Werder Bremen:Endspielstimmung

GER, 1.FBL, Werder Bremen Training / 25.04.2021, Trainingsgelaende am wohninvest WESERSTADION - Platz 4/5, Bremen, GER,

Im DFB-Pokal gegen Leipzig geht es schon wieder um den Job von Trainer Florian Kohfeldt.

(Foto: Nordphoto/Imago)

48 Stunden lang sah es so aus, als würde sich Werder Bremen von Trainer Florian Kohfeldt trennen. Nun bleibt er - vorerst aber nur bis zum Pokal-Halbfinale gegen Leipzig.

Von Ralf Wiegand, Bremen

So wundergläubig sind nicht einmal die Bremer, als dass sie vom Pokal-Halbfinalspiel ihrer Mannschaft am kommenden Freitag irgendetwas erwarten würden. Wie sollte sich der SV Werder, bleischwer beladen mit zuletzt sieben Niederlagen in der Bundesliga, ausgerechnet jetzt gegen RB Leipzig zu einer dieser Leistungen aufschwingen, die den Verein einmal berühmt gemacht haben? Magische Nächte im Weserstadion hat es viele gegeben, die letzte liegt rund 15 Monate zurück, es war auch im Pokal, und Werder - wie heute ein Abstiegskandidat - besiegte Borussia Dortmund im Viertelfinale vollkommen unerwartet 3:2. Es war der bislang letzte Fußball-Feiertag an der Weser, die Pandemie fand noch in den Meldungsspalten auf den Auslandsseiten statt, als Husten in China. 42 000 Zuschauern im Stadion, fantastische Tore, Kampf bis zum Umfallen. Es war einer dieser Abende, die reichen, um sich in einen Verein zu verlieben. Nicht planbar, nicht vorhersehbar, es passiert einfach. Man muss nur dabei gewesen sein.

Für das Spiel am Freitag hätten ähnliche Voraussetzungen gelten können. Werder hat nach wie vor eine Mannschaft, von der niemand noch etwas Besonderes erwartet. Der Pokal hätte wieder eine Brücke über den tabellarischen Treibsand der Bundesliga bauen können, in dem der Klub hilflos immer tiefer versinkt. Eine kleine Flucht, für 90 Minuten oder 120 und vielleicht noch ein paar Elfmeter. Einmal dem neureichen Klub aus Leipzig zeigen, was er noch lange nicht haben wird: eine Geschichte, die immer wieder neu geschrieben wird, die Geschichte vom Fallen und Aufstehen. In diesem Bonusspiel gegen Leipzig wäre nichts zu verlieren, aber alles zu gewinnen gewesen. Nur positiver Druck, so heißt das dann.

Aber daraus wird jetzt nichts, denn der Verein hat das Spiel schon zum Finale erklärt, bevor das Ortsschild von Berlin überhaupt in Sicht ist. Werders Halbfinale gegen RB Leipzig ist von der sportlichen Leitung zum Endspiel für Trainer Florian Kohfeldt und zum ultimativen Charaktertest für die Spieler ausgerufen worden. "Wir wollen eine andere Mannschaft auf dem Platz erleben", sagte Sportchef Frank Baumann am Montag, eine, "die Zuversicht und den Glauben an sich selbst repräsentiert, um etwas Besonderes zu erreichen." Auf dem Spiel stehen der Job des Trainers, vielleicht der von Baumann selbst und der Rückhalt der Fans, die sich schon jetzt fragen: Ist das noch Werder Bremen?

Einladung zum Rausschmiss ausgesprochen, Einladung angenommen - so hörte sich das an am Wochenende

In diese Situation ist der Verein, der als einer der besonnensten der Liga gilt, durch eine Entscheidung geraten, die sowohl in ihrer Entstehung, im Ergebnis und in der Erklärung rätselhaft bleibt. Am Montagabend, rund 48 Stunden, nachdem Werder Bremen bei Union Berlin auf deprimierende Weise 1:3 verloren hatte, setzte sich Frank Baumann vor eine Kamera im Medienraum des Weserstadions. Die Journalistinnen und Journalisten setzten sich vor ihre Kameras in den eigenen Wohnzimmern, so funktioniert Kommunikation heute. Tags zuvor hatte ebenfalls Baumann sehr offen mitgeteilt, dass der Verein bis spätestens Dienstag entscheiden wolle, mit welchem Trainer der drohende Abstieg aus der Bundesliga doch noch zu verhindern sein könnte. Eine Trennung von Florian Kohfeldt sei möglich, man sei dabei, das in "ergebnisoffenen" Gesprächen derzeit zu erörtern. Der Trainer selbst hatte ja noch in Berlin gesagt, wenn jemand der Ansicht sei, dass es "mit einer anderen Person" besser laufe, solle man ihm das mitteilen - weglaufen werde er aber nicht. Einladung zum Rausschmiss ausgesprochen, Einladung zum Rausschmiss angenommen - so hörte sich das an, am Samstag und am Sonntag.

Während im Weserstadion die verschiedenen Gremien tagten, die Geschäftsführung, der Aufsichtsrat, der Mannschaftsrat, dann mal die einen mit den anderen, während drinnen auch Florian Kohfeldt darlegte, wie er aus der Krise zu kommen gedenke, wurde draußen Trainer-Quartett gespielt. Medien und Fans, letztere notgedrungen an ihren virtuellen Stammtischen, prüften jeden arbeitslosen Fußballlehrer, jeden altgedienten Werderaner, jeden Nachwuchscoach im Verein auf seine Retterqualitäten. Thomas Schaaf? Bruno Labbadia? Danijel Zenkovic? Markus Gisdol? Konrad Fünfstück? So vergingen der Sonntag und der halbe Montag, in den einschlägigen Talkshows diskutierten die Experten die Impulskraft von neuen Besen, und im extra eingerichteten Liveticker meldete der örtliche Tatort-Reporter noch am Montag um 17.33 Uhr: "Es riecht ganz stark nach Trainerwechsel!"

Es war eine olfaktorische Fehleinschätzung. Kurz nach 18 Uhr aktualisierte der Verein, dessen Vorsprung auf einen Nichtabstiegsplatz in der historischen Niederlagen-Serie von elf auf einen Punkt geschrumpft ist, zunächst seine Internet-Seite. "Florian Kohfeldt bleibt Cheftrainer", stand da nun. Um kurz vor sieben richtete dann Frank Baumann sein Mikrofon und sagte: "Wir möchten den Weg mit Flo weitergehen." Nach Abwägung des Für und Wider sei man "aus Überzeugung" zu dem Ergebnis gekommen, dass mit diesem Trainer die Wahrscheinlichkeit auf den Klassenverbleib am höchsten sei.

Niemand erwarte, dass Werder Leipzig "aus dem Stadion schießt", versichert Sportchef Baumann

Warum das so sein soll, erklärte Baumann nicht, außer, dass es Kohfeldt in der vergangenen Saison schon einmal geschafft hat. Was sich in den kommenden Wochen ändern wird, erläuterte er auch nicht, und ebenso wenig, was Kohfeldt nun anders machen will als in den vergangenen Monaten, um seine leblosen, zuletzt demoralisierten Spieler wieder wettbewerbsfähig zu machen. Man sei "von der Mannschaft enttäuscht", sagte Baumann. Von der Mannschaft erwarte man nun, am Freitag "eine Wende hinzubekommen". Niemand gehe davon aus, dass Werder Leipzig "aus dem Stadion schießt", aber Zuversicht und Glaube eben, das sollte es schon sein.

Die Spieler sind es also gewesen, nicht der Trainer, das ist ehrenwert von Baumann, der in seiner Funktion den fantasielosen Kader ja hauptsächlich zu verantworten hat. Trotzdem bekommt Kohfeldt aber nur die Garantie, dass er am Freitag noch auf der Bank sitzen wird - danach müsse man "von Spiel zu Spiel sehen". Und auch wenn die Mannschaft gegen Leipzig dem Druck standhält, den Job des Trainers zu retten, selbst wenn danach der Klassenverbleib gelingt: Ob Kohfeldt auch über den Sommer bleibt? "Ist noch offen", sagte Baumann.

Was für eine Situation: Wenn es gut läuft gegen Leipzig, hätte der pandemiebedingt finanziell ausgeblutete SV Werder in der Bundesliga immer noch keinen Punkt mehr als jetzt und keine Gewissheit im Abstiegskampf. Wenn es schlecht läuft, begänne die Diskussion um Kohfeldt sofort von Neuem - nur dann mit einer Woche weniger Zeit für dessen Nachfolger bis zum nächsten Punktspiel. Und selbst wenn Werder in der Liga bleibt, ist nicht klar, ob der gemeinsame Weg, dem sich Baumann und Kohfeldt verschrieben haben, danach weitergehen wird.

Mehr hätte Werder nicht tun können, um noch eine besondere Fußballnacht in der Geschichte des Vereins vorzubereiten. Wundergläubige sollten einschalten, Freitag, 20.30 Uhr, Weserstadion, zum Endspiel im Halbfinale.

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