Fußball-WM 2018:Wenn sich die Kosten für ein Stadion versiebenfachen

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Platz für 68 000 Zuschauer, ein verschließbares Dach und Kosten in Höhe von 750 Millinen Euro: das neue St. Petersburger Stadion auf der Krestowskij-Insel. (Foto: Ruslan Shamukov/AFP)
  • An diesem Samstag findet die erste offizielle Partie in der neuen Arena in St. Petersburg statt - eigentlich hatte sie schon 2009 fertig sein sollen.
  • Viele sehen in dem Stadion ein Symbol für die gravierenden Probleme rund um den Confed-Cup und die WM 2018.
  • Das Turnier im nächsten Jahr wird das teuerste der WM-Geschichte, vor allem aufgrund der Stadionbauten.

Von Johannes Aumüller

Als die Bauarbeiten für die neue Arena auf der Krestowskij-Insel begannen, waren die Verantwortlichen guten Mutes. Nach etwa zwei Jahren sollten sie fertig sein, sagte die damalige Gouverneurin von St. Petersburg, und im Frühjahr 2009 seien die ersten Fußball-Spiele zu erwarten. Ein bisschen länger hat es dann doch gedauert, nicht Frühjahr 2009, sondern Frühjahr 2017 ist es geworden, bis die erste offizielle Partie stattfinden kann. An diesem Samstag empfängt Zenit St. Petersburg den FK Ural zum Liga-Duell.

Ein luxuriöser und futuristisch anmutender Bau ist entstanden, mit verschließbarem Dach und Platz für 68 000 Zuschauer. Nach dem Wunsch der Verantwortlichen soll das Stadion als Symbol für Russlands Sportgröße stehen - und die Einweihung auch als Anschub für die großen Fußball-Tage des Landes beim Confed Cup im Juni und bei der WM im nächsten Sommer wirken. Aber viele andere sehen darin eher ein Symbol für die gravierenden Probleme rund um die Turniere. Weil es nicht nur ein sehr schmuckes Stadion geworden ist. Sondern auch ein sehr teures.

Die Fußball-WM ist nach den Olympischen Winterspielen von Sotschi der zweite Höhepunkt der großen Sport-Offensive des Landes, die Staatschef Wladimir Putin persönlich vorangetrieben hat. Es soll ein großes Fest werden, aber ob es das wird, ist nicht nur wegen der zuletzt wenig überzeugenden Sbornaja fraglich. Wie schon vor und während Olympia in Sotschi schwelen so viele unliebsame Debatten, dass man fast den Überblick verliert.

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Vom Staatsdoping bis zur schleppenden Sponsorensuche

Die Vergabe des Turniers nach Russland, die im Doppelpack mit Katar 2022 erfolgte, ist noch nicht aufgeklärt. Das (sport-)politische Verhalten beim aufgedeckten Staatsdopingsystem führt zu Forderungen nach Sanktionen wie Boykott oder Turnier-Entzug. An WM-Baustellen wurde häufig eine unzureichende Entlohnung beklagt, in St. Petersburg konstatierte die norwegische Zeitung Josimar gar "sklavenähnliche Bedingungen" für nordkoreanische Arbeiter. Auch Hooligans sind ein Thema, womöglich schreckt das ausländische Fans ab: Aus Deutschland sind nur 1489 Ticket-Wünsche für den Confed Cup eingegangen. Die Sponsorensuche für die WM wiederum läuft schleppend; der Vize-Premier und nationale Fußballchef Witalij Mutko, der kürzlich wegen dieser Doppelfunktion aus dem Council des Weltverbandes flog, machte dafür in ungewöhnlicher Schärfe die Fifa und ihr Korruptions-Image verantwortlich.

Dazu kommen, nicht zuletzt im Land selbst, die Diskussionen über die immensen Kosten der WM in wirtschaftlich angespannten Zeiten. Das offizielle Budget beträgt 639 Milliarden Rubel, nach derzeitigem Wechselkurs umgerechnet mehr als zehn Milliarden Euro. Mehr als zwei Drittel kommen aus dem Staatshaushalt. Experten gehen sogar noch von einigen Milliarden mehr aus. Somit wird es das teuerste Turnier der WM-Geschichte, vor allem aufgrund der Stadionbauten.

Von den zwölf Spielstätten wurden zwei stark umgebaut und neun komplett neu errichtet. Doch an vielen WM-Orten fragen sich die Menschen, warum es bei ihnen überhaupt ein Stadion mit Fifa-Kriterien wie mindestens 35 000 Sitzplätzen braucht. In Wolgograd, Kaliningrad oder Nischnij Nowgorod sind nur Zweit- oder Drittligisten beheimatet, da kommen eher selten so viele Zuschauer zu einem Fußballspiel. Aber auch in der höchsten Klasse ist das Interesse oft gering, durchschnittlich besuchten in diesem Jahr nur wenig mehr als 11 000 Fans ein Spiel der Premjer-Liga.

Besonders heftig tobt die Kostendiskussion in St. Petersburg, wo das Eröffnungsspiel des Confed Cups steigt und nicht nur Spiele der WM 2018, sondern auch der quer durch Europa verstreuten EM 2020 stattfinden sollen. Als vor zehn Jahren die Arbeit begann, war die Rede von 6,7 Milliarden Rubel. Am Ende summierten sich die Rechnungen auf 45 Milliarden. Aktuell sind das rund 750 Millionen Euro; als der Rubel mitten in der Bauphase noch einen anderen Wert hatte, entsprach diese Summe sogar mal mehr als einer Milliarde Euro. So erwarb sich die Arena den Ruf, die teuerste der Welt zu werden.

Zwar lagen Verzögerungen und Kostensteigerungen auch daran, dass es zu Baubeginn weder Zusagen für die WM 2018 noch für die EM 2020 gab. Aber es gab auch noch andere Gründe. Ständig kam es zu Baustopps und zu Verwicklungen bei den Finanzen. Gelder sollen veruntreut worden sein. Der Energiekonzern Gazprom stieg früh als Sponsor aus, dafür musste der Staatshaushalt herhalten. Wenige Monate vor Fertigstellung wurde dem Generalunternehmer gekündigt und dafür das Unternehmen Metrostroj eingesetzt, an dem die Stadt viele Anteile hielt. Beobachter wunderten sich über den Ablauf und die Konditionen fürs neu beauftragte Unternehmen; jetzt verklagen sich die Seiten gegenseitig auf Zahlungen.

So können sich geplante Kosten schon mal versiebenfachen. Und als zwischenzeitlich die Wahl anstand, ob das Stadion dauerhaft "Krestowskij-Arena" oder nach dem lokalen Klub "Zenit-Arena" oder aber nach dem Energiekonzern "Gazprom-Arena" heißen sollte, da war bei den Spöttern der Vorschlag "Raspil-Arena" der große Renner. Raspil bedeutete im Russischen ursprünglich, von einem Stück Holz etwas abzuschneiden; inzwischen bedeutet es auch, von einem großen Batzen Staatsgeld etwas abzuschneiden.

Doch das kümmert die Verantwortlichen nicht so sehr. Sie müssen sich einem drängenderen Problem widmen. Denn die vielen Rubel führten nicht dazu, dass auch tauglicher Rasen ausliegt. Schon früher monierte die Fifa, dass das Spielfeld zu stark vibriere. Und als vor knapp zwei Wochen Bilder des Untergrundes kursierten, war nicht viel Grün zu sehen, aber viel Gelblich-Bräunliches. Das bessern sie jetzt aus, und bis zum Confed Cup, versichern sie, sei der Rasen in Top-Zustand.

© SZ vom 22.04.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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