Süddeutsche Zeitung

Fußball-WM:Massive Gegenbewegung

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Das Interesse am umstrittenen Worldcup in Katar ist alles andere als flächendeckend: Kneipen und die Fans anderer Sportarten rufen weiterhin zum Boykott auf. Zuschauer strömen plötzlich zu Wettkämpfen, die normalerweise weit weniger Zuspruch genießen.

Von Sebastian Winter

Allein das Ergebnis stimmte nicht für Werder Bremens Fußballerinnen: Mit 1:2 (1:1) verloren sie ihr Bundesliga-Heimspiel, das erste im Weserstadion, gegen den SC Freiburg. Trotzdem schauten sie nach dem Schlusspfiff mit glänzenden Augen Arm in Arm ins weite Rund - 20 417 Zuschauer waren gekommen und spendeten lauten Beifall. "Vor so einer Kulisse zu spielen, das war richtig geil", sagte Bremens Außenverteidigerin Nina Lührßen, die ihre Mannschaft in Führung geschossen hatte - ein Traumtor in den rechten Winkel. Mit dieser Besucherzahl jedenfalls verpassten die Werder-Fußballerinnen bei ihrer Uraufführung an jenem Ort, der sonst ihren männlichen Vereinskollegen vorbehalten ist, nur knapp den Besucher-Bestwert in der Bundesliga.

Zum Auftakt der laufenden Spielzeit waren Mitte September 23 200 Zuschauerinnen und Zuschauer zur Partie zwischen Eintracht Frankfurt und Bayern München gekommen, die Zahl wurde damals auch als Zeichen gewertet, dass die Fußballerinnen die EM-Euphorie aus dem Sommer in den Alltag übertragen können.

Der Glanz jenes Sommers - die DFB-Frauen unterlagen Europameister England erst im Finale nach Verlängerung - dürfte es nun auch zumindest ein bisschen ins Weserstadion geschafft haben. Aber nicht nur er. Denn die Fan-Interessen gerade jetzt während der politisch so aufgeladenen Weltmeisterschaft in Katar sind vielschichtig. Viele unterstützen in diesen Wochen eben nun die Fußballerinnen, Amateurvereine oder andere Sportarten.

Es ist ihre Art, das Millionenspiel in Katar zu boykottieren. Die aktive Werder-Fanszene hatte vor der Partie zum WM-Boykott aufgerufen und für das Spiel von Bremens Frauen, die durch die Niederlage gegen Freiburg noch tiefer in den Abstiegskampf gerutscht sind, geworben. Und nicht nur dort, sondern über die ganze Republik verteilt gibt es Zeichen der Verweigerung gegen die WM in Katar.

Ablehnende Plakate und Boykottaufrufe werden auch in diesen Tagen bei Demonstrationen hochgehalten, sie zieren Kleidung, Fenster von Kneipen, die sich weigern, die WM-Spiele zu zeigen, und werden bei Sportveranstaltungen auf der Tribüne gezeigt - ob in der Deutschen Eishockey Liga, beim Handball oder Basketball.

In Hamburg solidarisierten sich die Fans auf der Tribüne der Rollstuhlbasketballer mit den WM-Gegnern und unterstützten die Boykottaufrufe. Randsport als Zufluchtsort. Mehr als 50 internationale Fanklubs des FC St. Pauli hatten bereits zum WM-Start gemeinschaftlich dazu aufgerufen, sich dem Wüstenturnier zu verweigern. Viele Fan-Vereinigungen anderer Klubs haben eine ganz ähnliche Sicht auf die Dinge.

Am Mittwoch hat der "König vom Ammersee", Hallensprecher und Kunstfigur von Herrschings Volleyballern, vor dem Pokal-Viertelfinale gegen Friedrichshafen noch eine bewegende Ansprache über Toleranz und Miteinander gehalten - und die "Parallelveranstaltung in der Wüste" kritisiert, in der nicht nur der Ball mit Füßen getreten werde: "Lasst uns bunt sein, lasst uns verrückt sein. Tanzt, singt, küsst euch, wie es euch beliebt. Regenbogen an, hier kommt der geilste Club der Welt." Zu "Love Generation" von Bob Sinclar liefen die Mannschaften dann aufs Spielfeld ein, den Regenbogen über sich.

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