Fußball-WM 2006:Fifa gegen Beckenbauer

Franz Beckenbauer

Franz Beckenbauer, damals Präsident des WM-OK.

(Foto: dpa)
  • Der Fußball-Weltverband versucht, sich Ansprüche gegen die Protagonisten der Sommermärchen-Affäre zu sichern.
  • Die Betroffenen sind Franz Beckenbauer, Theo Zwanziger und Stefan Hans. Es geht um circa 2,5 Millionen Euro.
  • Mindestens ein Verfahren wurde bereits eingeleitet.

Von Johannes Aumüller und Thomas Kistner

Franz Beckenbauer und die Fifa hatten nicht mehr viel miteinander zu tun, seitdem sich der einstige deutsche Fußball-Kaiser vor fünf Jahren aus seinem Vorstandsamt beim Fußball-Weltverband zurückgezogen hatte. Einmal gab es noch Ärger, weil Beckenbauer während der Ermittlungen der Fifa-Ethikkommission zur WM-Doppelvergabe nach Russland (2018) und Katar (2022) nicht wunschgemäß kooperierte; er wurde kurzzeitig suspendiert. Nun aber gibt es erneut Streit, und womöglich folgenreichen.

Nach Informationen der Süddeutschen Zeitung prüft die Fifa, wie sich im Kontext der Affäre um das deutsche WM-Sommermärchen 2006 finanzielle Ansprüche gegen die damals handelnden Akteure sichern lassen. Mindestens ein Verfahren gegen frühere Funktionäre des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) hat der Weltverband bereits eingeleitet - unter anderem gegen Beckenbauer. Dabei soll es um etwaige Schadenersatz-Ansprüche von insgesamt circa 2,5 Millionen Euro gehen.

Der Zweck der Zahlung? Ist ungeklärt

Hintergrund dieses Begehrs sind die Finanz-Schiebereien rund um die WM 2006. Im Jahr 2002 waren - am Ende diverser Transaktionen - zehn Millionen Franken im Zugriffsbereich des skandalumtosten Fifa-Vizepräsidenten Mohammed bin Hammam in Katar gelandet. Der Geldkreislauf begann damals von einem Konto, das auf Beckenbauer und seinen Berater Robert Schwan lief; letztlich gewährte Ex-Adidas-Boss Robert Louis-Dreyfus den Deutschen die Summe als Kredit. Der Zweck der Zahlung? Ist ungeklärt.

Im April 2005 stand dann, nach langem Drängen durch Louis-Dreyfus' Bank, die Rückzahlung an. Also überwies das WM-Organisationskomitee 6,7 Millionen Euro an die Fifa - deklariert als Beitrag zu einer WM-Gala (die später abgesagt wurde). Und noch am selben Tag reichten die damaligen Fifa-Verantwortlichen die Summe an Louis-Dreyfus weiter.

Auf diesem Sachverhalt fußen die strafrechtlichen Ermittlungen, die bis heute in Frankfurt (Verdacht auf Steuerhinterziehung) und in Bern (Verdacht auf Betrug und Untreue) gegen verschiedene damalige DFB-Funktionäre laufen. Aber auch die Fifa selbst steht unter dem Druck internationaler Justizbehörden, insbesondere die Amerikaner ermitteln intensiv im Korruptionssumpf rund um den Weltfußball. Der Weltverband muss sich da glaubwürdig verhalten, will er den Opfer-Status in diesen Ermittlungen nicht verlieren. Und daher sondieren die Fifa-Anwälte von der US-Kanzlei Quinn Emanuel offenkundig, gegen wen sich - je nach weiteren Erkenntnissen der beiden WM-2006-Strafverfahren - im Zweifel Ansprüche stellen ließen.

Nach SZ-Informationen wird die Liste möglicher Personen intern sehr weit gefasst, sie reicht von Beckenbauer bis Bin Hammam. Problem: Irgendwann verjähren die Schadensansprüche - dem ist aus Sicht der Anwälte rechtzeitig entgegenzuwirken. Zum Beispiel, indem potenziell betroffene Personen eine Unterbrechung der Verjährung akzeptieren; solche Vereinbarungen hat es dem Vernehmen nach schon gegeben. Wenn sich jemand sträubt, muss die Fifa einen anderen Weg gehen.

Es geht um Beckenbauer, Zwanziger und Hans

Zumindest an einem Fall ist auch das nachzuzeichnen. Ende 2016 wandte sich die Fifa an eine Schiedsstelle in Hamburg namens "Öffentliche Rechtsauskunft- und Vergleichsstelle" (Öra). Diese versucht, Streitfälle gütlich zu regeln. Zudem gilt sie als einfaches und preisgünstiges Instrument, um Verjährungen zu verhindern; sie lässt sich also auch taktisch nutzen. Auch die neue DFB-Spitze hatte sich zu Beginn der Affäre vorsorglich an die Öra gewandt, um sich mögliche Ansprüche zu sichern.

Das Begehr des Weltverbandes richtete sich nach SZ-Informationen gegen drei deutsche Ex-Funktionäre. Gegen Beckenbauer, den damaligen Präsidenten des WM-Organisationskomitees; außerdem gegen Theo Zwanziger, den damals für Finanzen zuständigen OK-Vize (und späteren DFB-Chef); sowie gegen Stefan Hans. Hans war damals Mitarbeiter im Finanz- und Budgetbereich sowie später viele Jahre stellvertretender Generalsekretär des DFB, ehe sich die neue Führung wegen seines Verhaltens während der WM-Affäre von ihm trennte. Hans hatte 2005 die Tischvorlage für den Beschluss verfasst, sich an der Gala finanziell zu beteiligen; Zwanziger hatte - gemeinsam mit dem Kollegen Horst R. Schmidt - die Überweisung freigezeichnet. Beide bestreiten, zum Zeitpunkt der Überweisung gewusst zu haben, dass das Geld für Louis-Dreyfus gewesen sei.

Die Argumentation der Fifa für ihren Antrag geht nach SZ-Informationen im Kern so: DFB und Fifa hatten für die WM 2006 ein "Profit Sharing" vereinbart, das heißt: Der Gewinn sollte nach einem bestimmten Verhältnis aufgeteilt werden. Hätten nun die DFB-Verantwortlichen zu Unrecht die für die Gala deklarierten 6,7 Millionen Euro in ihren Bilanzen als Betriebsausgabe abgesetzt, hätten sie den Gesamtgewinn um diesen Betrag gemindert - und dann hätte auch die Fifa weniger bekommen, als ihr eigentlich zustand. Auf circa 2,5 Millionen Euro soll sie den Verlust beziffern. Die Anwälte von Beckenbauer und Hans äußerten sich auf Anfrage nicht zum Thema. Nach SZ-Informationen sind Schlichtungsverfahren ihrer Klienten mit der Fifa bei der Öra jeweils gescheitert. Zwanzigers Anwalt Hans-Jörg Metz teilt mit, es habe keine Einigung gegeben und derzeit sei kein Verfahren anhängig. Ohnehin unterbricht eine Eingabe bei der Öra die Verjährung aber nur um sechs Monate. Sollte es der Fifa also ernst sein mit ihrer Forderung, müsste sie bald Klage einreichen. Die Frage wäre aber, ob so eine finanzielle Forderung wirklich gegen Privatpersonen geltend gemacht werden könnte - oder ob sie sich nicht gegen den damaligen Vertragspartner richten müsste: den DFB.

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