In neuneinhalb Jahren beginnt eine Fußball-WM. Vielleicht. Vielleicht beginnt sie aber auch erst in neun-dreiviertel Jahren. Oder bereits in acht-elfzwölftel. Wer weiß das schon? Die Organisatoren von der Fifa scheinen es jedenfalls nicht so genau zu wissen. Deren leitender Angestellter, der lupenreine Fußballdemokrat Joseph S. Blatter, prophezeite neulich in der Bild, dass die WM 2022 stattfinden werde. Wann und wo - da ist er sich offenbar noch nicht so sicher.
Sicher ist bislang nur das: Die überübernächste Fußball-Weltmeisterschaft macht schon jetzt deutlich mehr Schlagzeilen als die nächste und die übernächste zusammen. Großen Teilen der Öffentlichkeit geht sie inzwischen so gewaltig auf die Nerven, dass diese Öffentlichkeit gar keine Zeit mehr findet, sich in gewohntem Maße über die WM 2014, die EM 2016 oder gar die WM 2018 aufzuregen. Ist es das wert? Wer weiß das schon.
Gehen wir doch einfach mal davon aus, dass die lupenreine Sportdemokratie Katar für 2022 weiterhin gut im Rennen ist. Versprochen ist versprochen. Oder sollte man besser sagen: Bestochen ist bestochen? Wahrscheinlich ist das unerheblich. Wer sich in der globalen Sportdiplomatie ein klein wenig auskennt, der weiß, dass die Verben "versprechen" und "bestechen" dort nahezu synonym verwendet werden können. Eines muss man Katar allerdings lassen: Das Land kann auch nichts dafür, dass es in der Wüste liegt. Und dass es in diesen Wüsten im Sommer auch mal ein bisschen wärmer werden kann. So 50 Grad aufwärts.
Nicht unter diesen Bedingungen, schreit nun die Fußballwelt. Nachdem aber alle bisherigen Versuche gescheitert sind, den Golfstaat mittels kleinerer Investitionen auf ein allgemein verträgliches Sportklima herunterzukühlen, verschärft sich nun die Termindebatte um die WM 2022. Katar, das wurde jüngst vermeldet, ist jetzt offen für den Winter. Der Uefa-Präsident Michel Platini ist mindestens genau so offen. Er hat gerade mitgeteilt, dass er eine Wüsten-WM im Sommer für "unmöglich" hält. Das erklärt vielleicht auch, weshalb er 2011 für die Wüsten-WM im Sommer gestimmt hat.
Und Blatter? Der weiß nicht so genau, wofür er gerade ist. Was die juristischen Folgen einer Verlegung in den milden Wüstenwinter (Durchschnittstemperatur 17 Grad) betrifft, spricht er von einem großen Fragezeichen. Bei der Gelegenheit dementiert der Schweizer sogar die bislang gängige Annahme, er sei ein Prophet ("Ich bin kein Prophet"). Ach, wann hätte man die Fifa je so verzagt erlebt, wie in diesen schweren Stunden der Fußballwetter-Krise 2022?
Frieren beim Public Viewing
Dabei ist doch alles halb so wild. Gerade die rotnasigen Mitteleuropäer, die seit Monaten unter einer trüben Wolkendecke leben, von Schneestürmen umtost, von der Sonne vergessen, gerade die sollten doch den Reiz einer Winter-WM am Persischen Golf zu schätzen wissen. Wenn das Wetter 2022 genau so schlimm wird, dann sollten die hiesigen Fußball-Fans eigentlich froh sein, wenn sie ihr Hobby vier Wochen lang unter künstlich gewässerte Wüstenpalmen ausleben dürfen. Sicher, für die Leute, die lieber Public Viewing machen, müsste natürlich das Areal rings ums Brandenburger Tor überdacht und beheizt werden. Darum kümmert sich Hartmut Mehdorn bestimmt gerne, wenn er den Flughafen fertig hat.
Auf die Terminplanung der Bundesliga hätte die Verlegung der WM kaum Einfluss. Die ausgefallenen Spiele ließen sich ganz bequem blockweise im türkischen Belek nachholen - dort, wo inzwischen ohnehin fast alle deutschen Profiklubs ihr Trainingslager aufschlagen. Zu fragen wäre mithin nur noch, ob die WM lieber im Januar oder im Dezember 2022 stattfinden sollte? Nun, für den Januar spricht natürlich, dass damit alle Menschen der Sorgen entledigt wären, was sie ihren Liebsten bloß zum Weihnachtsfest 2021 schenken sollen: WM-Tickets natürlich.
Gegen den Januar spricht angeblich, dass die Weltmeisterschaft dann mit den Olympischen Winterspielen 2022 kollidieren würde. Allerdings ist es wohl eher so, dass das noch nicht konsequent zu Ende gedacht wurde. Selbstverständlich muss es der Anspruch von Katar sein, die Spiele 2022 gleich mitauszurichten (die will bislang eh keiner haben).
Ein bisschen Stadionbiathlon vor dem Anpfiff und ein wenig Skispringen in der Halbzeit wären gewiss eine schöne Auflockerung für so manches zäh dahinfließende Gruppenspiel. Um die Wüstenwinter wintersporttauglich zu machen, ließen sich dann auch jene Kühlsysteme verwenden, die eigentlich angeschafft wurden, um den Wüstensommer fußballtauglich zu machen.
Und der beste Torschütze bekommt am Ende eine Schneekanone.