Spaniens Dani Olmo:Alpha und Omega in einem

Spaniens Dani Olmo: Keiner kennt die Spieler des deutschen Teams besser als er: Spaniens Dani Olmo.

Keiner kennt die Spieler des deutschen Teams besser als er: Spaniens Dani Olmo.

(Foto: Buda Mendes/Getty Images)

Dani Olmo entpuppt sich bei der WM als Lenker der spanischen Offensive - dabei hatte er auf dem Weg nach Katar zwei heikle Momente zu überstehen.

Von Javier Cáceres, Doha

Dani Olmo, 24, hatte den 7:0-Auftaktsieg Spaniens gegen Costa Rica noch gar nicht verdaut haben können, da war sein Blick längst auf den Sonntag gerichtet. Genauer: auf das Spiel gegen das Land, in dem sein Arbeitgeber RB Leipzig beheimatet ist. "Es una final", sagte Olmo zur SZ: "Es ist ein Finale." Für Deutschland, klar. "Für uns auch!", protestierte er. "Wenn wir gewinnen, sind wir durch!" Und diese Chance will sich Spaniens Team, will sich Olmo nicht entgehen lassen. Es bis nach Katar geschafft zu haben, ist ihm nicht genug - obwohl das schon schwierig genug war.

Anfang September hatte er sich am Knie verletzt, bei einem Spiel von RB Leipzig bei Eintracht Frankfurt: Innenbandanriss im Knie. "Das Erste, was mir durch den Kopf schoss, war die WM", sagt Olmo. "Es war nicht klar, wie lange ich ausfallen würde, da habe ich mich natürlich etwas erschrocken." Die Konvaleszenz war von einem Gedanken dominiert: "Mich schnell und gut erholen, nicht zu früh einzusteigen, keine Rückschläge erleiden." Das Kalkül der Ärzte, Physios und von Olmo selbst ging auf. Schon am 22. Oktober kehrte er auf den Rasen zurück, spielte mit Leipzig gegen Augsburg, wurde graduell aufgebaut - und war pünktlich zum WM-Start wieder in der blendenden Verfassung, die er schon vor seiner Blessur gezeigt hatte.

Als Spaniens Nationaltrainer Luis Enrique den Kader berief, war es alles andere als überraschend, dass Olmo unter den 26 Spielern war. Auch wenn Olmo ein wenig zitterte: Bei der Aufzählung wurde er als Vorletzter genannt. Und auch wenn es leichter ist, den Ausbruch eines Erdbebens in Lateinamerika vorauszusagen als eine Aufstellung von Luis Enrique, so spricht einiges dafür, dass Olmo gegen Deutschland in der Startelf steht. Weil keiner die Spieler des deutschen Teams besser kennt als er.

Weil zwischen ihm und Luis Enrique ein so großes Vertrauen herrscht, dass Olmo dieser Tage bei einem Besuch des Senders Radio Marca entfuhr, er könne sich vorstellen, "als Luis Enrique wiedergeboren zu werden". Und weil er sich am Dienstag in blendender Verfassung zeigte. Gegen eine Startelf-Nominierung spricht allenfalls dies: Gegen die Mittelamerikaner spielte Olmo durch, während seine Nebenleute in der Angriffsreihe - Ferran (FC Barcelona) und Asensio (Real Madrid) - in der zweiten Halbzeit zur Schonung vom Feld geholt wurden.

Schon bei der EM stach er heraus, weil er seine Rolle als "falsche Neun" eigenwillig interpretierte

Gegen die Mittelamerikaner war Olmo Alpha und Omega des spanischen Kantersiegs. Er war der Protagonist der ersten Chance, der Schütze des ersten Tores - und der Vorlagengeber des letzten Treffers durch Álvaro Morata. Es war eines der besten Spiele des Spaniers im Nationaldress - zusammen mit dem EM-Halbfinale 2020 gegen Italien.

Mit dem Unterschied, dass er seinerzeit in Wembley fast ein Alleinunterhalter war. Als sogenannte falsche Neun wirbelte er die Innenverteidigung mit Giorgio Chiellini und Leonardo Bonucci durcheinander, weil er sich ihnen immer wieder entzog, sich regelrecht versteckte und völlig überraschend auftauchte. "Ich kann auch auf den Außenbahnen spielen, aber dort, zentral, ist es, wo ich mich am bequemsten fühle. Und gegen Italien habe ich mich richtig gut gefühlt", erinnert sich Olmo.

"Ich hatte die Freiheit, mich durch das Mittelfeld und zwischen den Linien zu bewegen, um zusammen mit Pedri, Busquets und Koke Überzahlsituationen zu schaffen." Koke, das nur am Rande, ist ein heißer Kandidat für die Startelf gegen Deutschland; gegen Costa Rica hatte er eine andere Rolle: Er rochierte mit seinen Angriffspartnern - mit einer Frequenz, die Costa Rica völlig überforderte.

Bei der spanischen Nationalmannschaft lebt Olmo sehr viel näher am Strafraum als in der Bundesliga

Der Kernunterschied zur Bundesliga ist jener, dass Olmo bei der spanischen Nationalmannschaft kaum eine Partie liefert, in der er nicht voller Spielfreude auftaucht, eine Hauptdarstellerrolle an sich reißt. Es ist, als habe er in Luis Enrique einen Trainer gefunden, der ihm ein perfektes Habitat bietet. Bei der spanischen Nationalmannschaft lebt Olmo sehr viel näher am Strafraum als in der Bundesliga, wo man oft genug gesehen hat, dass er sich fallen lassen und Bälle in der eigenen Hälfte holen sollte. Seine größte Stärke aber liegt im letzten Drittel des Feldes. Denn wo die Räume eng werden, sieht Olmo Lösungen, die andere nicht sehen.

Dort kann er die Basis des Fußballansatzes von Luis Enrique - assoziatives Spiel, Ballbesitz, Initiative - durch Kreativität veredeln, weil er ein Maximum an Bewegungsfreiheit hat. Dabei kommt ihm zugute, dass die Mitglieder der spanischen Mannschaft einander seit Jahren bestens kennen - und der gleichen Spielidee verhaftet sind. Der gleichen Spielidee, die bei der WM 2010 zum Titelgewinn führte: "Pressing nach Ballverlust, vertikales Spiel, um gegnerische Linien zu überwinden, und intensive defensive Arbeit auf allen Linien - das sind die wichtigsten Grundlagen unseres Spiels", sagt Olmo.

Das DFB-Team hat sie zur Genüge kennengelernt und dabei regelrechte Züchtigungen erlebt. Um nicht allzu weit in der Geschichte zurückzugehen: Im November 2020 setzte es im Estadio de La Cartuja von Sevilla für das DFB-Team ein 0:6. Da war Olmo persönlich dabei, er schoss ein Tor. Beim 1:0-Sieg von Durban, bei dem Carles Puyol nach einer Ecke von Xavi Hernández siegte, saß Olmo als Bub bloß vorm Fernseher, er trug ein Spanien-Trikot mit der Nummer 7 - "meine Lieblingszahl", sagt Olmo. Und seit Mittwoch die Chiffre eines Sieges gegen Costa Rica, der beeindruckte.

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