Fußball-WM: Ballack verletzt:Der Knöchel der Nation

Im englischen Pokalfinale wird Michael Ballack von Kevin Boateng verletzt - wie schwer, ist weiter unklar. Fußballdeutschland bangt um den WM-Einsatz des Kapitäns. Boateng ist wieder einmal der Buhmann.

M. König

Die Nummer 13 des FC Chelsea hatte keine Chance. Die Stollen des rechten Fußes von Kevin-Prince Boateng, Mittelfeldspieler des FC Portsmouth, bohrten sich in seinen Knöchel. Die Nummer 13 schrie, kippte zur Seite und blieb liegen. Boateng hob entschuldigend die Hand, er sah die gelbe Karte und spielte weiter. Nummer 13 musste kurz darauf ausgewechselt werden. Es war keine ungewöhnliche Szene, solche Dinge passieren in einem Spiel, zumal wenn es sich um das englische Pokalfinale handelt. Trotzdem ist nun die deutsche Fußballnation in Aufruhr.

Fußball, Nationalmannschaft, Michael Ballack; Getty

Stein des Anstoßes: Kevin-Prince Boateng (links) steigt im FA-Cup-Finale Michael Ballack auf den Knöchel.

(Foto: Foto: Getty)

Bei der Nummer 13 handelt es sich um Michael Ballack, den Kapitän der Nationalmannschaft. Wenn am 11. Juni in Südafrika die Weltmeisterschaft beginnt, sollte er das Team anführen - und womöglich zum Titel schießen. Nun besteht die Gefahr, dass er das Turnier am Fernseher verfolgen muss. Eine erste Röntgenuntersuchung des rechten Sprunggelenks hatte keine Hinweise auf eine schwerwiegende Blessur des Knöchels ergeben. "Es ist nichts gebrochen", sagte Ballack, für den am Samstagabend eigens eine Live-Schalte ins ZDF-Sportstudio eingerichtet worden war.

Ob Bänder oder Sehnen verletzt wurden, ist weiterhin unklar. Eine für Sonntag geplante Kernspin-Untersuchung musste nach Angaben des Deutschen Fußball-Bunds (DFB) verschoben werden - die Schwellung am verletzten Knöchel sei zu stark gewesen. Die Untersuchung soll nun am Montag vorgenommen werden. Erst danach kann der Kapitän zur übrigen Nationalmannschaft ins Trainingslager nach Sizilien reisen - sofern er fit ist.

"Wäre ein herber Verlust"

Bundestrainer Joachim Löw äußerte sich besorgt über Ballacks Verletzung. Auch er war am Samstag live in die ZDF-Sendung in Berlin zugeschaltet worden, die sich ursprünglich dem Sieg des FC Bayern im DFB-Pokalfinale widmen sollte, angesichts der Sorge um den Knöchel der Nation aber zu einer Art Krisen-Brennpunkt wurde. "Natürlich brauchen wir ihn, er ist unser Kapitän. Sein Ausfall wäre ein herber Verlust", sagte Löw.

Eine Verletzung des Kapitäns würde Löws WM-Planung massiv beeinflussen: im Mittelfeld fehlen dem Trainer Alternativen. Den Bremer Torsten Frings hat er in Rente geschickt, der Leverkusener Simon Rolfes ist verletzt. Und der ehemalige Stuttgarter Thomas Hitzlsperger läuft auch bei Lazio Rom seiner Form hinterher.

Der Verursacher des Fouls macht die Sache erst richtig delikat. Der in Deutschland geborene Kevin-Prince Boateng spielt bei der WM in Südafrika für Ghana, und Ghana trifft in der Vorrunde auf Deutschland. Hatte Boateng womöglich langfristigere Ziele, als er seine Stollen auf Ballacks Knöchel setzte?

"Keine zwei Meinungen"

"Ich möchte ihm keine Absicht unterstellen", sagte Bundestrainer Löw nach dem Studium der Zeitlupe im ZDF. Aber eine rote Karte sei schon fällig gewesen: "Da gibt es keine zwei Meinungen. Er hat überhaupt keine Chance, den Ball zu spielen. Auf diese Weise kann man einen Spieler schwer verletzen."

Ballack sagte im Fernsehinterview, er habe sich die Szene noch einmal in Ruhe angesehen: "Das sah schon nach Absicht aus." Auch der Berater des Nationalspielers, Michael Becker, glaubt offenbar nicht an ein versehentliches Foulspiel: "Alle im Stadion haben gesehen, was passiert ist. Da gibt es keine zwei Meinungen drüber."

Boateng pflegt mit dem Foul sein Rüpel-Image, das sich zumindest in Deutschland hartnäckig hält. Der gebürtige Berliner galt bei Hertha BSC einst als großes Talent, das sich jedoch abseits des Platzes unbeliebt machte, in dem es sein Vermögen zur Schau stellte. Boateng ließ sich mit Diamantring, großer Designer-Sonnenbrille und Handy am Ohr fotografieren - eine Pose, die ihm viele Fans übelnahmen.

Weil er auch bei seinen Trainern aneckte, blieben sportliche Positiv-Schlagzeilen aus. Boateng, dessen Bruder Jérome beim Hamburger SV und für die deutsche Nationalmannschaft spielt, wechselte nach England zu den Tottenham Hotspurs und anschließend zu Borussia Dortmund in die Bundesliga. Im Dortmunder Trikot foulte er im Februar 2009 den Bayern-Spieler Miroslav Klose, woraufhin der damalige Bayern-Präsident Franz Beckenbauer verbal auf den Sohn eines ghanaischen Vaters und einer deutschen Mutter los ging.

Ärger mit Beckenbauer

"Das ist eine Schweinerei, er wollte Klose absichtlich verletzen. Er kann froh sein, wenn der DFB diese Bilder nicht sieht, sonst wird er nachträglich gesperrt. Ich weiß nicht, was in dem Kopf eines solchen Spielers vorgeht", sagte Beckenbauer. Der Schiedsrichter hatte das vermeintliche Foul, einen Tritt auf Kloses Oberschenkel, nicht geahndet. Im Winter 2009 wechselte Boateng schließlich zurück nach England zum hoch verschuldeten FC Portsmouth, mit dem ihm der Einzug ins FA-Cup-Finale gelang.

Im Endspiel mussten Boateng und Portsmouth eine Niederlage hinnehmen. Chelsea-Stürmer Didier Drogba entschied das Spiel zugunsten der Londoner, nachdem Ballack ausgewechselt worden war. Boateng verschoss in der 54. Minute einen Foulelfmeter. Dank des 1:0-Sieges gewann Chelsea erstmals in seiner Vereinsgeschichte das englische Double aus Meisterschaft und FA-Pokal.

Ballacks Verletzung kurz vor der WM weckt Erinnerungen an die "Wade der Nation" bei der WM 2006 und die EM 2008: Bei beiden Turnieren hatte Ballack mit Verletzungspech zu kämpfen, in beiden Fällen war die Wade betroffen. Bei der Heim-WM verpasste er das Eröffnungsspiel, bei der EM in Österreich und der Schweiz drohte er im Finale auszufallen.

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