Japan im WM-Achtelfinale:"Wir werden zeigen, wie mutig wir sind"

Japan: Yuto Nagatomo bei der WM in Katar 2022

"Wir sind mental und physisch gewachsen." - Yuto Nagatomo will mithelfen, dass Japan erstmals in der Geschichte ein WM-Viertelfinale erreicht.

(Foto: Eugene Hoshiko/AP)

Nach den Siegen gegen Deutschland und Spanien sehnt sich Japan nach dem ersten WM-Viertelfinale seiner Geschichte. Doch auf seine Rolle als Underdog kann sich das Team nicht mehr verlassen.

Von Martin Schneider, Doha

Am meisten fürchtet Japans Trainer Hajime Moriyasu einen Kroaten, der gar nicht dabei ist. Er hoffe, sagte Moriyasu auf der Pressekonferenz vor dem Achtelfinale, dass Mihael Mikic nicht alle Geheimnisse ausplaudern werde. Mikic, der zwischen 2004 und 2006 kurz für Kaiserslautern auflief, spielte acht Jahre lang in Japan bei Sanfrecce Hiroshima. Fünf Jahre lang wurde er dort von Moriyasu trainiert, was ihn nun in beiden Ländern zu einem sehr gefragten Gesprächspartner macht.

In kroatischen Medien spricht Mikic ausführlich über die Taktik der Japaner, ihre Mentalität, die Entwicklung, die ihr Fußball genommen hat. Nur vor dem Gegner warnen muss er nicht mehr, denn jeder hat bei den 2:1-Siegen gegen Deutschland und Spanien gesehen, was die Mannschaft kann. Wer zwei Weltmeister in acht Tagen schlägt, wird nicht mehr unterschätzt. "Giantkiller", Riesentöter, heißen die Japaner in der angelsächsischen Presse.

Entsprechend treten Moriyasu und Yuto Nagatomo, mit 137 Einsätzen der erfahrenste Spieler des Kaders, vor dem Duell mit dem WM-Finalisten von 2018 auf. "Wir sind Erster in der Gruppe geworden, wir sind sehr selbstbewusst", sagte Moriyasu, was sich schon anders anhörte als beim ersten Auftritt vor der Presse, als er noch der Fußballnation Deutschland dankte, weil acht seiner Nationalspieler dort spielen. "Alles, was wir als Fußballnation gelernt haben, werden wir im Spiel gegen Kroatien nutzen."

Großes Thema der japanischen Journalisten vor dem Spiel ist die Tatsache, dass es die Mannschaft bislang noch nie in ein WM-Viertelfinale geschafft hat. Vor vier Jahren in Russland verspielte Japan bei der 2:3-Niederlage im Achtelfinale eine 2:0-Führung gegen Belgien. "Ich habe die Schlacht gegen Belgien nie vergessen", sagte Nagatomo. "Manchmal erinnere ich mich noch an einzelne Szenen aus dem Match."

Von den 26 Akteuren im Kader spielen 19 in Europa, so viele wie noch nie

Aber Japans Fußball habe sich seitdem weiterentwickelt. "Wir sind mental und physisch gewachsen", sagte Nagatomo. Das hier sei seiner Meinung nach die beste japanische Mannschaft, die je bei einer WM angetreten ist. Was der Hauptgrund sei? "Die individuelle Qualität der Spieler", sagte Moriyasu. Japan sei schon immer dafür bekannt gewesen, organisiert aufzutreten - aber in den letzten vier Jahren seien vor allem die einzelnen Spieler besser geworden. Von den 26 Akteuren im Kader spielen 19 in Europa, so viele wie noch nie. Nagatomo selbst zählt gar nicht mehr dazu, er spielt in Tokio, kickte aber einst sieben Jahre bei Inter Mailand auf höchstem Niveau. Und der potenziell beste Japaner, Frankfurts Daichi Kamada, hatte noch gar keinen großen Moment bei diesem Turnier.

Stattdessen rückt auch der Trainer in den Fokus. Nachdem Japan in der Vergangenheit auf ausländische Expertise vertraute, ist Moriyasu der japanische Trainer mit der längsten Amtszeit dieses Jahrtausends. Und seine taktischen Manöver erzeugen in Katar Aufmerksamkeit. Gegen Deutschland änderte Moriyasu das System zur Halbzeit, stellte auf eine Fünferkette um, ließ sein Team viel früher stören und setzte voll auf die schnellen Außenspieler - Hansi Flicks Team reagierte zu spät. Außerdem spielte Japan clever, unterbrach das Ballbesitzspiel der Deutschen 14 Mal durch Fouls, ohne eine einzige gelbe Karte zu sehen.

Nach dem Sieg gegen Spanien lag der mediale Fokus auf den drei bis vier Grashalmen, die verhinderten, dass der Ball vor dem zweiten Treffer der Japaner im Toraus war. Aber taktisch gesehen kam Japan auch gegen Spanien aggressiv aus der Pause und überrumpelte den Gegner unter anderem erneut durch die Einwechslung des Freiburgers Ritsu Doan. Nach den beiden schnellen Toren wechselte das Team sofort wieder in den Igel-Modus und ließ Spanien 39 Minuten lang passen, passen und passen, aber kein Tor mehr schießen.

Gefragt, was gegen Kroatien wichtig werde, erinnerte sich Nagatomo an seine italienische Vergangenheit. Dort habe er ein Wort gelernt: "Corragio." Man müsse mit Mut spielen, und er illustrierte es sogleich mit einem Beispiel aus der japanischen Geschichte. "Wenn ein Samurai in die Schlacht zieht, dann poliert er vorher sein Schwert und verfeinert seine Technik. Aber wenn er im Kampf Angst hat, kann er seine Waffe nicht richtig benutzen." Sollte heißen: "Egal wie sehr wir uns verbessert haben, unsere Fähigkeiten werden nutzlos sein, wenn wir nicht mit Mut spielen. Wir werden zeigen, wie mutig wir sind." Als ein Journalist wissen wollte, warum er sich auf die Samurai beziehe, antwortete Nagatomo: "Sie sind berühmt in der Welt, und wir wollen kämpfen wie sie."

Nur mit der Favoritenrolle war Japan bei der 0:1-Niederlage gegen Costa Rica im zweiten Spiel überfordert. Die gute Nachricht: Je länger man bei einer WM dabei bleibt, desto stärker werden die Gegner. Und gegen starke Gegner hat sich Japan bislang ganz gut geschlagen.

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