Fußball-WM der Frauen:Titel verteidigt - Mission erfüllt

Bei der Frauen-WM gewinnt Deutschland 2:0 in einem Prickel-Finale gegen Brasilien. Die Mannschaft von Trainerin Silvia Neid kassierte während des gesamten Turniers keinen Gegentreffer. Nicht nur das ist unglaublich. Von Kathrin Steinbichler

Sie mussten lange warten nach dem Abpfiff. 2:0 (0:0) hatten die deutschen Fußballfrauen das WM-Finale gegen Brasilien gewonnen, Birgit Prinz (52.)und Simone Laudehr (86.) hatten die Treffer besorgt, und damit hatten die Deutschen ihren Titel von 2003 verteidigt. Nun standen sie auf dem Feld, Musik dröhnte, und allerlei Ehrungen wurden vorgenommen.

Frauen; Fußball; WM

Die deutschen Fußball-Frauen im Siegestaumel

(Foto: Foto: ddp)

Am Spielfeldrand sprachen die angereisten deutschen Politiker salbungsvoll in einige Mikrofone, die Zeit - sie verging. Und dann endlich, als alle anderen Ehrungen abgeschlossen waren, um 16.16 Uhr deutscher Zeit, durfte Birgit Prinz den WM-Pokal entgegennehmen. Sie stemmte ihn in die Höhe, Konfetti strömte aus Kanonen, und aus den Lautsprechern des Stadions tönte die unvermeidliche Hymne ,,We are the champions'' der Rockband Queen: ,,We are the champions, no time for losers'', wir sind die Meister, keine Zeit für Verlierer.

Die Brasilianerinnen, für die nun niemand mehr Zeit hatte, sahen dem Spektakel zu, manche weinten. Sie hatten besser gespielt, aber keine Tore erzielt. Niemand hatte in diesem Turnier ein Tor gegen die Deutschen erzielt.

Das lag an der deutschen Abwehr, das lag aber vor allem an Nadine Angerer, die zur besten Torhüterin des Turniers gewählt wurde. Als sie 50 Minuten vor dem Anpfiff des Finales in Schanghai auf den Rasen ging, spielte die Stadionregie gerade Herbert Grönemeyers englische Version des WM-Lieds von 2006 ein. Ganz in sich gekehrt begann die 28-Jährige, sich mit dem Ball warm zu machen, den Kopf gesenkt, für nichts einen Blick.

Sie konnte da noch nicht wissen, dass sie eine entscheidende Rolle in diesem Finale spielen würde, dass sie es tatsächlich schaffen würde, das gesamte Turnier ohne Gegentreffer zu bestreiten. Zu Null. Von Anfang bis Ende zu Null, und auch ein Elfmeter von Brasiliens überragender Weltfußballerin Marta konnte daran nichts ändern. Doch der Reihe nach.

Schon vor Spielbeginn stand der geschwungene, goldene WM-Pokal vor dem Kabinenaufgang des mit 31.000 Zuschauern ausverkauften Hongkou Football Stadions, von denen einige immer wieder ,,Steht auf, wenn ihr für Deutschland seid'' sangen und eine La Ola nach der anderen durchs Rund jagten. Ein seltsamer Auflauf auf der Platzseite der Brasilianerinnen begann.

Minutenlang fotografierten sich die Ersatzspielerinnen Brasiliens mit ihren Digitalkameras vor der goldenen Trophäe des Weltmeisters. Es sollte die einzige Begegnung mit dem Pokal bleiben, auch wenn die Südamerikanerinnen in der ersten Halbzeit die Deutschen mit enormem Tempo und tollen Kombinationen fast ausschließlich in die Defensive drängten.

Es war reines Glück für den Titelverteidiger, dass er ohne Gegentor in die Halbzeit flüchten durfte. In der 52. Minute entfaltete sich dann wieder so ein deutscher Moment: Obwohl Brasilien weit mehr Torchancen aufzuweisen hatte, gingen die Deutschen in Führung. Kerstin Stegemann, am Vortag noch mit einer Geburtstagstorte bedacht, passte scharf und lang auf Sandra Smisek, die nach einer Körperdrehung zur heranstürmenden Birgit Prinz passte.

Und Prinz tat, was sie auszeichnet: Sie bewahrte die Ruhe und schloss hart und trocken zum 1:0 ab (52.). Es war erneut ein Tor fast aus dem Nichts, und das ist im Lauf des Turniers so etwas wie die Spezialität der Deutschen geworden. Lauern, schauen und dann plötzlich zuschlagen.

Zehn Minuten später sah es so aus, als werde die Führung nicht mehr lange Bestand haben. Schiedsrichterin Tammy Ogston, die schon das Eröffnungsspiel der Deutschen gepfiffen hatte, entschied nach einem Foul von Linda Bresonik an Cristiane zurecht auf Elfmeter. Marta trat für Brasilien an.

Der entscheidende Moment

Sie war bis dahin die beste Fußballerin auf dem Platz, und später wurde sie zur besten Spielerin dieses Turniers gewählt und als beste Torschützin mit insgesamt sieben Treffern ausgezeichnet. Nun lag es an ihr, sie lief an, sie schoss nach links unten, allerdings nicht allzu platziert, und Torfrau Nadine Angerer tauchte nach unten - und wehrte den Ball ab. Es war der entscheidende Moment dieses Finales.

In der Folge standen die Deutschen tief in der eigenen Hälfte und machten es den Brasilianerinnen schwer, ein geordnetes Angriffsspiel aufzuziehen. Geschickt drängten sie die Südamerikanerinnen immer wieder nach außen ab. Das war keine besonders schöne Spielweise, aber eine eminent effektive, denn den Brasilianerinnen fiel immer weniger ein gegen den starken Deckungsverbund.

,,Wir konnten hier nicht schön spielen'', sagte Bundestrainerin Silvia Neid nach der Partie, ,,wir mussten uns darauf beschränken, deren Spielfreude kaputt zu machen.'' Und dann setzten sie noch eins drauf: Eine Ecke von Renate Lingor nutzte Simone Laudehr per Kopf zum entscheidenden 2:0. ,,Egal ob es ein schönes Spiel war, es ist schön, Weltmeister zu sein'', sagte Neid lächelnd.

Die deutschen Spielerinnen streiften sich dann T-Shirts über, die sie als Weltmeister auswiesen. Was wohl mit den T-Shirts bei einer Niederlage geschehen wäre? Diese Frage stellt sich nun nicht mehr, und die Spielerinnen freuten sich bereits auf dem Heimflug nach Frankfurt, wo ihnen am Montagabend auf dem Römer ein rauschender Empfang bereitet werden soll.

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