Fußball-WM:Das ist die Elf der Vorrunde

Messi, Neymar, Ronaldo? Nein, in den Gruppenspielen dieser WM haben Fußballer überzeugt, über die zuvor kaum jemand gesprochen hat. Eine Auswahl.

Von SZ-Autoren

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Wahrer Träumer

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Quelle: AFP

Alireza Beiranvand blieb auf dem Ball liegen. Er schloss die Augen. Er sah aus wie ein Mann, der sich nie wieder aus der Umarmung mit diesem Moment lösen will. Geschossen hatte den Ball Cristiano Ronaldo, der Fußballer, der von sich selbst Statuen aufstellen lässt, der wahnsinnig viel Geld verdient, aber gerne noch mehr Geld hätte. Doch nun lag Beiranvand auf dem Ball, der Torwart, der als Kind als Nomade gelebt hatte, der als Autowäscher gearbeitet hatte, als Pizzalieferant, als Straßenreiniger. Der Torwart, der Torwart wurde, obwohl ihm sein Vater die Torwarthandschuhe zerschnitt. Der Torwart, der immer an seine Träume geglaubt hat. Der Torwart, der nun einen Elfmeter von Ronaldo pariert hatte. Das Spiel ging dann trotzdem weiter, Iran spielte 1:1 gegen Portugal, aber hätte die Umarmung dieses Momentes nie geendet, es hätte der ganzen Fußballwelt so gut getan.

Von Benedikt Warmbrunn

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Die Post geht ab

Belgium v Panama: Group G - 2018 FIFA World Cup Russia

Quelle: Getty Images

Als Thomas Meunier (rechts) 18 Jahre alt war, musste er sich etwas Geld dazu verdienen. Er wurde Postbote. "Man steigt aus dem Auto aus, geht zum Briefkasten, sortiert die Post, geht zurück zum Auto, steigt wieder ein, fährt zum nächsten Haus", schrieb Meunier auf der Webseite The Player's Tribune über die Arbeit. Auch wenn der 26-Jährige nun für Paris St. Germain kickt und keinen Nebenjob mehr braucht, hat er sich den Arbeitsablauf erhalten: Rechtsverteidiger Meunier schnappt sich statt des Briefs den Ball, läuft damit hinter die gegnerische Abwehrreihe und gibt ihn wieder an die Mitspieler ab. Und manchmal, wie in der Vorrunde gegen Tunesien, stellt er sein Postauto sogar direkt vor dem Strafraum ab, passt den Ball in Spielmacher-Manier zu Mittelstürmer Romelu Lukaku, sodass der den Ball nur ins Tor schießen muss. Postboten sind nun mal so zuverlässig wie Thomas Meunier.

Von Johannes Kirchmeier

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Schwere Stiefel

World Cup - Group F - Mexico vs Sweden

Quelle: REUTERS

Leider sind die Regeln der Fifa relativ strikt, was die Arbeitskleidung beim Fußballspielen angeht. Daher läuft eben auch Andreas Granqvist wie alle anderen in Stollenschuhen, Shorts und Trikot auf. Wäre das Regelwerk bezüglich der Arbeitskleidung etwas aufgeschlossener, der Kapitän der Schweden hätte vermutlich schwere Stiefel an, eine Jeans aus dickstem Denim, dazu ein kariertes Hemd, hochgekrempelt bis zu den Ärmeln. Granqvist, 33, ist kein Künstler, er ist ein Fußballarbeiter, er spielt wie einer, der genug Holz hacken muss für einen langen, verdammten skandinavischen Winter. Die Axt in die Höhe, die Axt fallen lassen, und schon ist der nächste Holzscheit dran. Granqvist ist robust, er lässt sich auch auf dem Fußballplatz von keinen noch so widrigen Witterungsbedingungen irritieren. Sie nennen ihn Granen, den Baum. Der Winter kann kommen.

Von Benedikt Warmbrunn

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Goldgräber

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Quelle: AFP

"Mina" heißt auf Deutsch "Mine", und wenn Yerry Mina so weiter macht, dürfte er sich für den FC Barcelona noch als Goldgrube entpuppen. Der Innenverteidiger der Kolumbianer war erst im Winter zum spanischen Meister gestoßen. Doch richtig Verwendung fand Barça-Trainer Ernesto Valverde nicht für den Kolumbianer. Bei der WM ist Mina, 23, nun mit seiner Körpergröße von fast zwei Metern förmlich durch den Himmel geschossen. Gegen Polen und gegen Senegal traf er jeweils per Kopf, und das Interesse von Mannschaften aus England und Deutschland (Borussia Dortmund und angeblich auch der FC Bayern) dürfte neue Nahrung erfahren haben. Das passt dem FC Barcelona gut in den Geschäftsplan, sie würden Mina gern gewinnbringend verkaufen: Barça zahlte im Januar 11,8 Millionen Euro Ablöse, nun hat sich der Preis für Mina wohl mindestens verdoppelt.

Von Javier Cáceres

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Talentiert, ignoriert

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Quelle: AFP

Über Achraf Hakimi weiß die Fußball-Welt wenig, was verwunderlich ist, da er bei Real Madrid spielt, Champions-League-Sieger ist und auch schon zweimal 90 Minuten in der Champions League gespielt hat. Wahrscheinlich wird die Fußball-Welt weiter wenig über Achraf Hakimi wissen, weil er mit Marokko in der WM-Vorrunde ausgeschieden ist. Denn die Fußball-Welt, dieser oberflächliche Ignorant, nimmt in der Regel nicht wahr, wenn jemand verliert und trotzdem gut ist, wie die Marokkaner, die durch das unglücklichste aller Eigentore bei der WM gegen Iran verloren und gegen Portugal ein Spiel tragischer Dramatik ablieferten, in dem der Ball schlicht nicht ins Tor wollte. Aber vielleicht nimmt die deutsche Fußball-Welt diesen unverschämt talentierten Rechtsverteidiger Achraf Hakimi wahr, wenn er in der kommenden Saison beim BVB spielen sollte.

Von Martin Schneider

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Wachposten

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Quelle: AFP

"Sentinelle" nennen sie in Frankreich einen Spieler wie N'Golo Kanté, 27: Wachposten. Und tatsächlich zeichnet das den Mittelfeldspieler der Bleus am meisten aus: Ihm entgeht nichts. Er ist ständig auf Patrouille, um die Verteidiger hinter ihm abzusichern. Und weil er überdies die Gabe hat zu erspüren, was in der Zukunft passiert, kann er den Ball immer dorthin spielen, wo demnächst ein Stürmer auftauchen wird. Darüber hinaus verfügt der Mann vom FC Chelsea über Robustheit in den Zweikämpfen. Er hat nicht nur die meisten defensiven Duelle aller WM-Spieler gewonnen, die auf der sogenannten Sechserposition eingesetzt sind, sondern auch die meisten offensiven. Es gibt also genau genommen zwei N'Golo Kantés bei den Franzosen. Weil dafür Dembéle, Mbappé und Griezmann bisher nur jeweils halb auf dem Platz standen, fällt das allerdings noch nicht so auf.

Von Claudio Catuogno

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Aladins Tränen

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Quelle: AFP

Roberto Baggio, das göttliche Zöpfchen, war zu aktiven Zeiten ein genialer Fußballer, aber für manche wird er immer jener Italiener sein, der den Elfmeter im WM-Finale 1994 in den Himmel von Pasadena schoss. Was wird man über Christian Cueva sagen, den kleinen Peruaner, den sie Aladin nennen? Verdient hätte er, dass von seiner Zauberei mit dem Ball gesprochen wird. Cueva, 26, Nummer 10 beim FC São Paulo, leitete mit einem Übersteiger und einem Außenristpass erst das entscheidende Tor in der Qualifikation ein, deshalb war Peru erstmals nach 36 Jahren bei einer WM dabei. Und dann dribbelte er im ersten Spiel wie ein Irrwisch auf das dänische Tor zu. Doch er dribbelte wütend, mit Tränen in den Augen. Denn er hatte den Elfmeter in den Himmel von Saransk geschossen, der das 1:0 bedeutet hätte. Peru verlor 0:1, schied aus. Seinen Namen sangen die Fans trotzdem.

Von Sebastian Fischer

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Gol? Goal?

WM 2018 - Russland - Saudi-Arabien

Quelle: dpa

England würde prima passen, Spanien und Italien auch, Deutschland ein bisschen weniger. Nur selten gibt es in der Fußballwelt einen Spieler wie Alexander Golowin, 22, dessen Nachnamen sich in so vielen Sprachen bestens für ein paar Wortspiele eignet. Aber es ist den Abgesandten europäischer Spitzenklubs bei der WM nicht schwergefallen, bei Russlands Mittelfeldspieler noch weitere Qualifizierungsmerkmale festzustellen. Fußballerisch ragt er heraus in einem fußballerisch ziemlich limitierten Team. Und läuferisch ragt er heraus in einem läuferisch ohnehin schon auffallenden Team. Keiner rannte in den beiden Auftaktpartien so viel wie Golowin, in Gruppenspiel drei pausierte er, um fürs Achtelfinale keine Gelbsperre zu riskieren. Dass sein Weg nach der WM nach Europa führt, gilt in Russland als abgemacht. Die Frage ist nur, zu welchem Klub.

Von Johannes Aumüller

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Schattenspender

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Quelle: AFP

Bei den Brasilianern ruhen die Augen bei jeder WM vor allem auf dem Mann mit der Nummer 10, das ist so seit den Zeiten von Pelé und diesmal in Russland nicht anders. Denn so wie sich früher niemand der Faszination von Rivelino, Zico oder Ronaldinho entziehen konnte, ist es unmöglich, über Neymar Jr. hinwegzuschauen. Doch bei all dem Hype um die Camisa 10, das Trikot mit der Nummer 10, wird gern vergessen, dass es auch periphere Spieler gab, die brillierten: Garrincha etwa oder Rivaldo, um nur zwei zu nennen. Die prägende Figur dieser brasilianischen Elf war bislang der Mann mit der Nummer 11: Philippe Coutinho, er erzielte zwei Tore und bereitete ein drittes vor. Er wirft den Schatten, in dem sich der lange fußverletzte Neymar Jr. seiner Bestform annähern kann. Und wenn nicht alles täuscht, wird die Nummer 10 bald bei 100 Prozent sein, Coutinho sei Dank.

Von Javier Cáceres

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Beckham aus Bury

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Quelle: AP

Er spielt auf dem rechten Flügel. Er schießt Ecken und Freistöße. Er gräbt seinen linken Standfuß in den Boden beim Flanken, die perfekte Haltung. Wenn der Ball seinen rechten Fuß verlässt, dann wird es gefährlich. Spätestens wenn man die tätowierten Unterarme von Kieran Trippier sieht, dann ist der Vergleich nicht mehr weit. Robert Green, früher Englands Torwart, hat ihn im BBC-Interview gewagt: "Ich würde ihn mit jemandem wie David Beckham vergleichen." Englands Erfolg in der Gruppe G hat viel mit Harry Kane zu tun, dem bislang besten Stürmer des Turniers. Doch es braucht Spieler, die ihm zuarbeiten. Trippier, 27, Kanes Kollege in Tottenham, geboren in Bury bei Manchester, sticht hervor. "Schon als Neunjähriger hat er den Ball wunderschön geschossen", verriet sein früherer Nachwuchsleiter dem Telegraph. Man hätte es also ahnen können.

Von Sebastian Fischer

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Mit Rrrrrrrums

WM 2018 - Argentinien - Kroatien

Quelle: dpa

Der Brrrrrrruda trifft auch bei dieser WM. Brrrrrrruda, so nannte Kevin-Prince Boateng Ante Rebic auf dem Balkon am Frankfurter Römer, als die Eintracht den DFB-Pokalsieg feierte, an dem Ante Rebic mit zwei Toren gegen den FC Bayern nicht wenig Anteil hatte. Nun ist Rebic Teil der kroatischen Nationalmannschaft, die von allen Favoriten bisher die überzeugendsten Vorstellungen abliefert. Gegen Argentinien erzielte er das wichtige Tor zum 1:0. Es war ein Fehler von Torhüter Willy Caballero, aber den Schuss muss man so aus der Drehung auch erst einmal im Tor unterbringen. Rebic ist der zweikampfstärkste kroatische Offensivspieler, er geht am häufigsten ins Dribbling und mit 33,5 km/h ist er der schnellste Kroate. Die Kunst kommt von Luka Modric und Ivan Raktic, also aus Madrid und Barcelona. Die Durchschlagskraft kommt vom Bruder aus Frankfurt.

Von Martin Schneider

© SZ.de/vit
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