Fußball-WM: Deutsche Elf:Das neue und das alte Deutschland

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Rudi Völler, Gerd Müller und Uwe Seeler besuchen die deutsche Elf - es ist nicht nur ein Treffen der Generationen, sondern auch der Philosophien.

Thomas Hummel, Erasmia

An dieser sehr abgelegenen, sehr staubigen Straßenkreuzung wartete ein Paar auf eine Mitfahrgelegenheit. Auf südafrikanischen Landstraßen und selbst an Autobahnen stehen häufiger verloren wirkende Menschen am Rand und sehnen sich ein haltendes Auto herbei. Doch hier, ein paar Kilometer vor dem Ort Erasmia, schien das Unterfangen besonders aussichtslos. Sie interessierte nicht, dass nur zwei Kurven weiter die momentan schickste Nummer im Weltfußball ihr Quartier hat, sie wussten nicht einmal davon. Sie hatten andere Sorgen.

Zwei Helden von einst bei den Spielern von heute: Uwe Seeler (re.) und Gerd Müller besuchen die deutsche Elf. (Foto: AFP)

Das Hotel Velmore Grande macht in diesen Tagen auf dieser Landstraße mehr denn je den Eindruck, wie ein Eisstadion in der Wüste. Nach der Fahrt über diese staubige, unbefestigte Straße mit ihren einsamen Menschen am Rand, glitzern plötzlich in der Ferne weiße Fahrzeuge am Rand, eine deutsche Fahne weht im Wind. "Wir leben hier in unserer eigenen Welt", sagt Harald Stenger, Pressesprecher des Deutschen Fußball-Bundes (DFB). Vielleicht passte dieser Ausspruch noch nie besser zu einer Welt, wie zu jener der deutschen Nationalmannschaft im Hotel Velmore Grande.

Hinter diesen Hotelmauern wohnt also jene deutsche Mannschaft, die von der Fußballwelt nach ihrem ersten WM-Auftritt gegen Australien fast hymnisch besungen wird. Wie eine jungenhafte Göttergruppe. Die internationalen Blätter schrieben von Lebenslust und Mut, von phantastischem Fußball und der zerknirschten Erkenntnis, dass es tatsächlich Spaß mache, diesen Deutschen zuzuschauen. Die Komplimente gipfelten in dem Kommentar der englischen Times: "Es waren die Deutschen, aber nicht, wie wir sie kennen."

Nun traf es sich, dass sich in dieser südafrikanischen Steppe das bekannte Deutschland einfand. Das Deutschland, das bis auf wenige Ausnahmen seit Jahrzehnten mit eben "deutschen" Tugenden assoziiert wird: Arbeit, Fleiß, Disziplin, Effizienz und der Fähigkeit, schlecht zu spielen und trotzdem zu gewinnen. Rudi Völler, Gerd Müller und Uwe Seeler waren zu Gast .

Nun sind vielleicht nicht gerade die drei Stürmerlegenden verantwortlich zu machen für den Ruf, der den Deutschen vorauseilt. Aber doch zumindest die Mannschaften, in denen sie spielten. Sieben Mal stand Deutschland bislang in einem WM-Finale, doch von 1974 und 1990 einmal abgesehen kann niemand behaupten, dass die DFB-Teams klar zu den besten zwei Mannschaften gehörten. Stattdessen klagte die Welt stets über die erbarmungslosen Kraftteutonen.

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Die Stimmen zum Spiel

Völler, Müller und Seeler standen auf einer Bühne des Velmore-Hotels und brachten einen Sponsorentermin hinter sich, während auf der anderen Bühnenseite Thomas Müller und Lukas Podolski dazukamen. Vergangenheit und Zukunft des deutschen Fußballs trafen da aufeinander und tauschten fleißig Komplimente aus. Dabei mussten die Alten immer wieder die Frage beantworten, ob sie denn nun beeindruckt seien von dem Antlitz des neuen Deutschlands? Bis Uwe Seeler zumindest eine Gemeinsamkeit einfiel: "Wir Deutschen haben die Eigenschaft, dass, wenn wir das Eckige sehen, wir das das Ding auch reinhauen."

Gegenwart und Zukunft des deutschen Fußballs: Lukas Podolski und Thomas Müller (Foto: ap)

Da konnten auch Thomas Müller und Lukas Podolski nur zustimmend nicken. Doch außer der geballten Kompetenz an "Dingreinhauen" stellt sich dem alten Deutschland die Frage, ob die neue DFB-Elf auf dem Weg zur Hollandisierung ist. "Wenn man zweimal gewinnt und dann aufhört, kann es gefährlich werden", warnte Seeler, das sehe man ja immer an den Holländern, die anfangs zwar immer gut spielten aber dann schnell ausschieden. Mit fast erhobenen Zeigefinger fügte der Hamburger an: "Es läuft nichts von selbst."

Muss man sich nun um die jungen Müller, Podolski, Özil, Khedira sorgen wegen ihres phasenweise fulminanten Auftakts in Durban? Zumindest verbal zeigten sie sich als würdige Nachfolger ihrer drei Nachbarn. Seeler betonte: "Das nächste Spiel ist immer das schwerste." Thomas Müller betonte, die nächste Partie gegen Serbien am Freitag (13.30 Uhr) "wird ein gefährliches Spiel, ein enges Ding".

Völler warnte, die Mannschaft müsse das 4:0 gegen Australien "vernünftig einordnen, es kommen bessere Mannschaften". Bundestrainer Joachim Löw warnte: "Jetzt kommen Mannschaften, die stärker sind, auch individuell besser besetzt. Deshalb ist es wichtig, die Dinge richtig einzuordnen."

Das neue Deutschland hat also das alte nicht vergessen. Und Uwe Seeler gab noch einen letzten Rat: Deutsche Tugenden? "Das sind die wichtigsten überhaupt, darum beneiden uns alle."

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