Fußball-WM:Dämpfer in der Sommerschwüle

World Cup - Group A - Uruguay vs Russia

Ernüchert nach dem 0:3 gegen Uruquay: die russischen Spieler Mario Fernandes, Roman Zobnin und Sergei Ignashevich (von links).

(Foto: REUTERS)
  • Nach zwei überzeugenden Siegen erlebt die russische Nationalmannschaft ihre erste Ernüchterung.
  • Gegen Uruguay verliert der Gastgeber mit 0:3 und rückt als Gruppenzweiter ins Achtelfinale vor.
  • Hier geht es zum Spieplan der Fußball-WM.

Von Johannes Aumüller, Samara

Nach 62 Minuten drehte sich der Trainer um. Er schaute nicht mehr aufs Spielfeld zu seinen Spielern, die zu diesem Zeitpunkt nur noch zu zehnt waren, sondern er schaute auf die Tribünen hinter sich. Dann ruderte Stanislaw Tschertschessow kräftig mit den Armen und feuerte das Publikum zu einem lautstarken "Ros-si-ja"-Ruf an. Aber diese Anfeuerungsschreie halfen auch nicht mehr viel.

0:3 (0:2) verloren die Russen in der Sommerschwüle der Wolga-Stadt Samara das letzte Vorrundenspiel gegen Uruguay und verpassten den Gruppensieg. Nach ihren Auftaktsiegen gegen Saudi-Arabien (5:0) und Ägypten (3:1) war das der erste Rückschlag für die Elf des Gastgebers. Aber die Fans im Stadion ließen sich die Stimmung nicht vermiesen, stattdessen gab es beim Gang vom Spielfeld viel Applaus für die Sbornaja. Und "ein Plus" machte Tschertschessow trotz der Niederlage aus: Dass das Achtelfinale nicht am Samstag in Sotschi steigt, sondern am Sonntag in Moskau, gegen Spanien. Das gibt einen Tag mehr zur Erholung, zudem liegt das Teamquartier nahe der Hauptstadt.

Trainer Tschertschessow schont in Alexander Golowin seinen bislang besten Spieler

Es war mal wieder ein heißer Tag in Samara, so heiß, dass warnende SMS aufs Handy verschickt wurden, man möge doch bitte leichte Kleidung anlegen. Es hätte sicher angenehmere Dinge gegeben als ein Fußballspiel, etwa einen Sprung in die Wolga. In der Stadt haben sie ein großes Areal angelegt, mit breitem Strand und großem Park, Nabereschnaja heißt dieser sehenswerte Uferabschnitt. Aber dort kamen die Sportler nicht an, sie versammelten sich ein paar Kilometer nördlich in der Kosmos-Arena zu ihrem finalen Gruppenspiel. Beide Mannschaften waren bereits vor dem Spiel fürs Achtelfinale qualifiziert gewesen. Und obwohl Russlands Trainer Tschertschessow angekündigt hatte, das Spiel so anzugehen wie jedes andere auch, veränderte er seine Mannschaft auf drei nicht unwesentlichen Positionen. Unter anderem verzichtete er auf den Mittelfeldspieler Alexander Golowin, 22, den bisher besten russischen Spieler, der allerdings schon eine gelbe Karte gesehen hatte. Die Umstellungen waren der Sbornaja schon bald ebenso anzumerken wie die Tatsache, dass sie nun gegen den schwersten ihrer drei Gruppengegner antreten musste.

Der erste Schussversuch ging an Uruguay. Kurz danach leistete sich Igor Smolnikow, einer der drei Neuen im Team, einen Fehlpass, daraus entwickelte sich ein Konter und daraus wiederum ein Freistoß, den Luis Suárez zum 1:0 verwertete (10.). Zum ersten Mal bei diesem Turnier waren die Russen in Rückstand geraten. Wenige Minuten später hatte Denis Tscheryschew die erste große Chance für die Sbornaja, er zog den Ball mitten auf den Körper von Uruguays Torwart Fernando Muslera. Und dann servierte Tscheryschew auch noch Angreifer Artjom Dsjuba eine gute Flanke, doch der Kopfball strich übers Tor.

Stattdessen mussten die Russen bald darauf den zweiten Gegentreffer verkraften. Nach einem Eckball zog Diego Laxalt ab - und Tscheryschew fälschte unhaltbar ins eigene Tor ab (23.), wobei die offizielle Statistik den Treffer als Eigentor wertete. Nach einer knappen halben Stunde hatte die Sbornaja sogar Glück, dass nicht das 0:3 fiel, als Rodrigo Betancur alleine vor Russlands Torwart Igor Akinfejew auftauchte. Aber der Versuch, den Ball durch dessen Beine zu schieben, misslang knapp.

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Der nächste Rückschlag ereignete sich in der 36. Minute. Der langsame Rechtsverteidiger Smolnikow kam bei einem Antritt von Laxalt nicht hinterher und wusste seinen Gegenspieler nur mit einer Grätsche zu stoppen - er sah zu Recht die gelb-rote Karte. 0:2 in Rückstand und in Unterzahl, fortan war es aus russischer Sicht fast unmöglich, noch an den Gruppensieg zu denken, für den mindestens ein Unentschieden nötig gewesen wäre. Kurz hatte es den Anschein, als wolle Trainer Tschertschessow tatsächlich aufgeben, indem er just Tscheryschew auswechselte, den in diesem Turnier bisher zweitbesten russischen Spieler. So saßen dann die beiden besten Akteure draußen, als würden sie sich schon fürs Achtelfinale schonen. Aber die Russen fingen sich dann doch und hielten halbwegs mit. "Mir hat das gefallen, wie meine Mannschaft auf den Rückstand reagiert hat", sagte Tschertschessow: "Wir haben mit Herz gespielt." Es war aber durchaus auffällig, dass es über lange Phasen relativ still war im Kosmos-Stadion von Samara - bis Tschertschessow am Spielfeldrand zu seiner Anfeuerung ansetzte. Erst danach wurde es merklich lauter. Beide Seiten kamen in der Schlussphase noch zu guten Chancen, die Russen durch einen Schuss von Angreifer Dsjuba und ein Dribbling durch Fjodor Smolow, die Uruguayer durch zwei Fernschüsse von Diego Godin. Aber erst kurz vor Schluss fiel noch einmal ein Treffer, als Edinson Cavani nach einer Ecke und einem von Akinfejew abgewehrten Kopfball am schnellsten reagierte und auf 3:0 erhöhte. Es war der dritte Treffer des Tages, der aus einer Standardsituation entstand.

"Wir können jetzt langsam anfangen, Geschichte zu schreiben", sagte Torschütze Suárez nach Spielschluss dann auch gut gestimmt: "Ich habe mein Tor gemacht. Ich hoffe, dass es so weitergeht."

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