Fußball-WM 2022:Schlinge um Katar zieht sich zu

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Soll 3,7 Millionen Euro an verschiedene Offizielle der Fifa gezahlt haben: Der frühere Fifa-Funktionär Mohamed bin Hammam. (Foto: dpa)

3,7 Millionen Euro Schmiergeld vom damaligen Fifa-Vize Bin Hammam: Neue Enthüllungen gefährden erneut die Austragung der WM in Katar. Noch vor Beginn des Turniers in Brasilien könnte die große Abkehr eingeleitet werden.

Von Thomas Kistner, Rio de Janeiro

Die Schlinge zieht sich zu um Katar, den gewählten Ausrichter der Fußball-Weltmeisterschaft 2022. Dass dieser Status noch fallen könnte, ist in der Fußballwelt seit Langem klar, nun aber nehmen die Entwicklungen derart flotte Fahrt auf, dass schon beim bevorstehenden Fifa-Kongress am 11. Juni, vor Eröffnung der WM in Brasilien, die große Abkehr von Katar eingeleitet werden könnte.

Zum einen berichtet die Sunday Times unter Berufung auf Dokumente, die ihr vorliegen, dass allein der katarische Fifa-Vizepräsident Mohamed bin Hammam vor der Ende 2010 erfolgten Kür rund 3,7 Millionen Euro an verschiedene Offizielle der Fifa bezahlt haben soll, um mit deren Voten die WM in die Wüste zu holen. Zum anderen weist die sportpolitische Begleitmusik darauf hin, dass der spektakulär öffentliche Enthüllungsfeldzug gegen das Emirat durchaus mit diskreter Assistenz auch von Fifa-nahen Kreisen ablaufen könnte.

Die Austragung der WM in Katar sei "alles andere als sicher", sagt Ex-DFB-Chef Zwanziger

Katars bizarren WM-Coup, bei dem seinerzeit 14 von 22 Wahlmännern für das Turnier im Backofen stimmten, untersucht die Fifa seit Herbst 2013 sogar selbst mit ihrer sogenannten Ethik-Kommission. Angeblich sollen schon sechs Millionen Dollar in die Ermittlung des früheren US-Staatsanwalts Michael Garcia geflossen sein. Von dessen Urteil soll abhängen, ob Katar die WM behält, oder ob beim Kongress 2015 über eine Neu-Vergabe abgestimmt wird.

Es komme auf Garcias "Gesamteindruck an, ob diese Entscheidung sauber ablief", sagte der frühere DFB-Chef Theo Zwanziger nun dem Handelsblatt: Sollte Garcia der Fifa empfehlen, "die Entscheidung zu überdenken, wird der Kongress nicht umhin können, die WM neu zu vergeben". Ähnlich beurteilt Fifa-Vizepräsident Jim Boyce die Lage: "Wenn der Bericht zu dem Schluss kommt, dass ein Fehlverhalten zu dem Abstimmungsergebnis geführt hat, hätte ich kein Problem damit, wenn die Empfehlung eine Neuvergabe wäre", sagte der 70 Jahre alte Nordire am Sonntag dem BBC-Radio.

Zwanziger ist noch bis 2015 Mitglied der Fifa-Exekutive, wo er in Fragen der umstrittenen Reform als Blatter-Getreuer gilt. So lässt sich wohl auch die Position des Fifa-Patrons herauslesen, wenn Zwanziger sagt, er sei "alles andere als sicher, ob die WM in Katar ausgetragen wird, weil zu viele gewichtige Punkte nicht geklärt sind". Blatter selbst hatte vor Kurzem erstmals öffentlich eingeräumt, die WM-Vergabe nach Katar sei "ein Fehler" gewesen.

Das sind gewichtige politische Fingerzeige. Parallel zum Abrücken des Fifa-Granden vom Emirat, das viele Jahre über Spitzenfunktionär Bin Hammam - er und Blatter nannten sich "Brüder" - das Thronamt des Schweizers sichern half, tröpfeln seit Monaten Belege an die Öffentlichkeit.

Erst zeigten Papiere aus einer Firma Bin Hammams den Fluss von rund zwei Millionen Dollar an den Dritten im langjährigen Affären-Bund, Jack Warner aus Trinidad und Tobago - bezahlt in den Tagen vor und kurz nach der WM-Vergabe an Katar. Nun kommen weitere Millionen hinzu. Wobei die Sunday Times selbst festhält, ihr seien "Millionen Dokumente zugespielt" worden, Mails, Konten und anderes.

Fifa-Fahnder Garcia weilt derzeit am Golf

Demnach habe Bin Hammam über zehn schwarze Kassen operiert. Allein 1,1 Millionen Euro sollen an Jack Warner geflossen sein; dem Exekutivkomitee-Mitglied Reynald Temarii aus Tahiti soll Bin Hammam 305 000 Euro für Anwaltskosten überwiesen und zudem Dutzende Beträge von jeweils bis zu 140 000 Euro an afrikanische Funktionäre bezahlt haben. Genauer: An 30 nationale Verbandspräsidenten. Daneben soll er andere Wege für Schmiergeldzahlungen genutzt haben, über Lustreisen oder Hospitality-Events.

Der langjährige Blatter-Intimus Bin Hammam hatte sich 2011 gegen den Boss aufgelehnt und selbst fürs Präsidentenamt kandidiert; dabei fiel er jedoch einer von ihm und Warner inszenierten Bestechungs-Orgie in der Karibik zum Opfer. Warner trat zurück, Bin Hammam wurde für Lebzeiten gesperrt. Zu den aktuellen Vorwürfen äußerte er sich nicht.

WM-Vergabe 2022
:Bestechungsvorwürfe gegen Katar erhärten sich

Schon ein Jahr vor der WM-Vergabe sollen offizielle Fifa-Vertreter Zahlungen in Millionenhöhe aus Katar erhalten haben. Dies belegen geheime Dokumente, aus denen die britische "Sunday Times" zitiert. Damit wächst der Druck auf die Fifa weiter, die WM 2022 neu zu vergeben.

Die aber sind explosiv. Bin Hammam soll auch den Posten als Chef der Fifa-Entwicklungshilfe Goal missbraucht und der von Fifa-Vorstand Jacques Anouma regierten Elfenbeinküste 800 000 Dollar zugeschanzt haben. Der dankbare Anouma habe "sehr starke" Unterstützung für Katar zugesichert. Auch für die Verbände zweier anderer Fifa-Vorstände, die das WM-Turnier vergaben, soll Bin Hammam jeweils 400 000 Dollar abgesegnet haben.

Bemerkenswert ist der Zeitpunkt der Enthüllungen auch, weil Fifa-Fahnder Garcia derzeit am Golf weilt und erstmals die WM-Bewerber direkt befragt. Katar hatte wiederholt versucht, Bin Hammam als vom Emirat losgelöst operierende Einzelperson darzustellen. Die Glaubwürdigkeit des Arguments ist ebenso zu prüfen wie die Version, dass es den Bewerbern gelungen sein könnte, das erdrutschartige Fifa-Votum damals mit "nur" einer Handvoll Millionen Dollar herbeizuführen.

Allein seit jener Vergabe mussten neun Funktionäre den Fifa-Vorstand verlassen, wurden suspendiert oder gerügt - stets wegen Korruption. Manches umwitterte Fifa-Kaliber ist bis heute im Amt.

© SZ vom 02.06.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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