindest in der Bretagne war das so, wo die deutsche Fußballnationalmannschaft der Frauen noch bis Sonntag ein Hotel in der Nähe von Rennes bezogen hatte. Es ist jedenfalls nicht derart hochsommerlich heiß gewesen, als dass der Gedanke aufkäme: Ach komm, heute mal luftige Schlappen! Dem Fuß von Dzsenifer Marozsán jedoch tat Freiraum gut.

Im Auftaktspiel der Deutschen gegen China waren am Samstagnachmittag gerade einmal zwölf Minuten gespielt, als die 27-Jährige die oft grenzwertige Zweikampfhärte der Chinesinnen zu spüren bekam. Ihr Schrei war bis auf die oberen Tribünenplätze des Stadions Roazhon Park zu hören, Marozsán krümmte sich mit schmerzverzerrtem Gesicht auf dem Boden, hielt sich den linken Knöchel und brauchte eine Weile, bis sie wieder vorsichtig auftreten konnte. Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg beobachtete die Szene mit besorgtem Blick. Marozsán war derart hart attackiert worden, dass sie die folgenden, mit Nachspielzeit immerhin noch 85 Minuten beim 1:0-Sieg durch ein Tor von Giulia Gwinn nicht mehr wirklich zur Entfaltung kam. Dabei hätte sie mit ihrer herausragenden Spielgestaltung einen Unterschied machen können. Ihre fußballerischen Fähigkeiten waren ja auch Grund dafür, dass sie mit Olympique Lyon diese Saison das Triple gewonnen hatte und dazu zum dritten Mal nacheinander die Wahl zu Frankreichs bester Spielerin der ersten Liga. Den Chinesinnen schien das ein zusätzlicher Ansporn zu sein.

Während die deutsche Mannschaft offensiv stark begann, suchte Chinas Team nach seiner Form, die es dann mit fragwürdigen Mitteln fand. Auf Fernsehbildern ist zu sehen, wie Chinas Nationaltrainer Jia Xiuquan nach den ersten Minuten seinen Spielerinnen ein Signal gibt: Er ballt die eine Hand zur Faust und schlägt sich damit vor der Brust mehrfach in die flache andere Hand. Dann ging das Getrete los. "Es gibt eigentlich kaum eine Spielerin, die ohne Blessuren vom Platz gegangen ist. Fast alles sind Sprunggelenks-Geschichten", sagte Voss-Tecklenburg nach dem Spiel. "Bei Dzsenifer Marozsán müssen wir abwarten, was bei genaueren Untersuchungen rauskommt. Der Fuß sah nicht gut aus bei ihr." Sie wirkte ernsthaft besorgt, ob die Nummer 10 zum Gruppenspiel gegen Spanien am Mittwoch in Valenciennes (18 Uhr, ZDF) fit werden könne.

Gelingt der Gruppensieg, könnte das DFB-Team ein frühes Duell gegen die USA vermeiden

Am Sonntagvormittag, als die Mannschaft das Gleis zum Zug entlanglief, gab es noch Hoffnung, dass die Blessur nicht allzu schwerwiegend ist. Es war nicht wirklich zu erkennen gewesen, ob Marozsáns Knöchel geschwollen oder verfärbt war, was aber auch daran liegt, dass ihr linker Fuß von einem ihrer zahlreichen Tattoos verziert wird. Eisbeutel oder Verband trug sie in ihren weißen Badeschlappen nicht. Am Abend zuvor sei sie im Krankenhaus untersucht worden, hieß es. Am Dienstagmorgen wurde dann allerdings die Befürchtung von Bundestrainerin Voss-Tecklenburg bestätigt: Marozsán fällt aus - wenn auch nicht das Sprunggelenk der Grund dafür ist. "Sie hat einen Zehenbruch. Das bedeutet, dass wir in der Vorrunde nicht mehr auf sie zurückgreifen können", sagte Bundestrainerin Voss-Tecklenburg. Der deutschen Mannschaft fehlt damit ihre Gestalterin. Marozsán ist mit ihrer feinen Technik, der guten Übersicht im Spielaufbau, überraschenden und gleichzeitig sehr präzisen Pässen sowie ihren Ecken und Flanken kaum zu ersetzen.

Es ist ein gravierender Ausfall für das DFB-Team, die Liste der deutlich Geschundenen war nach dem Spiel gegen China aber wesentlich länger. Carolin Simon zum Beispiel bekam von gegnerischen Stollen nicht nur einmal ein Muster auf den Fußrücken und auch mal auf den Oberschenkel verpasst, auch wenn der Ball gar nicht in der Nähe der Außenverteidigerin war. Svenja Huth wurde bei ihren Bemühungen, sich aufs Tor der Chinesinnen zu bewegen, rabiat gehalten und gezogen. Und Kapitänin Alexandra Popp bekam so häufig etwas ab, dass sie sich in der zweiten Hälfte vor einer Gegnerin aufbaute und diese wütend schubste. Zuvor hatte sie bereits am Fuß behandelt werden müssen, nachdem sie nach einem Kopfball mit Chinas Torfrau zusammengestoßen und unglücklich aufgekommen war. Bei Popp und der am Oberschenkel und an der Hand behandelten Torhüterin Almuth Schult gab es jedoch Entwarnung. "Wenn wir alle gesund kriegen, und das sieht gut aus, freuen wir uns schon auf Spanien", sagte Grolimund. Das klang optimistisch.

Unter dem Druck der Chinesinnen - aber auch ohne Bedrängnis - unterliefen den DFB-Frauen einige Fehler, teils gravierend und gefährlich, vor allem in der Defensive.

Dass Spanien weniger Wert auf die Zerstörung des gegnerischen, sondern mehr auf den Aufbau des eigenen Spiels legt, könnte der deutschen Mannschaft entgegenkommen. Der Stil der spanischen Frauen gleicht jenem der Männer: intensives Kurzpassspiel bei hoher spielerischer Qualität mit dem Versuch, schnell zum Abschluss kommen. In der Qualifikation klappte das gut bei der Mannschaft von Jorge Vilda, dessen Vater Ángel in den Neunzigerjahren unter Johan Cruyff Fitnesscoach des FC Barcelona war. Gegen Südafrika im ersten Gruppenspiel aber hatte die Auswahl Probleme: Aus ihrem Ballbesitz konnten die Spanierinnen keine klaren Chancen herausarbeiten und waren anfällig für Konter. Nach dem 0:1-Rückstand verhalf auch ein umstrittener Elfmeter zum 3:1-Sieg. Spanien führt nun die Gruppe B an.

Gewinnt Deutschland am Mittwoch, käme die Mannschaft in eine sehr gute Position für das Achtelfinale: Als Gruppenerster würde sie dem Favoriten USA dann voraussichtlich aus dem Weg gehen können.

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