Fußball-WM 2006:Niersbach in der Bredouille

Niersbach, the German Soccer Association President, reacts on stage at Germany's new soccer museum in Dortmund

Wolfgang Niersbach: Schwierige Tage als DFB-Präsident

(Foto: REUTERS)
  • Der Umgang mit einer Zahlung des WM-Organisationskomitees über 6,7 Millionen Euro an die Fifa bringt DFB-Präsident Wolfgang Niersbach in die Bredouille.
  • Einflussreiche Kreise des Verbandes erwägen nach SZ-Informationen eine Strafanzeige gegen Theo Zwanziger wegen Untreue.

Von Johannes Aumüller und Thomas Kistner

Eine veritable Schatzkammer hat sich der deutsche Fußball soeben in Dortmund errichtet. Der Original-Endspielball des WM-Triumphes von 1954 liegt jetzt dort in einem Museum und die Reiseschreibmaschine von Sepp Herberger, die berühmte Mütze des früheren Bundestrainers Helmut Schön und der Schuh von Mario Götze aus dem Endspiel von Rio. Dass der Tauf-Akt dieser Einrichtung am Montag so viele Berichterstatter anlockte, lag trotzdem nicht an den historischen Exponaten. Sondern daran, dass Wolfgang Niersbach zugegen war, der Mann, der gerade im Zuge der Sommermärchen-Affäre in immer größere Erklärungsnot gerät.

Der Präsident des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) wies erneut alle Korruptionsvorwürfe um die Vergabe der Fußball-WM 2006 - sowie die Existenz schwarzer Kassen scharf zurück. Beides hatte der Spiegel am Samstag in einer umfangreichen Titelgeschichte behauptet.

Aber Niersbach und der DFB liefern nach wie vor keine schlüssige Erklärung für den einen "offenen Punkt", wie es der Verbandschef am Montag nannte: eine Überweisung von 6,7 Millionen Euro im April 2005 durch das WM-Organisationskomitee an den Weltverband Fifa. Der DFB sagt, es habe sich dabei um einen Beitrag für ein WM-Kulturprogramm gehandelt, der womöglich zweckentfremdet worden sei. Der Spiegel behauptet, dass diese Bezeichnung nur Vorwand sei; die Summe sei von der Fifa an Robert Louis-Dreyfus geflossen, als Rückzahlung für den Darlehensgeber der angeblichen schwarzen Kasse.

Es ist aufgrund der Aktenlage erstaunlich, dass der DFB im April 2005 der Fifa eine solche Summe für eine Beteiligung am Kulturprogramm zukommen lassen sollte. Zuvor hatte es immer geheißen, dass die Fifa ihrerseits die deutschen Organisatoren bei deren Kulturprogramm finanziell unterstützen möchte, deutsche Politiker fragten wiederholt nach dem Zuschuss (siehe unten). Merkwürdig ist auch manches, was der DFB bisher zum Thema kommunizierte. In einem Interview, das Niersbach am Wochenende seiner eigenen Verbands-Internetseite gab, las sich das so:

"DFB.de: Trotzdem steht eine Zahlung des WM-Organisationskomitees von 6,7 Millionen Euro an die Fifa aus dem Jahre 2005 im Raum, die möglicherweise zweckwidrig verwendet worden sein soll.

Niersbach: Dass es einen solchen Vorgang gibt, haben wir vergangenen Freitag veröffentlicht. Ich habe diesen Sommer davon erfahren und eine interne Prüfung veranlasst. Zur Aufklärung haben wir verbandsintern den Kontrollausschuss eingeschaltet sowie die externe (...) Wirtschaftskanzlei Freshfields."

Diese Passagen suggerieren zweierlei. Erstens, dass Niersbach erst im Sommer von der Überweisung erfuhr. Zweitens, dass er sofort größere Untersuchungen einleitete. Doch es erscheint zweifelhaft, ob das tatsächlich so ist.

Der Spiegel schreibt, dass es im Organisationskomitee im April 2005 einen "offiziellen Beschluss" für die eine Überweisung gegeben habe; zum OK zählte auch Niersbach als Vizepräsident. Zudem ließ am Montag der frühere DFB-Chef Theo Zwanziger, den mit Niersbach inzwischen eine innige Feindschaft verbindet, via Anwalt ausrichten, er bitte "seit drei Jahren" Niersbach, "seiner Pflicht zur Aufklärung nachzukommen".

Wie intern ist die interne Prüfung?

Einerseits ist dies eine ungewöhnliche Einlassung, weil Theo Zwanziger als Finanz-Vize des OK gemeinsam mit dem geschäftsführenden Vizepräsidenten Horst R. Schmidt die Überweisung über 6,7 Millionen Euro an die Fifa unterzeichnete. Aus diesem Grund erwägen manche im DFB nach SZ-Informationen nun auch eine Strafanzeige gegen Zwanziger wegen des Verdachts der Untreue. Andererseits verstärkt die Behauptung des früheren Präsidenten den Fokus auf die Frage: Ab wann wusste Niersbach von der Transaktion?

Ähnlich unklar verhält es sich mit der nach DFB-Darstellung seit Sommer andauernden "internen Prüfung", die Niersbach hervorhob. Der DFB will auf Anfrage nicht mitteilen, was genau darunter zu verstehen ist, so wie er überhaupt Nachfragen zu der Causa derzeit nicht beantwortet. Dafür sagte Ex-Chef Zwanziger am Montag, er wundere sich, dass ihn diese angeblich seit Monaten laufende DFB-interne Untersuchung nie erreicht habe, "obwohl er sie doch selbst angeregt hat", wie sein Anwalt Hans-Jörg Metz mitteilt.

Auf Nachfrage, wann genau sein Mandant dies getan habe und ob er Materialien beigesteuert habe, erklärte Anwalt Metz, Zwanziger werde nach seinem Urlaub "alle ihm vorliegenden Erkenntnisse zusammenfassend darstellen und auch durch eine eidesstattliche Versicherung dokumentieren". Der frühere DFB-Funktionär Horst R. Schmidt, der zweite Unterzeichner der Überweisung an die Fifa, beantwortete eine Anfrage, ob er im Rahmen der internen Prüfung gehört wurde, nicht.

Die große Mehrheit des DFB-Präsidiums erfuhr von den 6,7 Millionen erst Freitagmorgen

Im DFB kursiert jedenfalls die Version, dass die interne Prüfung so intern war, dass nur ein kleiner Stab von Niersbach-Vertrauten davon Kenntnis gehabt haben soll. Die große Mehrheit des Präsidiums, allen voran die ehrenamtlich gewählten, erfuhr von den 6,7 Millionen Euro jedenfalls erst bei einer Telefonkonferenz am Freitagmorgen um 10 Uhr - kurz bevor sich der Verband wegen der bevorstehenden Publikation des Spiegel mit einer Mitteilung an die Öffentlichkeit wandte.

Erst dabei beschloss das Präsidium, den verbandsinternen Kontrollausschuss sowie eine externe Kanzlei einzusetzen, wie DFB-Vizepräsident Rainer Koch auf seiner Facebook-Seite schrieb. Nun heißt es, dass sich der Kontrollausschusses, der zugleich als Ethikkommission des nationalen Verbands fungiere, nicht nur um die Zahlung der 6,7 Millionen kümmern möchte, sondern auch um das Verhalten Niersbachs seit Sommer, als er von der Transaktion erfuhr.

Neben dem Kontrollausschuss und den auswärtigen Experten schaut sich nun aber auch noch eine dritte Gruppe die Vorgänge genauer an: die Staatsanwaltschaft Frankfurt. Es wird geprüft, ob es einen Anfangsverdacht für ein Ermittlungsverfahren gibt, teilte sie mit.

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