Fußball-WM der Frauen:Golden Oranje

Netherlands v Japan: Round Of 16  - 2019 FIFA Women's World Cup France

Lieke Martens (links) jubelt mit ihren Teamkolleginnen über einen Treffer.

(Foto: Getty Images)
  • Die Auswahl der Niederlande will nach dem Sieg bei der Heim-EM 2017 nun auch ins WM-Finale einziehen.
  • Am Mittwochabend steht die Partie gegen Schweden an.
  • Lieke Martens vom FC Barcelona ist angeschlagen, will aber trotzdem spielen.

Von Anna Dreher, Lyon

Nun hat also auch die Niederlande einen Zeh, der sie beschäftigt und beunruhigt. Lieke Martens, 26, hätte gerne darauf verzichtet, dass es ihr Zeh ist, über den sich so viele unterhalten. Die Nationalspielerin vom FC Barcelona gehört zu den europäischen Stars im Frauenfußball. Über sie wird ohnehin ständig gesprochen, da hätte es dieses Problem am linken Fuß nun wirklich nicht gebraucht. Aber der Zeh ist lädiert, seit längerer Zeit.

Und so wie der deutschen Nationalmannschaft durch den Zehenbruch von Spielmacherin Dzsenifer Marozsán bis zum Aus im WM-Viertelfinale eine entscheidende Kraft fehlte, tut der Zeh von Martens dem gesamten niederländischen Team weh, auch wenn sie bisher trotzdem eingesetzt werden konnte. "Es ist etwas sehr Kleines, fast Albernes, aber das kann manchmal sehr weh tun", wurde Martens dazu zitiert.

Beim Jubeln auf den Zeh gehüpft

Am Dienstag vergangener Woche spielten die Niederlande in Rennes das Achtelfinale gegen Japan (2:1). Es war ein schnelles Spiel mit vielen guten Aktionen und Chancen. Japan wirbelte technisch fein, die Niederlande hielt dagegen, leidenschaftlich angefeuert von den Oranje-Fans, die im Roazhon Park ihrem Ruf gerecht wurden, zu den lautesten Stimmungsmachern des Turniers zu gehören. Es stand 1:1, dann die 90. Minute: Handelfmeter Martens, ihr zweites Tor des Spiels, Abpfiff, Viertelfinale. Die Freude darüber war bei Teamkollegin Jill Roord so groß, dass sie mit Martens hüpfte - und ungeschickt auf deren rechten, bis dahin unverletzten Fuß sprang.

Mit Schmerzen in beiden Füßen kann selbst die Weltfußballerin von 2017 ihrem Beruf schwer nachkommen. Martens musste aussetzen im Training. Beim 2:0 im Viertelfinale gegen Italien spielte sie dennoch. "Wenn du vollgetankt bist mit Adrenalin, kannst du viel machen", sagte sie, "es war eine Achterbahnfahrt - vielleicht, nein, vielleicht, ja. Aber ich habe immer daran geglaubt, dass ich spiele. Ich weiß, was mein Körper kann." Der rechte Zeh hat sich inzwischen wohl erholt.

Im Halbfinale in Lyon trifft die Mannschaft von Trainerin Sarina Wiegman nun am Mittwoch auf Schweden, das am Samstag Deutschland den Traum vom dritten WM-Titel und von Olympia 2020 genommen hatte. An Martens' Situation hat sich wenig geändert: ja, nein, vielleicht. Vor dem bisherigen Turnierhöhepunkt soll die dribbelstarke Stürmerin (44 Tore in 108 Länderspielen) erneut kaum trainiert haben. "Der Schmerz ist noch da, und ich hatte erneut eine Reaktion", sagte Martens, "aber wenn ich am Samstag spielen konnte, kann ich auch am Mittwoch spielen."

Alles für den Erfolg, und wenn es auch weh tut!

Für die Niederlande ist diese WM schon jetzt die erfolgreichste. Der Europameister von 2017 hat das Gefühl, noch erfolgreicher werden zu können. Es verwundert also nicht, dass weder Wiegman noch Martens eine Schonpause gegen Schweden nicht als Option erachten: Alles für den Erfolg, und wenn es auch weh tut! Vor allem, weil das Team fast an der WM-Teilnahme gescheitert wäre. Die Geschichte der Niederlande bei diesem Turnier beginnt ja eigentlich mit Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg, die bis Herbst 2018 noch verantwortlich für die Schweiz war. Erst gegen ihr damaliges Team qualifizierte sich die Niederlande bei den Playoffs im November für die WM (Gesamtergebnis: 4:1).

Der Aufschwung dieser Mannschaft, die Bedeutung, die die Spielerinnen im internationalen Frauenfußball bei Topklubs wie dem FC Barcelona, Arsenal WFC, Olympique Lyon und auch beim FC Bayern, dem 1. FFC Frankfurt und dem SC Freiburg haben - das alles hat sich erst in den vergangenen Jahren so richtig entwickelt. Für eine WM hatten sich die Oranje Leeuwinnen erstmals 2015 qualifiziert. In Kanada war der damalige Titelverteidiger Japan im Achtelfinale zu stark. Diesmal gehörten die Niederlande bereits zum Favoritenkreis. Denn 2017, bei ihrer dritten EM und der ersten als Gastgeber, gelang dem Team, wovon alle Fußballer träumen: der Titelgewinn vor einem frenetisch jubelnden Heim-Publikum, das spätestens seit jenem Sommer eine ungetrübte Begeisterung für seine Nationalspielerinnen empfindet. Auch in Frankreich zwei Jahre später färben sich teils ganze Straßenabschnitte orange. Wie viel gute Stimmung in den Stadien verbreitet wird, ist außergewöhnlich, macht Spaß, treibt an. Es erhöht aber natürlich auch den Erfolgsdruck.

"Jetzt sagen alle: 'Sie werden Weltmeister'"

"Bei der EM hatte niemand wirklich viel von uns erwartet", sagte Vivianne Miedema, Martens' erfolgreiche Offensivpartnerin (60 Länderspieltore), am Montag in Lyon. "Als wir angefangen haben zu gewinnen, stand unser Land hinter uns und wir kamen in einen Flow. Jetzt sind wir hier, und in Holland sagen alle: 'Sie werden Weltmeister'. Das gibt uns viel Druck." In den ersten WM-Partien habe man nicht immer guten Fußball gespielt: "Aber wir stehen im Halbfinale, also kann man sagen, dass wir zurück sind in diesem Flow."

Trainerin Wiegman hält, entgegen der Herangehensweise manch anderer Kollegen, an fast derselben Elf fest, die geprägt wird von den EM-Siegerinnen, einer womöglich "goldenen Generation", fast alle Spielerinnen sind Mitte 20, viele hoch veranlagt. Die frühere Nationalspielerin Wiegman, 49, trägt seit Januar 2017 die Verantwortung. Und mit jener Ruhe, mit der sie in kurzer Zeit einen Europameister mit klarer Spielidee formte, fällt sie auch zwei Jahre später auf. Sie sitzt oft zurückhaltend und beobachtend auf der Bank, strahlt dadurch eine spezielle Souveränität aus. Ihr Team sieht sie gegen Schweden nicht als Favorit, die Chancen seien bei 50:50. Aber eines hat Wiegman nicht vergessen: Bei der EM gewann die Niederlande im Viertelfinale gegen Schweden. Nach Toren von Martens und Miedema.

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