Fußball-WM 2011:Der Reiz des Spiels

Auch nach dem Scheitern der deutschen Elf begeisterten sich die Menschen für diese Frauen-WM. Die Frage lautet: Warum interessieren sich die Leute für Begegnungen zwischen Frauen, die vor ein paar Wochen noch niemand kannte? Am Ende waren es die Fußballerinnen, die bewiesen haben, dass sie Respekt verdienen.

Holger Gertz

Sogar Experten wundern sich über die Einschaltquoten bei der gerade zu Ende gegangenen Frauenfußball-Weltmeisterschaft. 17 Millionen Zuschauer bei den Spielen der deutschen Nationalmannschaft, Spitzenwerte auch bei den Matches der Brasilianerinnen und Französinnen.

Frauen WM 2011 Ökvist

Intensiv und spannend war auch das Spiel um Platz drei: Josefine Öqvist foult die Französin Sonia Bompastor. Die Schwedin wird vom Platz gestellt.

(Foto: imago sportfotodienst)

Die Frage ist: Warum interessieren sich die Leute für Begegnungen zwischen Frauen, die vor ein paar Wochen noch niemand kannte? Voyeuristische Interessen sind nicht bedient worden, den von Männern in Internetforen geforderten Trikottausch nach dem Abpfiff gab es nicht zu sehen.

Ist es der Eventcharakter, der den Einzelnen dazu zwingt, Teil der Masse zu werden? Das Argument würde greifen, wenn sich die Fans beim Public Viewing versammelt hätten. Sie haben sich die Spiele aber eher zu Hause im Wohnzimmer angeschaut, selbst nach dem Viertelfinal-Aus der Deutschen ist das Interesse nicht eingebrochen. Auch darüber wundern sich die Experten.

Der Reiz liegt im Spiel selbst. Fußball zu schauen, das bedeutet immer auch, in die Seele des Sportlers hineinzusehen. Wie geht einer um mit den eigenen Erwartungen und denen des vieltausendköpfigen Monsters namens Publikum? Hilft ihm die Erfahrung, seine Nervosität in den Griff zu kriegen? Scheitert er an seiner Angst?

Gerade für Zuschauer, die sich in den taktischen Finessen nicht auskennen, liefert ein WM-Spiel - also eines, bei dem es um etwas geht - viele Gelegenheiten, mit den Fußballern und Fußballerinnen zu leiden, oder mit ihnen erleichtert zu sein.

Man erinnert sich nach einem Turnier manchmal nur an Momentaufnahmen, an die Verzweiflung des Italieners Totò Schillaci 1990 zum Beispiel. Das zugehörige Spiel ist längst vergessen, aber seine runden Augen starren, in der Erinnerung, noch immer fassungslos aus seinem Clownsgesicht.

Auch Frauenspiele auf hohem Niveau liefern diese Momente. Der Blick der Amerikanerin Shannon Boxx, in Großaufnahme vor ihrem Elfmeter gegen Brasilien: "Ich schaffe es nicht, ich schaffe es nicht", sagte der Blick. Die geschlagenen deutschen Frauen, wie sie nach der Niederlage im Viertelfinale um den Rasen schleichen, halb verborgen hinter einem Transparent, auf dem sie sich für die Unterstützung des Publikums bedanken.

Schließlich die Japanerin Homare Sawa, "Königin Sawa", stand in den Zeitungen. Eine Ausnahmeerscheinung, die einzige Langhaarige im Team. Die meisten Zuschauer haben den Namen der Torschützin im Spiel gegen Deutschland schon wieder vergessen. Aber Sawas maßgenaue Vorlage zu diesem Treffer ist, beinahe jedenfalls, ein Bild für die Ewigkeit.

Die Serben haben was verpasst

Nur wer bereit ist, den Frauenfußball einigermaßen ernst zu nehmen, wird den Fußballerinnen ihre Freude oder Enttäuschung glauben. Viele Männer haben sich damit schwergetan. Sie sind zwar bereit, die Leistung einer Sprinterin anzuerkennen, auch wenn sie langsamer rennt als der Sprinter.

Der Fußballplatz aber ist das Terrain des Mannes, wie früher der Urwald, in dem er dem Mammut hinterhergestiegen ist. Die Männer haben sich darüber aufgeregt, dass die Französin Louisa Necib "La Zidanette" genannt wird; es sei anmaßend, sich mit dem König der Könige zu vergleichen. Dabei hat sie, wie Zinédine Zidane, algerische Wurzeln, sie hat wie er in Hinterhöfen gekickt und dabei gelernt, den Ball zu dressieren wie einen Hund.

Allerdings gefiel dieser Spitzname auch den Frauen nicht, jeder Vergleich des Frauenfußballs mit dem der Männer kam ihnen chauvinistisch vor. Sie schrieben wütende Briefe, wenn man das Gebiss der guineischen Stürmerin Genoveva Anonma mit dem des Kameruners Roger Milla verglich und dabei zu der Erkenntnis kam, dass sich Fußballerin und Fußballer nicht nur zahnlückentechnisch nähergekommen sind.

Bei Anlässen wie diesen wird von Skeptikern gern der Vorwurf formuliert, alles sei Resultat eines medialen Hypes. Richtig ist, dass das Fernsehen alle Spiele übertragen und viel Werbung gemacht hat, aber es hat immerhin darauf verzichtet, Waldemar Hartmann oder Ralph Morgenstern einen Platz im Programm einzuräumen, den Meistern des Männerwitzes.

Es hat auch die Nachrichtensendungen nicht umsortiert wegen der WM. Verglichen mit dem Deutschland-sucht-den-Superstar-Krawall bei RTL oder vielen Promi-Geschichten in Bild, war die WM weit weg von einem Medienhype.

Am Ende waren es die Fußballerinnen, die bewiesen haben, dass sie Respekt verdienen. Im kleinen Finale sind sich die Schwedin Josefine Öqvist und die Französin Sonia Bompastor auf die Knochen gestiegen, "La Zidanette" musste verletzt raus, eine schwedische Stürmerin hat mit einem brachialen Tor gezeigt, dass auch bei den Frauen der Name Programm ist: die Stürmerin heißt Maria Hammarström. Der Reiz lag im Spiel.

Nicht nur die Deutschen haben sich für den Frauenfußball erwärmt, in Frankreich war das Turnier Thema auf der ersten Seite der L'Équipe, das hatte es vorher auch nicht gegeben. In den Macho-Ländern wie Serbien stand dagegen keine Zeile in der Zeitung, es kam auch nichts im Fernsehen.

Natürlich bleibt der Umgang mit Frauenfußball eine innerserbische Angelegenheit, aber man kann sagen: Sie haben was verpasst.

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