Fußball-WM: Bösewichte:Spucke, Schläge, Schummelei

Fußball-Weltmeisterschaften waren schon immer große Partys - auf denen sich nicht jeder Gast anständig benahm. Von Lamas, Dopingsündern, Diktatoren und Schauspielern: Eine Übersicht der größten Fußballschurken.

1 / 9

Fußball-WM: Bösewichte:Frank Rijkaard (1990)

Fußball: WM 1990 - Deutschland - Holland 2 : 1

Quelle: dpa

Die Versöhnung war appetitlich gestaltet: Orangensaft, Croissants, Marmelade und holländische Butter auf einem Küchentisch in Leverkusen. Daneben saßen Rudi Völler und Frank Rijkaard in Morgenmänteln und mit einem Lächeln auf den Lippen. Fotografen dokumentierten die Begegnung, die Werbeagentur der Molkerei schrieb unter das Bild: "Mit echter Butter bekommen Sie jeden an die gemeinsame Tafel." Das war 1996. Sechs Jahre zuvor hatte der Niederländer Rijkaard sich zu einer der ekelhaftesten Aktionen in der Fußball-Historie hinreißen lassen, als er im Mailänder Meazza-Stadion seinem Gegenspieler Völler ins lockige Haar spuckte - gleich zwei Mal. Völler bemerkte die Attacken, sah sich entgeistert um und beschwerte sich beim Schiedsrichter des WM-Achtelfinals, erntete aber nur Unverständnis und sah - wie auch Rijkaard - die rote Karte.

Das Motiv für das Vergehen blieb lange mysteriös, erst Jahre später räumte der Niederländer ein, er habe damals private Schwierigkeiten gehabt und sei äußerst gereizt in die Partie gegangen. Deutschland gewann das Spiel auch ohne Völler mit 2:1 und wurde Weltmeister. Rijkaard haftete der Skandal noch lange an. In einem niederländischen Zoo wurde ein Lama nach ihm benannt. Deutsche Reporter reisten an und riefen Völlers Namen, um das Tier vor laufender Kamera zum Spucken zu bringen. Für Völler war die Angelegenheit mit der Werbeanzeige 1996 beendet. "Wir wollten wieder ein normales Verhältnis haben", sagte der Stürmer und fügte an, nun sei wieder "alles in Butter".

2 / 9

Fußball-WM: Bösewichte:Zinédine Zidane (2006)

-

Quelle: AFP

Die letzte Aktion seiner großen Karriere vollführte Zinédine Zidane mit dem Kopf. Es lief die 109. Minute des WM-Endspiels 2006 zwischen Frankreich und Italien, und Zidane traf präzise, wie man das von dem dreimaligen Weltfußballer des Jahres gewohnt war. Die Stirn des Franzosen berührte allerdings nicht den Ball, der in all den Jahren immer sein Freund gewesen war. Stattdessen bohrte sich Zidanes Kopf in das Brustbein von Marco Materazzi. Der Italiener fiel daraufhin um und wand sich vor Schmerz. Zidane sah die Rote Karte, Frankreich verlor im Elfmeterschießen.

Das WM-Finale sollte sein letztes Spiel als Profi-Fußballer sein, so hatte es Zidane gewollt. Dass es auf diese Art und Weise enden sollte, war sicher nicht geplant. Was hatte Materazzi gesagt, dass der Franzose derart ausraste? Eindeutig geklärt ist das nicht. Materazzi verriet später, er habe sich abfällig über Zidanes Schwester geäußert. Daraufhin habe ihn der Franzose umgestoßen - und seine große Karriere mit einem Foul beendet.

3 / 9

Fußball-WM: Bösewichte:Toni Schumacher (1982)

Harald Toni Schumacher

Quelle: imago

Bei der WM 1982 gelang Toni Schumacher, was wohl kaum einem Deutschen zuvor gelungen war: Er war in Frankreich unbeliebter als Adolf Hitler. In einer entsprechenden Rangliste lag Deutschlands Nationaltorwart vor dem Nazi-Diktator auf Platz eins. "Toni Schumacher, Beruf Unmensch", schrieb die Sportzeitung L'Équipe. Frankreichs Präsident Francois Mitterand und Bundeskanzler Helmut Schmidt gaben eine Presseerklärung heraus, um die Wogen zu glätten. Was war passiert?

In der 57. Minute des Halbfinales zwischen Frankreich und Deutschland flog der Ball in den Rücken der deutschen Abwehr. Der eingewechselte Patrick Battiston sprintete hinterher. Schumacher stürmte aus dem Tor und sprang auf den Franzosen zu. Der Keeper traf ihn mit der rechten Hüfte und mit angewinkeltem Ellbogen im Gesicht. Battiston wurde bewusstlos vom Platz getragen, mit einer schweren Gehirnerschütterung und einem Halswirbelbruch. Er verlor zwei Zähne. Der Schiedsrichter entschied auf Abstoß, Schumacher wartete offensichtlich ungerührt darauf, weiterspielen zu können. Nach der Partie sagte er in Richtung Battistons: "Wenn es nur die Jacketkronen sind - die bezahle ich ihm gerne." Dass Schumacher im Elfmeterschießen zwei Schüsse hielt und Deutschland den Einzug ins Finale sicherte, machte die Angelegenheit für die Franzosen nur noch schlimmer. Schumacher galt dort noch lange als Inbegriff des "hässlichen Deutschen". In seiner Heimat zementierte seine Biografie "Anpfiff", in der Schumacher vor Dopingvorwürfen und persönlichen Beleidigungen nicht zurückschreckte, den Ruf des Bösewichts.

4 / 9

Fußball-WM: Bösewichte:Diego Maradona (1982, 1986, 1994)

Diego Maradona

Quelle: imago

Er wollte immer nur geliebt werden. Und wenn er etwas falsch gemacht hatte, dann waren stets die anderen schuld. Bei seiner ersten WM für Argentinien, 1982 in Schweden, trat Diego Armando Maradona, genannt "Goldjunge", in der Zwischenrunde gegen Brasilien seinem Gegenspieler Batista brutal in den Magen. Er sah die rote Karte, Argentinien verlor 1:3 und schied aus. Maradona klagte, er sei während des gesamten Turniers pausenlos gefoult worden.

Vier Jahre später führte er Argentinien in Mexiko zur Weltmeisterschaft. Er wurde zum besten WM-Spieler, zum Fußballer des Jahres in Südamerika und zum Weltsportler des Jahres gewählt. Wieder gab es einen faden Beigeschmack: Eines der Tore zum 2:0 gegen Argentinien hatte Maradona mit der Hand erzielt - mit der "Hand Gottes", wie der Torschütze dreist anmerkte.

Auch 1994 war er Held und Bösewicht. Zunächst staunte die Fußballwelt, als der vereinslose Maradona nach einer Sperre wegen Kokainkonsums und nach einer Zwangspause wegen psychischer Probleme scheinbar mühelos in die Nationalelf zurückkehrte. Bei der WM in den USA trumpfte er in der Vorrunde in zwei Spielen auf und ließ sich als Matchwinner feiern - dann flossen Tränen. Eine Dopingprobe war positiv ausgefallen, in Maradonas Urin fand sich ein wahrer Cocktail von Mitteln, die der Gewichtsabnahme dienen. Der Weltverband Fifa schloss ihn vom Turnier aus. Der Goldjunge witterte eine Verschwörung und klagte: "Man hat mein Glück zerstört - und das Glück der Menschen, die mich lieben."

5 / 9

Fußball-WM: Bösewichte:Horacio Troche (1966)

Horacio Troche Uwe Seeler

Quelle: imago

Er galt nach der WM 1996 als Inbegriff des unfairen "Uru". Im Viertelfinale zwischen Uruguay und Deutschland hatte Horacio Troche zuerst Lothar Emmerich das Knie in die Magengrube gerammt, was der Schiedsrichter mit einem Platzverweis ahndete. Auf dem Weg in die Kabine verpasste Troche zum Abschied Uwe Seeler eine schallende Ohrfeige - wohl in der Hoffnung, Seeler würde zurückschlagen und ebenfalls vom Platz gestellt werden. Seeler behielt jedoch die Nerven - im Gegensatz Troches Mitspieler Héctor Silva, der fünf Minuten später ebenfalls einen Platzverweis kassierte. Deutschland gewann 4:0 - und musste am Ende von der Polizei vor den wütenden Uruguayern geschützt werden.

Ein Jahr später trafen sich Troche und Seeler wieder: Der Übeltäter war zu Alemannia Aachen in die deutsche Bundesliga gewechselt, wo er am fünften Spieltag auf Seelers Hamburger SV traf. Anlässlich der Partie, die 2:0 für Aachen endete, entschuldigte sich Troche bei Seeler. Der Deutsche war beeindruckt: "Ich empfand das sportlich wie charakterlich als große Geste." Troche bereicherte den deutschen Fußball auch noch, indem er Anfang der siebziger Jahre eine Saison lang den Landesligisten SV Beuel 06 (Bonn) betreute.

6 / 9

Fußball-WM: Bösewichte:Die Schlacht von Santiago (1962)

Fußball-WM 1962 Chile

Quelle: imago

Die Vorrundenpartie zwischen dem Gastgeberland Chile und Italien bei der WM 1962 ging als eines der brutalsten Spiele aller Zeiten in die Geschichte ein. Hätte es damals schon gelbe und rote Karten gegeben, Schiedsrichter Kenneth Aston aus England hätte sie im Dutzend verteilen müssen. Der Referee selbst sagte später, er habe in jener Partie nicht als Fußballschiedsrichter fungiert, sondern lediglich "die Punkte von Militärmanövern" registrieren können.

Auslöser der Fußballschlacht, die einen Nasenbeinbruch, etliche Fausthiebe und andere gefährliche Fouls zu Tage förderte, war ein Bericht in der italienischen Zeitschrift Naziones gewesen. Darin hieß es, Chile sei ein minderbemitteltes Fleckchen am Ende der Welt - mit einer Hauptstadt Santiago, in der ganze Stadtteile würden "die Prostitution unter freiem Himmel praktizieren" würden. Über Umwege erschien der Text aber nicht nur in Italien, sondern auch in Chile - und versetzte das Land in Aufruhr. Die Chilenen sahen die Würde ihres Landes und - noch schlimmer - ihrer Frauen verletzt und sannen auf Rache. Weil auch die Italiener nicht zimperlich waren, kam kaum ein richtiges Fußballspiel zustande. Schiedsrichter Aston wechselte anschließend als Berater zur Fifa, und als er vier Jahre später an die Schlacht von Santiago zurückdachte, während er an einer roten Ampel wartete, ersann er die Einführung der gelben und roten Karten. Auf dass sich ein derartiges Spektakel nie wiederholen möge - zumindest nicht ohne Karton.

7 / 9

Fußball-WM: Bösewichte:Benito Mussolini (1934)

Benito Mussolini

Quelle: AP

Der Bösewicht bei der Weltmeisterschaft 1934 in Italien spielte kein Fußball, er interessierte sich nicht einmal sonderlich für den Sport. Dennoch sorgte er dafür, dass das Turnier seine politische Unschuld verlor. Der "Duce", Italiens Diktator Benito Mussolini, erkannte früh, dass der Fußball für sein Regime nützlich sein könnte: Das Volk liebte den "Calcio", also sorgte der Duce dafür, dass der Fußball faschistisch wurde. Er brachte die traditionellen Sportzeitungen auf Linie, ließ Fußballreportagen im Rundfunk ausstrahlen und politisierte die Vereine. Als die Fifa 1932 die Weltmeisterschaft an Italien vergab, hatte Mussolini einen Hauptgewinn gezogen. Als das Turnier 1934 begann, hatte sein Regime die modernsten Stadien Europas und eine perfekte Organisation vorzuweisen.

Einzig ein Misserfolg der italienischen Mannschaft hätte den Propaganda-Erfolg des Diktators noch gefährden können. Also ließ Mussolini das Gerücht verbreiten, bei Misserfolg würden die Spieler hingerichtet werden. Auch die Schiedsrichter wurden eingeschüchtert - mit Erfolg: Italiens Weg ins Finale war mit zweifelhaften Entscheidungen gepflastert. Im Endspiel übersah der schwedische Referee Ivan Eklind rüde Fouls der Gastgeber und ebnete ihnen so den Weg zum 2:1-Sieg nach Verlängerung. Zum Dank übergab der Duce der siegreichen Mannschaft neben der Weltmeister-Trophäe auch die "Coppa Mussolini" - eine eigens angefertigte pompöse Trophäe.

8 / 9

Fußball-WM: Bösewichte:Brutale Brasilianer (1938)

Frantisek Planicka

Quelle: imago

Die Viertelfinal-Partie im Jahr 1938 zwischen Brasilien und der Tschecheslowakei kannte gleich mehrere Bösewichter - dass sie im Trikot der Brasilianer spielten, gehört zu den Kuriositäten der WM-Geschichte. Gänzlich unbrasilianisch foulte bereits nach elf Minuten Zézé - und wurde vom Platz gestellt. Später gesellte sich sein Mitspieler Machado zu ihm, der den Tschechen Riha gefoult hatte. Der überforderte Schiedsrichter verwies vorsichtshalber auch Riha des Feldes - sehr zum Verdruss der Tschechen.

Der tschechische Torwart Planicka (hier ein Foto aus dem Jahr 1931) erlitt bei einem Zusammenstoß mit einem Brasilianer einen Armbruch, spielte jedoch in der Verlängerung weiter, ohne einen Treffer zu kassieren. "Das war die längste halbe Stunde meines Lebens", sagte er später. Ein Betreuer hatte ihn zwischenzeitlich behandelt - mit Franzbranntwein. Die Partie endete 1:1 nach Verlängerung, im damals noch üblichen Wiederholungsspiel setzten sich die Brasilianer mit 2:1 durch.

9 / 9

Fußball-WM: Bösewichte:Rivaldo (2002)

-

Quelle: AP

Im Verein hui, in der Nationalelf pfui - das war vor der WM 2002 die herrschende Meinung über Rivaldo. Nach dem Turnier in Japan und Südkorea, das Brasilien im Finale gegen Deutschland gewann, fühlte sich der Ballkünstler endlich respektiert. Doch ein Wermutstropfen blieb, ein "schwarzer Moment", wie Rivaldo ihn nannte.

In der Vorrunde mühte sich Brasilien gegen die Türkei und hatte Glück, das der Schiedsrichter in der 86. Minute ein Foul des Türken Özalan Alpay mit Strafstoß ahndete, obwohl es außerhalb des Strafraums verübt worden war. Rivaldo verwandelte den Elfmeter zum 2:1 und ließ sich wenige Minuten später theatralisch fallen, als ihm Hakan Ünsel den Ball in die Beine geschossen hatte. Sehr zum Verdruss der türkischen Fans hielt sich Rivaldo das Gesicht und jammerte, als hätte ihn der Blitz getroffen. Der Schiedsrichter fiel darauf herein, er zeigte Ünsel die gelb-rote Karte. Brasilien brachte den Sieg über die Zeit.

Rivaldo räumte später ein, er habe mit der Schauspieleinlage Zeit schinden wollen: "Dass Hakan Ünsel vom Platz gestellt wird, wollte ich nicht." Der Fifa war es egal, sie verdonnerte den Bösewicht zu einer Strafe von 7000 Euro.

© sueddeutsche.de/mikö/aum
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: