Fußball-WM: Australien - Ghana:Wichtige Erkenntnisse für Löw

Das 1:1 von Ghana gegen Australien zeigt Beobachter Joachim Löw, dass ein Sieg wohl zum Gruppensieg reichen wird - und liefert dem Bundestrainer Wege, wie dieser Erfolg zu schaffen ist.

Jürgen Schmieder

Wer während der Partie zwischen Australien und Ghana den Blick vom Spielfeld auf die Tribüne schweifen ließ, der sah Joachim Löw, wie er aufgeregt mit Urs Siegenthaler diskutierte. Der Bundestrainer und der Chefscout des DFB wollten den nächsten Gegner der deutschen Elf live sehen, um Erkenntnisse für die Partie am Mittwoch zu gewinnen. Böse Zungen freilich könnten behaupten, dass dieser Besuch sinnlos sei, wo doch Löw trotz der laut DFB-Angaben bestens informierten Scouting-Abteilung beim Spiel gegen Serbien den 1,90-Meter-Schlaks Holger Badstuber gegen den serbischen Dribbler Milos Krasic agieren ließ.

Fußball-WM: Australien - Ghana: Richard Kingson lässt einen Freistoß nur abprallen - 1:0 für Australien.

Richard Kingson lässt einen Freistoß nur abprallen - 1:0 für Australien.

(Foto: ap)

Löws Anwesenheit in Rustenburg war natürlich nicht sinnlos. Zum einen sind die Organisatoren wohl dankbar für jeden, der die Stadien ein wenig ausverkaufter erscheinen lässt, zum anderen wurde Löw Zeuge einer flotten, hitzigen und spannenden Partie, die 1:1 endete. Die deutsche Elf kann sich nun sicher sein, dass auch ein knapper Sieg gegen Ghana zu Platz eins in der Gruppe D reicht - sofern Serbien gegen Australien mit weniger als vier Toren Unterschied gewinnt.

Vor dem Spiel hieß es, der gesamte Kontinent Afrika würde nun die ghanaische Elf unterstützen, weil sie als einzige afrikanische Mannschaft ihr Auftaktspiel gewinnen konnte. Bei den Australiern konnte man sich da nicht so sicher sein, wie es um die Unterstützung des Kontinents aussieht, denn zum einen haben die Socceroos ihr erstes Spiel verloren, zum anderen weiß niemand so ganz genau, ob die Bürger von Mikronesien, den Salomonen und den Marshallinseln nun für Australien oder Neuseeland sind.

Sportliche Unterstützung fanden die Australier zunächst einmal von einem Bewohner Afrikas, der tragischerweise gleichzeitig Torhüter der ghanaischen Elf ist. Richard Kingson ließ einen eher harmlosen Freistoß von Marco Bresciano nach vorne abprallen - und weil Ghanas Feldspieler ihren Torwart nicht unterstützten, durfte Brett Holman zum 1:0 einschieben (11.). Es war die verdiente Führung für die aktivere und spielstärkere Mannschaft.

Es brauchte die Unterstützung eines Australiers, um Ghana zurückzuholen in diese Partie. Harry Kewell ließ einen fulminanten Schuss von Jonathan Mensa aus zehn Metern von seinem Oberarm seitlich abprallen (27.). Tragischerweise ist Kewell nicht Torhüter der australischen Elf, sondern Stürmer - weshalb Schiedsrichter Roberto Rosetti nichts anderes übrig blieb, als auf Strafstoß zu entscheiden und Kewell mit einer roten Karte vom Feld zu schicken. Asamoah Gyan schob den Ball in die rechte untere Ecke, lud seine Mitspieler danach zum Tanzen ein und forderte sie auf, nun endlich offensiver zu agieren.

Chipperfield mit der Chance zum Sieg

Das taten die Ghanaer auch, in Überzahl agierten sie kompakter und erspielten sich zahlreiche Gelegenheiten. Die beste davon vergab Kevin-Prince Boateng kurz vor der Pause, dessen Schuss nach ansehnlichem Sololauf von Mark Schwarzer pariert wurde. Diesmal gab es keinen Elfmeter und kein Abstaubertor, weil Schwarzer zum einen tatsächlich Torhüter ist und zum anderen den Ball neben das Tor lenkte.

Australia's Luke Wilkshire reacts to his failed attemp during the 2010 World Cup Group D soccer match against Ghana at Royal Bafokeng stadium in Rustenburg

Verzweiflung bei Luke Wilkshire: Gerade vergab der Australier die Chance zum 2:1.

(Foto: rtr)

Nach der Pause standen die Australier vor dem Problem, das schon die deutsche Elf beim Spiel gegen Serbien beschäftigte: Sie wollten zwar dringend einen Treffer erzielen, riskierten aber aufgrund der Unterzahl, dem Gegner Raum zu lassen für gefährliche Gegenstöße. Die Ghanaer wehrten die seltenen mutigen Vorstöße zunächst geschickt durch formidables Stellungsspiel ab und kamen bei fast jedem Konter zum Abschluss. Die Schüsse von Gyan (48., 60.) parierte Schwarzer, die Versuche von Boateng (52.), Tagoe (55.) und Mensah (63.) wurden geblockt.

Den Australiern hätte zu diesem Zeitpunkt wohl nicht einmal die Unterstützung der Philippinen - geographisch zwar in Ozeanien gelegen, aber zu Asien gehörig - geholfen, also schickte Trainer Pim Verbeek die Offensivkräfte Scott Chipperfield und Joshua Kennedy aufs Feld und erklärte die Verteidigung des eigenen Tores zur sekundären Aufgabe. Chipperfield führte sich mit einem Kopfball ein, der knapp über das Tor strich (67.), dann spielte er einen formidablen Pass auf Luke Wilkshire, der freistehend an Torhüter Kingson scheiterte (72.).

In der Schlussphase gaben die Ghanaer die Partie aus der Hand in der Gewissheit, dass bei diesem Spielstand ein Unentschieden gegen die deutsche Elf genügen würde, um das Achtelfinale zu erreichen. Die Akteure verzichteten auf allzu forsche Offensivbemühungen, sondern verteidigten konsequent und hofften dabei nicht nur auf die Unterstützung des gesamten afrikanischen Kontinents, sondern bisweilen auch auf die Hilfe sämtlicher Götter. Immer wieder flog der Ball durch den ghanaischen Strafraum, doch ein Tor wollte den Australiern nicht mehr gelingen.

Die deutsche Elf kann nun gewiss sein, mit einem Sieg gegen Ghana so gut wie sicher als Gruppenerster ins Achtelfinale einzuziehen. Löw dürfte beobachtet haben, dass Ghana zwar gefällig nach vorne spielen kann, jedoch Schwächen beim Abschluss hat und in der Verteidigung vor allem am Ende arg löchrig wirkte. Die wichtigste Erkenntnis für Joachim Löw aus diesem Spiel kombiniert mit den Erfahrungen aus der Partie gegen Serbien dürfte sein, nur ja keinen Platzverweis gegen Ghana hinnehmen zu müssen.

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